Die Faszination für exotische Haustiere wächst stetig, und mit ihr die Neugier auf Tiere, die außerhalb der gängigen Heimtierkategorien liegen. Der Ameisenbär, insbesondere der Kleine oder Mittlere Ameisenbär (Tamandua), zieht mit seiner einzigartigen Erscheinung und speziellen Lebensweise viele Blicke auf sich. Doch ist ein Ameisenbär Als Haustier überhaupt realisierbar, verantwortungsvoll und artgerecht? Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Anforderungen an die Haltung dieser außergewöhnlichen Säugetiere und hilft Ihnen, eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Der Tamandua: Einzigartiger Körperbau und Lebensweise
Der Tamandua, dessen wissenschaftlicher Name Tamandua tetradactyla lautet, zählt zweifellos zu den faszinierendsten Bewohnern der südamerikanischen Wälder. Sein röhrenförmiger Schädel, die außergewöhnlich lange Zunge und der spezialisierte Greifschwanz machen ihn zu einem wahren Überlebenskünstler.
Ein Blick auf seine außergewöhnlichen Merkmale
Ein ausgewachsener Tamandua erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von etwa 54-58 cm, wobei sein Schwanz nur unwesentlich kürzer ist. Die Schulterhöhe beträgt rund 30-35 cm, und sein Gewicht variiert zwischen 3 und 5 kg. Auffällig ist seine etwa 40 cm lange Zunge, die perfekt an seine Ernährung angepasst ist. Zähne sucht man bei diesen Tieren vergebens. Die Vorderfüße tragen vier voll entwickelte Zehen mit langen, kräftigen Krallen, während die Hinterfüße fünf kurze Zehen aufweisen. Der Schwanz dient als hoch spezialisiertes Greiforgan, das dem Tamandua beim Klettern Halt gibt. Das Fell ist kurz und borstig, am Schwanzansatz länger und wird zur Spitze hin kürzer. Die Fellfarbe und -musterung sind äußerst variabel: viele Individuen zeigen eine markante schwarze “Weste” auf gelbbraunem oder hellbraunem Grund, während andere überwiegend beigefarben oder sogar ganz oder fast ganz schwarz sein können [1; 2].
Paraguay-Tamandua im Zoo Krefeld, zeigt seine lange Schnauze und Krallen
Natürlicher Lebensraum und Verhalten
Tamanduas sind östlich der Anden in Südamerika weit verbreitet, von Venezuela bis nach Argentinien, und besiedeln zahlreiche Länder wie Bolivien, Brasilien, Ekuador, Französisch-Guyana, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Surinam, Trinidad und Tobago, Uruguay sowie Venezuela. Eine nahe verwandte Art, Tamandua mexicana, ist in Mittelamerika beheimatet [3].
Der Tamandua ist ein Einzelgänger, der Bäume für sein Überleben benötigt. Er bewohnt unterschiedlichste Lebensräume wie Galeriewälder, feuchte Tiefland- und Bergwälder, laubabwerfende Trockenwälder, Dornwälder und Mangrovenwälder, von Seehöhe bis zu 1.600 m. Anders als der Große Ameisenbär, der ausschließlich bodenbewohnend ist, verbringt der Tamandua etwa zwei Drittel seiner Zeit kletternd in Bäumen. Sein geschickter Greifschwanz ist dabei ein unverzichtbares Hilfsmittel. Die Nahrungssuche erfolgt sowohl auf Bäumen als auch am Boden und besteht hauptsächlich aus Ameisen und Termiten. Gelegentlich plündert er auch Bienennester, um Larven und Honig zu konsumieren. Nach einer Tragzeit von 130-180 Tagen bringen die Weibchen einmal jährlich ein einzelnes Jungtier zur Welt. Ähnlich wie ihre größeren Verwandten tragen sie die Jungen am Körper, wenn sie auf Nahrungssuche sind, oder setzen sie auf einem Ast ab [1; 2; 3; 5].
Karte der approximativen Verbreitung von Tamanduas (Kleine Ameisenbären) in Süd- und Mittelamerika
Warum ein Ameisenbär kein gewöhnliches Haustier ist
Die Vorstellung, einen Ameisenbär als Haustier zu halten, mag auf den ersten Blick reizvoll erscheinen. Doch die Realität der Pflege und die spezifischen Bedürfnisse dieser Wildtiere machen sie für die private Haltung weitgehend ungeeignet.
Spezielle Ernährungsbedürfnisse
Die Hauptnahrung des Tamanduas sind Ameisen und Termiten. In freier Wildbahn verzehren diese Tiere enorme Mengen davon – im Magen eines Jungtiers wurden beispielsweise 500 g Ameisen und Ameisenlarven gefunden. Diese spezialisierte Diät ist im Haushalt kaum zu reproduzieren. Zoos müssen komplexe Ersatzfutterrezepturen entwickeln und bereitstellen [4; 5], was für Privatpersonen eine immense Herausforderung darstellt und leicht zu Mangelernährung führen kann. Eine artgerechte Ernährung ist einer der größten Stolpersteine für die Haltung eines Ameisenbärs als Heimtier.
Der anspruchsvolle Lebensraum
Der Tamandua ist ein passionierter Kletterer, der einen Lebensraum mit vielen Bäumen und Klettermöglichkeiten benötigt. In seinem natürlichen Umfeld kann er sich auf großen Flächen bewegen. Ein privates Zuhause bietet selten den notwendigen Raum und die Struktur, um den natürlichen Bewegungsdrang und das Kletterverhalten eines Tamanduas zu befriedigen. Zudem sind sie überwiegend nachtaktiv, was eine Anpassung an menschliche Tagesabläufe erschwert. Die Reproduktion des Klimas und der Umgebung ihres Herkunftslandes ist ebenfalls ein kompliziertes Unterfangen.
Ein Kleiner Ameisenbär (Tamandua tetradactyla straminea) klettert im Zoo Krefeld
Gesetzliche Lage und Schutzstatus
Der Tamandua gilt laut einer Beurteilung aus dem Jahr 2013 als nicht gefährdet (“Least Concern”) auf der Roten Liste der IUCN, da er eine weite Verbreitung und mutmaßlich einen großen Bestand hat. Allerdings nimmt sein Lebensraum ab [3]. Der internationale Handel ist unter CITES für Tamandua tetradactyla nicht geregelt; lediglich die Population von Guatemala des Nördlichen Tamandua (Tamandua mexicana) ist in Anhang III gelistet. Unabhängig vom Schutzstatus können die Haltung exotischer Wildtiere in vielen Ländern strengen Vorschriften und Genehmigungspflichten unterliegen. In Deutschland, der Schweiz und Österreich gibt es spezifische Tierschutzgesetze, die Wildtierhaltung regeln und oft umfangreiche Auflagen für Gehege und Sachkunde fordern. Dies macht die legale private Haltung sehr schwierig.
Die Realität der Ameisenbär-Haltung: Zoologische Perspektiven
Die komplexen Anforderungen an die Haltung von Tamanduas werden besonders deutlich, wenn man die Standards der zoologischen Einrichtungen betrachtet, die über das nötige Fachwissen und die Ressourcen verfügen.
Hohe Lebenserwartung und Ex-situ-Bestand
In menschlicher Obhut können Tamanduas ein hohes Alter erreichen. Der älteste bekannte Tamandua wurde etwa 19 Jahre alt, wovon er 16 Jahre und 7 Monate in nordamerikanischen Zoos lebte [6]. Dies bedeutet eine langfristige Verpflichtung, die weit über das hinausgeht, was die meisten Haustierhalter leisten können. SPECIES360/ZIMS verzeichnet für 2025 einen Ex-situ-Bestand von 205 Individuen in 82 Mitgliedsinstitutionen in 23 Ländern, was die globale Anstrengung zur Arterhaltung zeigt.
Zoologische Anforderungen und europäische Zuchtprogramme
Die Haltung von Tamanduas in Zoos erfordert spezialisierte Gehege und eine aufwendige Pflege. In europäischen Zoos wird die Art in etwa 35 Einrichtungen gehalten, wobei rund ein Viertel davon im deutschsprachigen Raum angesiedelt ist. Die Zootierliste bietet detaillierte Informationen dazu. Seit 2002 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das vom Zoo Krefeld koordiniert wird, wo bereits 1984 die europäische Erstzucht gelang [4]. Zoos wie Dortmund und der Tierpark Berlin haben ebenfalls beeindruckende Zuchterfolge erzielt.
Die Mindestanforderungen an Gehege sind streng: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) empfiehlt für ein mögliches Außengehege mindestens 15 m² bei 2 m Höhe für ein Tier und 5 m² zusätzlich für jedes weitere Tier. Das zugehörige Innengehege soll 6 m² für ein Tier und 2 m² für jedes weitere bieten. Wenn nur ein Innengehege vorhanden ist, müssen die Dimensionen des Außengeheges angewendet werden. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2024) schreibt ein Innengehege von 12 m² pro Paar und 4 m² für jedes weitere Tier bei einer Höhe von mindestens 2 m vor. Die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) fordert ein Außen- und Innengehege von jeweils 16 m² Fläche und 2,5 m Höhe pro Tier. Diese umfangreichen Vorgaben verdeutlichen, dass eine artgerechte private Haltung kaum zu realisieren ist.
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Fazit: Eine Entscheidung mit großer Verantwortung
Die detaillierten Informationen über den Tamandua zeigen deutlich, dass ein Ameisenbär als Haustier eine enorme Herausforderung darstellt und sich dafür “wenig eignet” [3]. Die komplexen Ernährungsbedürfnisse, der hohe Platzbedarf für Klettermöglichkeiten und die Notwendigkeit einer speziellen Umgebung, die seinem natürlichen Lebensraum gerecht wird, sind Faktoren, die die private Haltung nahezu unmöglich machen. Hinzu kommen die strengen gesetzlichen Vorschriften für die Haltung von Wildtieren, die in vielen Ländern Europas gelten.
Für Tierliebhaber, die von der Einzigartigkeit des Tamanduas fasziniert sind, ist es ratsamer, diese außergewöhnlichen Tiere in Zoos und Tierparks zu bewundern. Diese Einrichtungen bieten nicht nur die notwendige Expertise und Infrastruktur für eine artgerechte Haltung, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zu Erhaltungszuchtprogrammen und zur Aufklärung der Öffentlichkeit. Unterstützen Sie den Artenschutz und genießen Sie die Möglichkeit, diese seltenen Tiere in einer Umgebung zu erleben, die ihren Bedürfnissen bestmöglich entspricht.
