Die Basische Ernährung, oft in Verbindung mit Säure-Basen-Kuren und Basenfasten beworben, verspricht die Aktivierung körpereigener Selbstheilungskräfte durch eine Ernährung, die hauptsächlich auf Obst und Gemüse basiert. Zahlreiche Ernährungsratgeber suggerieren, dass eine übermäßige Zufuhr säurebildender Lebensmittel den Körper übermäßig belasten und zu Müdigkeit, Stressanfälligkeit oder Beschwerden wie Muskel- und Gelenkschmerzen führen kann. Doch was ist an diesen Behauptungen dran, und kann der Körper tatsächlich übersäuern?
Großer Teller mit Obst und Gemüse und kleinerer Teller daneben.
Zu Beginn einer basischen Ernährung wird oft empfohlen, säurebildende Lebensmittel wie Fleisch oder Weißmehlprodukte zu meiden. Langfristig strebt das Konzept ein Verhältnis von etwa 80 Prozent basenbildenden zu 20 Prozent säurebildenden Lebensmitteln an.
Säurebildende vs. Basenbildende Lebensmittel: Was ist der Unterschied?
Entgegen der Annahme, dass sauer schmeckende Lebensmittel auch säurebildend sind, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Christina Holzapfel von der Hochschule Fulda: “Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass geschmacklich saure Lebensmittel auch säurebildende Lebensmittel sind.” Die Säurebildung findet erst während der Verstoffwechslung der Nahrung im Körper statt. Komplexe Stoffwechselprozesse wandeln Lebensmittel in Säuren oder Basen um:
- Basenbildende Lebensmittel: Obst und Gemüse liefern Mineralstoffe wie Kalium, Calcium und Magnesium, die den Stoffwechsel tendenziell basisch ausrichten.
- Säurebildende Lebensmittel: Der Abbau von Glukose in Brot, Pasta oder Reis kann beispielsweise Milchsäure bilden. Proteine aus Fleisch, Fisch oder Soja führen unter anderem zur Entstehung von Schwefelsäure.
Beispiele für säurebildende Lebensmittel:
Salami, Parmesan, Fisch, Getreideprodukte, Eier, Nudeln, Alkohol.
Beispiele für basenbildende Lebensmittel:
Obst und Gemüse (z.B. Äpfel, Zitronen, Tomaten), Vollkornprodukte, Soja, Nüsse, Kräuter.
Grafik eines Verdauungstrakts mit chemischen Symbolen für Mineralstoffe und Säuren, umgeben von Obst/Gemüse und Getreide/Fleisch.
Während der Verdauung entstehen Säuren oder Basen.
Kann der Körper wirklich übersäuern?
Der Körper verfügt über ausgeklügelte Puffersysteme, wie den Bicarbonat-Puffer im Blut, die den Säure-Basen-Haushalt konstant im Gleichgewicht halten. “Eine Übersäuerung werde folglich bei gesunden Menschen direkt ausgeglichen”, so Ernährungswissenschaftlerin Holzapfel. Überschüssige Säuren werden gebunden, als Wasser und Kohlendioxid abgeatmet oder über die Nieren ausgeschieden.
Dr. Stefan Kabisch in einem Labor.
Dr. Stefan Kabisch forscht zu Stoffwechselerkrankungen.
Der Stoffwechselmediziner Dr. Stefan Kabisch von der Charité betont, dass der Körper Säuren nicht gezielt im Bindegewebe speichert. Wenn im Körper Säuren entstehen, werden diese durch vermehrte Pufferproduktion neutralisiert. Der Organismus ist stets bestrebt, den pH-Wert neutral zu halten.
Die Aussagekraft von Urintests
Urin-Tests, die oft in Ratgebern zur basischen Ernährung empfohlen werden, spiegeln laut Dr. Kabisch primär die aktuelle Ernährungsweise wider. Eine pflanzliche Ernährung führt tendenziell zu einem basischeren Urin-pH-Wert, während eine tierisch betonte Kost den Urin eher sauer werden lässt. Diese Tests können jedoch keine Rückschlüsse auf die allgemeine Gesundheit oder Stoffwechselveränderungen zulassen. Eine ungesunde Ernährung, die reich an tierischen und hochverarbeiteten Produkten ist, birgt Gesundheitsrisiken durch einen Mangel an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen – unabhängig von ihrem Säurebildenden Potenzial. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist daher stets förderlich für die Gesundheit.
Wann ist Vorsicht geboten?
Personen, die zu Nierensteinen neigen, sollten den Konsum von stark verarbeiteten und tierischen Produkten, die tendenziell säurebildend sind, einschränken. Diese Lebensmittel können reich an Purinen und Fruchtzucker sein, welche die Bildung von Harnsäuresteinen begünstigen können. Eine pflanzenbetonte Ernährung kann in solchen Fällen sinnvoll sein, um die Entstehung von Harnsäuresteinen in einem sauren Milieu zu vermeiden.
Azidose: Wenn der Körper wirklich übersäuert
Eine tatsächliche Übersäuerung des Körpers, die sogenannte Azidose, ist selten ernährungsbedingt. Sie tritt in der Regel nur bei Personen mit schweren Vorerkrankungen auf. Bereits geringe Abweichungen des Blut-pH-Wertes vom Normalbereich können zu ernsthaften Symptomen wie Muskelschwäche, Wahrnehmungsstörungen oder Herzproblemen führen und erfordern oft intensivmedizinische Behandlung. Ursachen hierfür können Vergiftungen, Sepsis, Diabetes oder andere schwere Erkrankungen sein.
“Eine Azidose ist ein sehr schweres Krankheitsbild, bei dem der pH-Wert im Körper messbar zu niedrig ist.” – Dr. Stefan Kabisch
Fazit: Gesunde Ernährung statt Dogma
Obwohl der pH-Wert im Körper eine entscheidende Rolle spielt, kann die Ernährung bei gesunden Menschen keine Übersäuerung verursachen. Eine spezielle basische Ernährung ist daher zur Entsäuerung nicht notwendig. Nur bei bestimmten Vorerkrankungen kann eine Anpassung der Kost vorteilhaft sein. Eine ausgewogene Ernährung, reich an Obst und Gemüse, ist der Schlüssel zu einem gesunden Lebensstil. Auf überflüssige Ausgaben für Diäten, Nahrungsergänzungsmittel und spezielle Ratgeber können gesunde Menschen getrost verzichten.
