Wenn das Rentenalter erreicht ist und der geliebte Partner verstorben ist, stellen sich viele Menschen die Frage: Kann ich sowohl meine eigene Altersrente als auch die Witwenrente beziehen? Die gute Nachricht ist: Ja, das ist grundsätzlich möglich. Allerdings ist die gleichzeitige Auszahlung oft mit einer wichtigen Einschränkung verbunden: Die eigene Altersrente kann die Witwenrente durch eine Einkommensanrechnung deutlich reduzieren.
In diesem umfassenden Ratgeber beleuchten wir alle Aspekte, die für Sie relevant sind, wenn Sie Altersrente Und Witwenrente kombinieren möchten. Wir erklären die Voraussetzungen, die unterschiedlichen Rechtslagen, die genaue Berechnung der Einkommensanrechnung und geben Ihnen praktische Beispiele an die Hand. Unser Ziel ist es, Ihnen Klarheit und Sicherheit in dieser komplexen finanziellen Angelegenheit zu verschaffen.
Die Grundlagen: Altersrente und Witwenrente – ein Überblick
Grundsätzlich sind Altersrente und Witwenrente zwei unterschiedliche Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die unterschiedlichen Zwecken dienen.
- Altersrente: Diese Leistung basiert auf Ihren eigenen Beitragsjahren und sichert Ihren Lebensunterhalt im Alter. Sie erhalten sie, sobald Sie die gesetzlichen Altersgrenzen erreicht haben und die erforderlichen Mindestversicherungszeiten erfüllen.
- Witwenrente (oder Witwerrente): Dies ist eine Hinterbliebenenleistung, die dazu dient, den finanziellen Ausfall nach dem Tod des Ehepartners teilweise auszugleichen. Sie ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die sowohl die verstorbene Person als auch die Hinterbliebenen betreffen.
Gesetzlich schließt sich der Bezug beider Rentenarten nicht aus. Beide Ansprüche sind eigenständig. Das entscheidende Kriterium, das viele unterschätzen, ist jedoch die Anrechnung Ihres Einkommens auf die Witwenrente. Sobald Ihr Einkommen – zu dem auch Ihre eigene Altersrente zählt – einen bestimmten Freibetrag überschreitet, wird die Witwenrente gekürzt.
Seniorenpaar, das über Dokumente spricht
Wann besteht Anspruch auf Witwenrente und Altersrente gleichzeitig?
Damit die Kombination von Witwenrente und Altersrente überhaupt in Betracht kommt, müssen die Voraussetzungen für beide Leistungen unabhängig voneinander erfüllt sein.
Voraussetzungen für die Witwenrente:
- Ehedauer: Die Ehe muss mindestens ein Jahr bestanden haben. Eine Ausnahme besteht, wenn der Tod des Partners durch einen Unfall oder eine Gewalttat eingetreten ist.
- Beitragszeit des Verstorbenen: Der verstorbene Ehepartner muss mindestens fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben.
- Keine Versorgungsehe: Die Ehe darf nicht nachweislich ausschließlich zum Zweck geschlossen worden sein, Rentenansprüche zu sichern (z. B. bei sehr hohem Alter oder kurz vor dem Tod). Die Rentenversicherung prüft dies genau.
Voraussetzungen für die eigene Altersrente:
- Erreichen der Regelaltersgrenze: Dies ist in der Regel 66 oder 67 Jahre, abhängig von Ihrem Geburtsjahrgang.
- Nachweis von Mindestversicherungszeiten: Je nach Art der Altersrente sind unterschiedliche Zeiten erforderlich (z. B. 5 Jahre für die Regelaltersrente, 35 Jahre für die Altersrente für langjährig Versicherte).
- Stellen eines eigenen Rentenantrags: Die Altersrente wird nicht automatisch gewährt, nur weil Sie Witwenrente beziehen. Sie müssen hierfür einen separaten Antrag stellen.
Sind alle diese Bedingungen erfüllt, steht der parallelen Auszahlung beider Rentenarten nichts im Wege – eine Situation, die in der Praxis häufig vorkommt.
Altes vs. neues Hinterbliebenenrecht: Was bedeutet das für Ihre Witwenrente?
Ein wesentlicher Faktor, der die Höhe Ihrer Witwenrente beeinflusst, ist das Datum Ihrer Eheschließung sowie das Geburtsjahr von Ihnen und Ihrem verstorbenen Partner. Dies bestimmt, ob das “alte” oder “neue” Hinterbliebenenrecht für Sie gilt.
Das alte Hinterbliebenenrecht gilt, wenn:
- Die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde und
- mindestens ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde.
In diesem Fall haben Sie Anspruch auf:
- Große Witwenrente: 60 % der gesetzlichen Rente des Verstorbenen.
- Kleine Witwenrente: 25 % der gesetzlichen Rente des Verstorbenen (unbefristet möglich).
Das neue Hinterbliebenenrecht gilt, wenn:
- Die Ehe nach dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde oder
- beide Ehepartner am 2. Januar 1962 oder später geboren wurden.
Dann gelten folgende Regelungen:
- Große Witwenrente: 55 % der Rente des Verstorbenen.
- Diese kann unter bestimmten Bedingungen (keine Kinder, noch nicht das 47. Lebensjahr vollendet – steigt schrittweise bis 2029 an) auf maximal 24 Monate begrenzt sein.
- Kleine Witwenrente: Ebenfalls 25 %, jedoch maximal für 24 Monate.
Diese rechtliche Unterscheidung kann erhebliche finanzielle Unterschiede bedeuten. Es lohnt sich daher, Ihre persönliche Rentenbiografie genau zu prüfen.
Die Einkommensanrechnung: Der Knackpunkt bei der Kombination
Der zentrale Aspekt bei der Zusammenführung von Alters- und Witwenrente ist die Anrechnung Ihres eigenen Einkommens auf die Witwenrente. Hierbei wird nicht Ihr Bruttoeinkommen, sondern ein pauschal berechnetes Nettoeinkommen berücksichtigt.
Das Sterbevierteljahr: Eine Schonfrist
In den ersten drei Monaten nach dem Tod Ihres Partners – dem sogenannten Sterbevierteljahr – gilt eine besondere Regelung: Ihr gesamtes Einkommen, einschließlich Ihrer Altersrente, wird nicht angerechnet. Sie erhalten in dieser Zeit die Witwenrente in voller Höhe.
Ab dem vierten Monat: Die reguläre Anrechnung
Ab dem vierten Kalendermonat nach dem Todesfall greift die reguläre Anrechnungssystematik. Dabei werden von Ihrem Bruttoeinkommen pauschale Abzüge vorgenommen, um das bereinigte Nettoeinkommen zu ermitteln:
- Bei Altersrente: 14 % Abzug
- Bei abhängiger Beschäftigung: 40 % Abzug
- Bei Selbstständigkeit: 20 % Abzug
- Bei Mieteinnahmen: 25 % Abzug
Dieses bereinigte Nettoeinkommen wird anschließend mit dem Freibetrag verglichen, der jährlich an die Rentenanpassung gekoppelt ist.
Der Freibetrag auf die Witwenrente (Stand 2025)
Ab dem 1. Juli 2025 gelten folgende Freibeträge:
- Allgemeiner Freibetrag: 1.076,86 Euro monatlich
- Kinderzuschlag: 228,42 Euro pro Kind mit Waisenrentenanspruch
Liegt Ihr bereinigtes Nettoeinkommen unter dem Freibetrag, erfolgt keine Kürzung Ihrer Witwenrente. Übersteigt Ihr Einkommen den Freibetrag, wird nur der übersteigende Betrag zu 40 % angerechnet. Dieser berechnete Betrag wird dann von Ihrer Witwenrente abgezogen.
Beispielhafte Wirkung der Anrechnung:
Angenommen, Ihr bereinigtes Nettoeinkommen beträgt 1.200 Euro und der Freibetrag liegt bei 1.076,86 Euro.
- Differenz: 1.200 € – 1.076,86 € = 123,14 €
- Anzurechnender Betrag: 123,14 € × 40 % = 49,26 €
Von Ihrer Witwenrente werden also monatlich 49,26 Euro abgezogen.
Die Rentenversicherung nimmt diese Anrechnung automatisch vor. Es ist jedoch Ihre Pflicht, Änderungen Ihres Einkommens (z. B. Rentenerhöhungen, Zuverdienst) zu melden, da diese Ihre Witwenrente beeinflussen können.
Alternative: Das Rentensplitting
Als Alternative zur Witwenrente können Ehepaare zu Lebzeiten ein Rentensplitting vereinbaren. Hierbei werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche hälftig auf beide Partner aufgeteilt.
- Vorteil: Beide Partner erhalten bereits zu Lebzeiten einen eigenen, stabileren Rentenanspruch.
- Nachteil: Im Todesfall eines Partners entfällt der Anspruch auf Witwenrente, da das Splitting sie dauerhaft ausschließt.
Das Rentensplitting kann sich lohnen, wenn ein Partner deutlich mehr verdient hat als der andere, aber nur unter der Bedingung, dass der überlebende Partner später nicht zwingend auf die Witwenrente angewiesen ist. Da das Splitting unwiderruflich ist, erfordert es eine sorgfältige Abwägung.
Praktisches Beispiel: Kombination von Altersrente und Witwenrente
Anna ist 67 Jahre alt und bezieht seit ihrem 66. Geburtstag eine Altersrente von 1.580 Euro brutto monatlich. Im März 2025 verstirbt ihr Ehemann Thomas, der eine Rente von 2.000 Euro brutto bezog. Ihre Ehe wurde 1978 geschlossen, beide Partner wurden vor dem 2. Januar 1962 geboren. Somit gilt für Anna das alte Hinterbliebenenrecht.
Gemäß altem Recht hat Anna Anspruch auf die große Witwenrente in Höhe von 60 % der Rente ihres Mannes:
60 % von 2.000 € = 1.200 Euro brutto Witwenrente pro Monat
Phase 1: Das Sterbevierteljahr (März – Mai 2025)
In diesen ersten drei Monaten erhält Anna ihre volle Witwenrente von 1.200 Euro zusätzlich zu ihrer Altersrente von 1.580 Euro. Ihr eigenes Einkommen wird nicht angerechnet.
Phase 2: Ab dem vierten Monat (Juni 2025) – Anrechnung der eigenen Altersrente
Ab Juni 2025 beginnt die Einkommensanrechnung. Die Rentenversicherung prüft, ob Annas Altersrente den Freibetrag übersteigt.
Schritt-für-Schritt-Berechnung der gekürzten Witwenrente:
Schritt | Rechnung | Ergebnis | Erläuterung |
---|---|---|---|
1. Bruttorente von Anna | – | 1.580,00 € | Ihre eigene Altersrente |
2. Bereinigung (14 % Abzug) | 1.580 € × 0,86 | 1.358,80 € | Pauschaler Abzug zur Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens |
3. Freibetrag (ab Juli 2025) | – | 1.076,86 € | Gesetzlicher Freibetrag |
4. Überschreitung des Freibetrags | 1.358,80 € – 1.076,86 € | 281,94 € | Der Betrag, der über dem Freibetrag liegt |
5. 40 %-Anrechnung | 281,94 € × 0,40 | 112,78 € | Der anzurechnende Teil des überschüssigen Einkommens |
6. Ungekürzte Witwenrente | – | 1.200,00 € | 60 % der Rente des Verstorbenen |
7. Gekürzte Witwenrente | 1.200 € – 112,78 € | 1.087,22 € | Auszahlungsbetrag nach Anrechnung |
Nach der Einkommensanrechnung erhält Anna ab Juni 2025 eine gekürzte Witwenrente von 1.087,22 Euro brutto pro Monat.
Ihre Rente bereitet Ihnen Kopfschmerzen?
Finanzielle Sicherheit im Alter ist ein wichtiges Thema. Wenn Sie Ihre Rentenansprüche verstehen und optimieren möchten, ist es ratsam, sich professionelle Unterstützung zu holen oder sich umfassend zu informieren. Legen Sie heute das Fundament für eine sorgenfreie Zukunft und meistern Sie Ihre finanzielle Situation mit Zuversicht.