Chronische Entzündungen sind in unserer modernen Welt ein weit verbreitetes Problem. Um dem entgegenzuwirken, ist es entscheidend, den Entzündungsprozess zu verstehen und gleichzeitig die Ernährungsgewohnheiten zu überdenken. Denn die Ernährung kann Entzündungen sowohl fördern als auch reduzieren.
Illustration des Entzündungsprozesses im Körper
Entzündungen sind eigentlich ein genialer Schutzmechanismus unseres Körpers, der uns spontan und zuverlässig vor Gefahren schützt. Über Millionen von Jahren der Evolution wurde dieses System perfektioniert, um auf eine feindliche Umwelt zu reagieren. Physiologisch gesehen ist eine Entzündung sinnvoll, wenn sie auf unmittelbare und potenziell tödliche Gefahren antwortet. In den meisten Industrieländern existiert diese feindliche Umwelt jedoch nicht mehr in dem Ausmaß: Schmutz, Hunger, täglicher Existenzkampf bis zur Erschöpfung oder Fressfeinde gehören weitgehend der Vergangenheit an. Und selbst wenn wir uns verletzen, stehen uns Antibiotika zur Verfügung.
Entzündungen sollten also eher selten auftreten. Stattdessen erleben wir sie immer häufiger in chronischer Form. Ausgelegt auf grobe Angriffe – schnell im Auftreten und schnell beendet – ist sie heute, da chronisch und zunächst unterschwellig, selbst zum stillen Killer geworden.
“Inflammaging”: Entzündungen als Beschleuniger des Alterns
Inzwischen gilt die Entzündung als ein wesentliches Merkmal des Alterns und eine Hauptursache für chronische Erkrankungen, die sich im Alterungsprozess entwickeln. Ob bei der Entstehung von Krebs oder dem Verlauf von COVID-19 – die Qualität der Immunantwort wird oft durch jahrelange, vorlaufende Entzündungen beeinträchtigt.
Die wissenschaftliche Literatur zu “Inflammaging” (Entzündungsaltern) ist umfangreich. Zahlreiche Studien befassen sich mit den Zusammenhängen zwischen stillen Entzündungen, chronischen Erkrankungen, Alterung und metabolischen Ursachen, oder vereinfacht ausgedrückt: zwischen Fehlernährung und beschleunigter Alterung.
Die Rolle der antientzündlichen Ernährung
Eine chronische Entzündung muss nicht zwangsläufig allein durch die Ernährung oder den Lebensstil verursacht sein. Auch Schlaf- und Bewegungsmangel, chronischer Stress und die Missachtung zirkadianer Rhythmen spielen eine wichtige Rolle. Jedoch können Ursachen außerhalb der Ernährung erst dann sinnvoll untersucht werden, wenn potenzielle Entzündungsauslöser aus der Ernährung entfernt wurden und sich der Darm von entsprechenden Belastungen erholt hat.
Übergewicht ist oft ein Indikator für chronische Entzündungen. Allerdings ist sichtbares Übergewicht kein verlässlicher Hinweis. Die Erfahrung zeigt, dass das Entzündungsrisiko nicht allein am Body-Mass-Index (BMI) festgemacht werden darf. Ein BMI von 26 oder 27 kann unproblematisch sein, während man andererseits häufig Menschen mit einem BMI von 22 oder sogar 18 mit einem Körperfettanteil von 25 % bis über 30 % und deutlichen Entzündungszeichen sieht (Schmerz ist ein guter Indikator, außerdem häufige Infekte, aber auch Konzentrationsschwäche, allgemeine Abgeschlagenheit etc.). Man spricht hier von schlanker Fettleibigkeit, bei der die Entzündung doppelt schweigsam ist, weil ihre Folgen äußerlich nicht sichtbar werden und weil der Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) in den meisten Fällen ebenfalls unauffällig bleibt.
Gerade bei sehr schlanken Menschen genügt oft ein geringes “Übergewicht” von ein oder zwei Kilo, um eine mit Schmerzen verbundene Entzündung auszulösen. Spezielle Labortests, wie das Proteomics-Profil, können frühzeitig und zuverlässig Entzündungen aufdecken, indem sie alle Glykoproteine im Serum analysieren.
Grundzüge einer antientzündlichen Ernährung
Der erste Schritt zu einer antientzündlichen Ernährung besteht darin, alle Nahrungsmittel vom Speiseplan zu entfernen, die Entzündungen begünstigen. Zwar kann dies grundsätzlich jedes Nahrungsmittel sein, jedoch gibt es individuelle Unterschiede und einige Nahrungsmittel(-gruppen), die bei einer Mehrheit der Menschen Probleme auslösen.
Der Einstieg: Ein “Reset” für den Körper
Ein “Reset” kann helfen, dem Körper schnell Gelegenheit zur Selbstheilung zu geben. Es kann motivieren und hilft, die verbleibende, aber immer noch gravierende Umstellung nach dem “Reset” zu einem “neuen Normal” zu machen.
Industrialisierte Nahrungsmittel: Die Faustregel lautet: Alles weglassen, was Zutaten hat – vor allem solche, die man beim ersten Lesen nicht problemlos aussprechen kann. Aber auch Tiere aus Industrieställen und Aquakultur sowie über große Strecken transportiertes und/oder künstlich gereiftes Obst und Gemüse sind “industrialisiert”. Vegane Fleischersatzprodukte, Light-/Lite-Produkte oder “zuckerfreies” Kaugummi sind extreme Beispiele.
Schnell anflutender Zucker: Alles, was ohne Wasser und Faserstoffe süß ist, ist entzündungsfördernd. Das gilt genauso für Gummibärchen wie für Trockenobst und Obstsaft. Je höher der Anteil an Fruchtzucker, desto größer das Entzündungsrisiko. Auch als “gesund” propagierte Ersatzzucker wie Agavendicksaft sind entzündungsfördernd!
Echte Getreide: Alle echten Getreide, von Weizen über Dinkel bis Hafer, sind für den Verdauungstrakt so schlecht wie für den Metabolismus. Dabei wird der Blick gerne auf Gluten verengt. Das führt gleich mehrfach in die Irre. Denn Gluten ist nur für wenige Menschen (nachweisbar) ein Problem, es gibt jedoch unzählige weitere toxische Proteine in Getreide, darunter Weizenkeimagglutinin. Dem Betroffenen kann es egal sein, warum genau seine Probleme mit dem Auslassen des Getreides verschwinden; in der Mehrzahl der Fälle zeigt sich schon durch diese Maßnahme eine Besserung.
Die gefährlichen Fette: Mehrfach ungesättigte Fette sollten nicht mehr als 5 % unserer Gesamtkalorien ausmachen und Omega-3-Fettsäuren wirken peroxidierend und damit letztlich entzündlich, wenn man zu viel davon zu sich nimmt. Wer Entzündungen aus Nahrungsfetten vermeiden will, muss die Pflanzensamenfette entfernen: kein Sonnenblumenöl, kein Rapsöl, kein Weizen- oder Maiskeimöl. Sie alle enthalten große Mengen mehrfach ungesättigter Fette – konkret Omega 6 und Omega 3, letzteres in einer für den Körper schlecht verstoffwechselbaren Form (Alphalinolensäure, ALA). Auf diese Öle (und Margarine) zu verzichten, ist vielleicht sogar die wichtigste Empfehlung.
Vergleich verschiedener Fette und ihre Auswirkungen auf Entzündungen
Milchprodukte: Der Mensch ist die einzige Spezies, die nach dem Abstillen weiter Milch trinkt – zudem inzwischen meist nur noch hochindustrialisiert. Frischmilchprodukte fördern Entzündungen. Fermentierte Milchprodukte, möglichst aus Rohmilch und vom Schaf oder der Ziege, können nach der Resetphase testweise in nicht zu großen Mengen wieder eingeführt werden.
Hülsenfrüchte: Auch in Hülsenfrüchten sind diverse Proteine (Lektine) enthalten, die Entzündungen fördern. Man sollte sie während der Resetphase mit Ausnahme von grünen Bohnen, Erbsen und (den mit der Schale essbaren) Zuckerschoten weglassen. Einige Hülsenfrüchte kann man später – möglichst fermentiert – auf ihre Verträglichkeit testen. Soja, Erdnüsse und weiße wie auch braune Bohnen sollte man hingegen dauerhaft weglassen.
Alkohol: Alkohol ist für Gesunde, selten in geringer Menge aufgenommen, (vermutlich) nicht schädlich. In der Resetphase sollte man dennoch darauf verzichten.
Was sollte man essen?
Eine Antientzündliche Ernährung sollte ungefähr zu 50-60 % der Kalorien aus Fett, zu 15-20 % aus Eiweiß und zu 25-30 % aus Kohlenhydraten bestehen. Kalorien sind eine überschätzte Kategorie, die den Blick auf Wichtigeres oft verstellt. Der Satz “Eine Kalorie ist eine Kalorie” ist so richtig wie bedeutungslos.
Empfohlene Verteilung der Makronährstoffe für eine antientzündliche Ernährung
Fett und Fasten: Es geht darum, die metabolische Flexibilität des Körpers (wieder-)herzustellen. Der Körper muss auf seine Fettreserven zugreifen und den entzündungsfördernden Überfluss abbauen können; oft muss er Fettverdauung erst (wieder) lernen.
16 Stunden täglich Nahrungsabstinenz (am einfachsten sind immer acht Stunden Schlaf und acht Stunden gegenüberliegendes “Nahrungsfenster”), mindestens jedoch zwei bis dreimal wöchentlich Verzicht auf das Frühstück, gegebenenfalls auch fettunterstützt, können hilfreich sein.
Hierzu bietet sich “Bulletproof Coffee” an: Auf 500 ml hochwertigen Kaffee ein Esslöffel Butter und ein Teelöffel MCT-Öl. MCT (“medium chain triglycerides”) wirkt darmheilend, appetitsenkend und kurbelt die körpereigene Fettverbrennung an. Es wird, ohne Lipase zu benötigen, direkt an die Leber durchgereicht, die daraus in Abwesenheit von Zucker Ketone erzeugt, einen Brennstoff, der deutlich weniger oxidativ, also weniger entzündungsfördernd ist als Kohlenhydrate.
Eiweiß: Protein sollte nicht zur Entzündung beitragen – das bedeutet, das entzündungsfördernde pflanzliche Eiweiß zu minimieren (vor allem Getreide und Hülsenfrüchte) und andererseits vollwertiges Protein (immer tierisch) zu wählen und an der unteren Grenze der üblichen Empfehlungen zu essen, also circa 0,8 g Eiweiß pro kg Körpergewicht.
Das nährstoffhaltigste und zugleich günstigste Fleisch sind Innereien. Entzündungsdämpfend ist auch Knochenbrühe aus Rinderknochen oder Hühnerkarkasse. Wer das nicht essen “kann”, sollte täglich 10 g Kollagenhydrolysat supplementieren.
Gemüse: Gemüse sollte bio, regional, saisonal und möglichst wenig Rohkost sein. Etwa 100 g (Rohgewicht) Gemüse pro 10 kg Körpergewicht und Tag, idealerweise verteilt auf grünes Blattgemüse, schwefelhaltiges (Lauch, Zwiebeln etc.), stärkearmes und stärkereiches buntes Gemüse (von Paprika bis Wurzeln). Fermentiertes Gemüse ist ebenfalls zuträglich.
Weißen Reis und Kartoffeln werden als “ungefährliche” Stärken identifiziert. Wirklich wertvoll werden sie abgekühlt: Das verwandelt die im heißen Zustand enthaltenen Einfachstärken zurück in resistente Stärke. Ebenso gut: unreife Banane.
Obst sollte man, gerade bei entzündlichen Erkrankungen, sehr behutsam essen: Nicht mehr als den Gegenwert eines Apfels am Tag, bio, regional und saisonal.
Sonstiges: Vorausgesetzt, es gibt keine Unverträglichkeiten, kommen Pilze und Nüsse dazu. Da Nüsse relativ hohe Anteile an Omega-6-Fetten haben und außerdem Verdauungsstörer wie Phytinsäure enthalten, sollte es maximal eine Handvoll sein. Nüsse kann man bekömmlicher machen, indem man sie vor dem Essen sechs Stunden wässert.
Nebenbemerkung: Supplemente
Bekannte Mängel (z. B. Selen, Jod) sollten gerade bei Entzündungen durch Aufsättigung beseitigt werden. Andere, wie Magnesium oder Vitamin D3, müssen in vielen Fällen dauerhaft gegeben werden.
Die Frage nach dem “Wann” und dem “Woraus”
Das Immunsystem muss bei der Aufnahme von Fremdkörpern wie Nahrung einen Schritt zurücktreten. Da das Immunsystem verstärkt nachtaktiv ist, ist dieselbe Mahlzeit nachts um ein Uhr um ein Vielfaches entzündungsfördernder als mittags um 13 Uhr.
Oft übersehen wird die entzündliche Wirkung der Stoffe, in denen wir Nahrungsmittel aufbewahren, transportieren, kochen und aus denen wir sie essen. Es gibt kein lebensmittelechtes Plastik.
Verschiedene Arten der Zubereitung und Lagerung von Lebensmitteln und ihre Auswirkungen auf Entzündungen
Fazit
Die Umstellung auf eine antientzündliche Ernährung wirkt innerhalb weniger Wochen entzündungsdämpfend bis -beendend. Wenn nicht, oder nicht hinreichend, gibt es zwei Erklärungen: Die Ursache für die Entzündung liegt nicht allein im Essen – oder die alten Gewohnheiten haben die Oberhand gewonnen. Letzteres passiert nicht oft, weil diese Ernährung nicht nur viele Beschwerden beseitigt, sondern eben auch gut schmeckt.
