Der Anblick von Alpakas in Videos und Fotos, die in den sozialen Netzwerken geteilt werden, löst oft Begeisterung aus. Dieser “Alpaka-Hype” führt dazu, dass immer mehr Menschen ein Alpaka als Haustier oder Hobbytier in Betracht ziehen. Doch hinter dem vermeintlich niedlichen Erscheinungsbild verbirgt sich eine komplexe Realität. Als Experten für die Erforschung Deutschlands beleuchten wir die Hintergründe und warnen davor, Alpakas unkritisch als private Haustiere zu halten. Diese Entwicklung ist aus Tierschutzsicht entschieden abzulehnen, da sie oft zu Tierleid führt und die anspruchsvollen Bedürfnisse dieser faszinierenden Tiere missachtet.
Die rechtliche Lage: Darf man Alpakas als Haustier halten?
Grundsätzlich ist die Haltung von Alpakas in Deutschland legal. Die Anforderungen und Auflagen variieren jedoch erheblich, je nachdem, ob die Tiere landwirtschaftlich oder privat genutzt werden.
Definition und Auflagen für die private Haltung
Werden Alpakas nicht für landwirtschaftliche Zwecke oder zur Gewinnerzielung gehalten, definiert das Gesetz sie als Haustiere. In diesem Fall fallen die domestizierten Kamele unter den Paragraphen 11 des Tierschutzgesetzes. Dieser Paragraph regelt unter anderem auch die private Haltung anderer Wirbeltiere wie Pferde oder Schafe. Halterinnen und Halter müssen hierbei ein Mindestmaß an Sachkenntnis sowie geeignete räumliche Gegebenheiten nachweisen können. Gemäß Paragraph 45, Abschnitt 14 der Viehverkehrsordnung (VVVO) ist zudem ein Bestandsbuch zu führen, das die Anzahl der Tiere und die Vergabe von Medikamenten dokumentiert.
Für die reine Hobbyhaltung ist allerdings kein Sachkundenachweis verpflichtend. Auch eine Versicherung bei der Tierseuchenkasse oder eine Registrierung mittels Pass sind nicht zwingend vorgeschrieben. Diese vergleichsweise lockeren Bestimmungen stehen oft im Konflikt mit den hohen Anforderungen an eine artgerechte Haltung.
Platzbedarf und artgerechte Umgebung
Neben dem Tierschutzgesetz, das eine artgerechte Haltung explizit vorschreibt, existiert eine vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beauftragte Leitlinie. Diese empfiehlt für zwei Alpakas eine Fläche von 1000 Quadratmetern. Für jedes zusätzliche Tier sind weitere 100 Quadratmeter erforderlich. Der Alpakazuchtverband Deutschland (AZVD) geht hier noch weiter und betont, dass eine tiergerechte Haltung nur gewährleistet ist, wenn die Grasfläche groß genug ist, um die Tiere das ganze Jahr über zu ernähren. Dies bedeutet, abhängig vom jeweiligen Wohnort und der Bodenqualität, mindestens 1000 Quadratmeter pro Tier, zuzüglich 100 Quadratmeter für jedes weitere Tier. Es wird deutlich: Ein kleines Gartenstück reicht den Bedürfnissen eines Alpaka als Haustier bei Weitem nicht aus. Werden Alpakas hingegen landwirtschaftlich genutzt, sind die Haltungsanforderungen weitaus strenger.
Das wahre Wesen der Alpakas: Mehr als nur “Kuscheltiere”
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum: Alpakas sind keine Kuscheltiere. Sie sind von Natur aus Distanztiere und meiden in der Regel engen Körperkontakt zum Menschen.
Distanztiere mit komplexem Sozialverhalten
Alpakas gehören, ebenso wie Lamas, zur Familie der Kamele und stammen ursprünglich aus den Anden Südamerikas. Dort werden sie primär wegen ihres wertvollen Vlieses gezüchtet und dienen auch als Nahrungsmittel. Hierzulande werden sie vor allem zur Fasergewinnung gehalten, da Alpakawolle als Qualitätsprodukt hochgeschätzt wird.
Die Tiere sind hochsozial und leben in einem strengen Herdenverbund. Eine Einzelhaltung ist absolut tierschutzwidrig. Es müssen mindestens zwei Alpakas zusammengehalten werden, wobei dringend davon abgeraten wird, sie mit anderen Tierarten wie Ziegen oder Eseln zu vergesellschaften, um Artgenossen zu ersetzen. Der AZVD empfiehlt zudem, Hengste und Stuten nicht dauerhaft zusammenzuhalten, um unkontrollierte Vermehrung und damit verbundenes Tierleid zu vermeiden.
Zwei Alpakas auf einer Weide, die ihren sozialen Bedürfnissen als Herden- und Distanztiere gerecht wird.
Die Gefahren der Fehlprägung: Das Berserk-Male-Syndrom
Zu enger und unsachgemäßer Kontakt zum Menschen, insbesondere in jungen Jahren, kann bei Alpakas zu schweren Fehlprägungen und Verhaltensstörungen führen. Ein bekanntes Beispiel ist das Berserk-Male-Syndrom (BMS), das sich durch aggressives Verhalten einiger junger Männchen gegenüber Menschen äußert. Tiere, die an BMS leiden, sind oft nicht heilbar und müssen in vielen Fällen eingeschläfert werden. Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, den natürlichen Bedürfnissen dieser Distanztiere gerecht zu werden und menschliche Interaktionen auf ein Minimum zu beschränken.
Spezielle Bedürfnisse: Von Ernährung bis Pflege
Obwohl Alpakas Distanztiere sind, sind sie als domestizierte Tiere fest auf den Menschen angewiesen – allerdings nicht im Sinne eines “Kuscheltiers”, sondern für ihre grundlegende Versorgung. Regelmäßige tiermedizinische Kontrollen sind unerlässlich, da sowohl die Zähne als auch die Nägel der Schwielensohler periodisch professionell überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden müssen. Auch die Schur der Wolle ist mindestens einmal jährlich notwendig, da zu langes Fell die Bewegungsfreiheit einschränkt und die Tiere anfällig für krankheitserregende Parasiten macht.
Die Ernährung von Alpakas ist besonders anspruchsvoll und nicht mit handelsüblichem Dosenfutter zu regeln. Alpakas sind Weidetiere, deren Stoffwechsel auf nährstoffarme, aber rohfaserreiche Nahrung eingestellt ist. Als Wiederkäuer fressen sie täglich etwa 5 Prozent ihres Körpergewichts, was je nach Größe und Gewicht des Tieres zwischen 2,5 und 3,5 kg bedeutet. Eine ausgewogene Alpaka-Ernährung besteht primär aus Heu mit passendem Proteingehalt zur freien Verfügung. Brot, Obst, Gemüse, Zucker und Getreide hingegen können zu Magenübersäuerung und schweren gesundheitlichen Problemen führen, die im schlimmsten Fall tödlich enden. Diese komplexen Anforderungen machen das Halten eines Alpaka als Haustier zu einer echten Herausforderung.
Die Herausforderungen der Hobbyhaltung in Deutschland
Die genaue Anzahl der Alpakas in Deutschland, insbesondere in reiner Hobbyhaltung, ist schwer nachweisbar. Es gibt zwar vier Registrierstellen, aber die Registrierung ist oft freiwillig, was zu doppelten Einträgen oder gänzlich unregistrierten Tieren führen kann.
Die unsichtbare Zahl: Unregistrierte Alpakas und ihre Risiken
Der größte Zuchtverband Europas, der Alpakazuchtverband Deutschland (AZVD), zählt derzeit über 16.000 registrierte Tiere in Deutschland. Detaillierte Informationen über deren Nutzung und Haltung sind laut Vizepräsident Norbert Renardy jedoch spärlich. Er beobachtet aber einen klaren Trend: “In den letzten Jahren ist der Trend zur Öffnung neuer Höfe – sowohl zur reinen Hobbyhaltung als auch mit Zuchtabsichten – stetig ansteigend.”
Praxiserfahrungen: Wenn der „lebende Rasenmäher“ leidet
Anita Selig-Smith, eine Pionierin der Lama- und späteren Alpakazucht in Deutschland, bestätigt diesen Trend. Sie betreibt einen Hof in Brandenburg und bietet neben Zucht und Verkauf auch Wanderungen mit Alpakas an. Sie berichtet: “Mittlerweile erhalte ich bis zu zehn Anfragen im Monat von Menschen, die die Tiere als Hobby halten wollen – sie möchten sich Alpakas quasi als lebende Rasenmäher in den Garten stellen.”
Selig-Smith vermutet, dass viele Halter ihre Tiere nicht registrieren und somit der Überblick über die tatsächlichen Haltungsbedingungen verloren geht: “Ich selbst wurde mehrfach zu Hilfe gerufen, wenn Tiere mit Brot gefüttert wurden, was tödlich sein kann. Oder wenn die Tiere nicht geschoren wurden, obwohl das für sie dringend notwendig ist.” Sie schätzt, dass 80 Prozent aller Kaufanfragen sich erledigen würden, wenn sich die Menschen der anspruchsvollen Haltung bewusst wären. “Der Schwarzmarkt existiert. Weiß Gott, wie viele Alpakas nicht registriert sind und in schlechter Haltung leben”, fügt sie hinzu. Diese erschreckenden Erfahrungen zeigen, wie oft die Realität der Alpaka-Haltung die Erwartungen übertrifft und in Tierleid mündet.
Verantwortungsvoller Umgang: Eine klare Absage an die reine Hobbyhaltung
Die Gespräche mit erfahrenen Züchterinnen und Züchtern belegen eindeutig: Nur wenige Menschen sind in der Lage, Alpakas eine wirklich artgerechte Haltung zu bieten. Obwohl die Haltung eines Alpaka als Haustier oder Hobbytier theoretisch legal ist, stellen die Tiere weit höhere Anforderungen als die meisten bekannten Haustiere wie Hunde, Katzen oder Mäuse.
Politik ist gefragt: Höhere Anforderungen an die Haltung
Wir appellieren dringend an Politik und Gesellschaft, die Haltung von Alpakas als Haus- und Hobbytiere nicht weiter zu befördern. Vielmehr sollten diese Tiere nur in die Obhut von Menschen gelangen, die ihr komplexes Wesen verstehen und ihre speziellen Bedürfnisse langfristig erfüllen können. Aus politischer Sicht sind unserer Meinung nach weitere rechtliche Anforderungen notwendig, die einer Hobbyhaltung dieser anspruchsvollen Tiere vorausgesetzt werden sollten. Eine stärkere Regulierung und Kontrollen könnten dazu beitragen, Tierleid zu verhindern und die Lebensqualität dieser faszinierenden Tiere zu sichern.
Der “Alpaka-Hype” in sozialen Medien: Keine Likes für Leid
Die unkritische Verbreitung von Videos und Fotos, die eine tierschutzwidrige Haltung von Alpakas zeigen, muss ebenfalls entschieden abgelehnt werden. Solche Inhalte befeuern den “Alpaka-Hype” und fördern bedenkliche Trends, die oft mit Tierleid einhergehen. Unter dem Hashtag #alpacasofinstagram finden sich leider zahlreiche Beispiele für eindeutiges Tierleid.
Ein Alpaka, das in unpassender Umgebung oder Haltung offensichtlich leidet und in sozialen Medien verbreitet wird.
Ein weiteres Beispiel für ein Alpaka, das unter suboptimalen Bedingungen gehalten wird und dessen Bild online geteilt wird.
Als Nutzer der sozialen Netzwerke sollten wir uns nicht vom oberflächlichen “Alpaka-Hype” blenden lassen und die Reichweite solcher Posts nicht vergrößern. Es ist wichtig, nicht mit positiven oder negativen Emojis oder Kommentaren zu reagieren. Vielmehr sollten diese Beiträge unmittelbar den Moderationsteams der jeweiligen Netzwerke gemeldet werden, mit dem Hinweis, dass es sich um die Darstellung von Tierleid handelt. Nur so können wir aktiv dazu beitragen, die Ausbeutung von Tieren für Likes und Clicks zu stoppen.
Fazit: Ist ein Alpaka als Haustier wirklich die richtige Wahl?
Die Faszination für Alpakas ist nachvollziehbar, doch die Realität der Alpaka-Haltung ist weit komplexer und anspruchsvoller, als es der Trend in den sozialen Medien vermuten lässt. Ein Alpaka als Haustier zu halten, bedeutet eine enorme Verantwortung, die über die meisten gängigen Haustiere hinausgeht. Es erfordert nicht nur viel Platz, sondern auch spezifisches Wissen über Sozialverhalten, Ernährung und Pflege. Die Missachtung dieser Bedürfnisse kann zu schwerwiegendem Tierleid führen, von Verhaltensstörungen bis hin zu gesundheitlichen Problemen.
Wir appellieren an alle Tierfreundinnen und Tierfreunde, sich umfassend zu informieren und die Entscheidung zur Haltung von Alpakas mit größter Sorgfalt und im Sinne des Tierwohls zu treffen. Unterstützen Sie stattdessen Organisationen, die sich für den Schutz und die artgerechte Haltung von Tieren einsetzen, anstatt den fragwürdigen Trend der Alpaka-Hobbyhaltung weiter zu befeuern. Die Schönheit und Ruhe der Alpakas lässt sich auch auf ethisch vertretbare Weise, etwa bei einer Wanderung auf einem zertifizierten Hof, erleben.
Referenzen
- Telefoninterview mit Anita Selig-Smith, geführt am 13. Oktober 2019
- Schriftliches Interview mit Norbert Renardy, Vizepräsident des AZVD e.V.
- Tierschutzgesetz (TierSchG) § 11
- Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) § 45, Abs. 14
- Alpakazuchtverband Deutschland (AZVD)
- Informationen zum Berserk-Male-Syndrom
- Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (BMEL)
- AZVD – Haltung von Alpakas
- AZVD – Futter und Pflege von Alpakas