Das Café Diglas an der Wollzeile ist mehr als nur ein Kaffeehaus und Restaurant; es ist eine lebendige Metapher für Wien selbst. Hier verschmelzen Geschichte und tief verwurzelte Tradition mit einem überraschenden Hauch von modernem Flair und einem Seitengang zeitgenössischer Kunst. Für Liebhaber der Kaffeehauskultur im gesamten deutschsprachigen Raum bietet das Café Diglas einen authentischen Einblick in die Seele der Wiener Gastlichkeit.
Ein Streifzug durch die Geschichte: Von Strauss bis Lehár
Vordereingang des Café Diglas in der Wollzeile, ein traditionelles Wiener Kaffeehaus mit Charme
Die Geschichte der Familie Diglas reicht bis in die glanzvolle Ära von Johann Strauss und Kaiser Franz Joseph zurück. Schon damals prägten sie die Wiener Gastronomielandschaft, beispielsweise im Casino Zögernitz, das heute als Haus des Strauss eine multimediale Ausstellung und Konzertstätte beherbergt.
Heute schmückt der Familienname Diglas mehrere prominente Standorte in Wien. Der älteste und wohl bekannteste befindet sich in der Wollzeile, einer historischen Gasse, die vom alten Stadtzentrum wegführt. Bereits im 13. Jahrhundert konnte man diesen Weg entlangschreiten, lange bevor Kaffee in dieser Region überhaupt bekannt war. Das Café Diglas an diesem Standort existiert seit 1923 und zählte den berühmten Komponisten Franz Lehár zu seinen regelmäßigen Gästen.
Ein Kaleidoskop aus Alt und Neu: Das Interieur des Café Diglas
Beim Betreten des Café Diglas erlebt man eine Art optische Illusion. Auf den ersten Blick präsentiert sich das Diglas wie ein typisches, traditionsreiches Wiener Kaffeehaus: gewölbte Räume mit Holzvertäfelung, Messingbeschlägen, Marmortischen, burgunderfarbenen Polstermöbeln und einer historischen Messingkasse, flankiert von einer akkurat aufgereihten Phalanx aus Salz- und Pfeffermühlen.
Doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich unerwartete Details. Die vermeintlich alten Uhren an den Stirnwänden entpuppen sich als digitale Projektionen. Die Fensterlampen sind mit Lampenschirmen in Form von Ballerina-Röcken versehen. Küchenutensilien hängen als Teil eines gläsernen Kronleuchters herab. Und die Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden zeigen keine Ansichten der Stadt aus dem 19. Jahrhundert, sondern zeitgenössische Studiofotografie.
Historische Ansicht der Wollzeile um 1898, der Heimat des Café Diglas, eingefangen von Carl Ledermann jun.
So entsteht ein Ort, der Geschichte und Tradition bewahrt, aber gleichzeitig eine Schicht modernen Flairs trägt, die seine zeitlose Anziehungskraft unterstreicht.
Kulinarische Reise: Vom Wiener Frühstück bis zu süßen Verführungen
Das Diglas an der Wollzeile bietet eine umfangreiche Speisekarte, doch ein Besuch ist nicht komplett ohne das traditionelle Wiener Frühstück. Die Präsentation allein scheint eine Hommage an vergangene Zeiten zu sein. Während viele elegantere Kaffeehäuser oft moderne Verpackungen integrieren, bleibt man hier dem Ursprünglichen treu. Warme Brötchen werden in einem Korb mit Stoffserviette serviert, Butter in einer Glasschale – für viele ein Gradmesser für Qualität. Dazu gibt es Zuckerwürfel und Himbeermarmelade in einem kleinen, unbeschrifteten Glas.
Ein perfekt gekochtes Ei rundet das Erlebnis ab, auch wenn der überraschend kleine Löffel stets für Diskussionen sorgt: praktisch für den Zugriff auf Eigelb und Eiweiß, aber mit geringer Transportkapazität.
Außenansicht des Café Diglas von der Essiggasse aus gesehen, ein belebter Ort der Wiener Kaffeehauskultur
Besondere Erwähnung verdienen die Kuchen, die größtenteils in Backblechen präsentiert werden und einen unverwechselbar handgemachten Eindruck hinterlassen. Das Café Diglas verfügt über eine eigene Patisserie, was die Qualität der süßen Kreationen garantiert. Erwarten Sie eine Auswahl an klassischen Torten und Schnitten – die Bananenversion ist sehr zu empfehlen – sowie Streuselkuchen, Baiserhauben und mit Schokomousse überzogene Köstlichkeiten.
Insgesamt ist das Café Diglas eine Bereicherung für jeden, der im Stadtzentrum eine Begegnung mit der Vergangenheit sucht und eine exquisite Melange genießen möchte. Die Wiener Kaffeehauskultur, wie sie hier gelebt wird, ist ein integraler Bestandteil der kulinarischen Traditionen im gesamten deutschsprachigen Raum.
Mehr als nur Kaffee: Weitere Diglas-Standorte und die Umgebung
Neben dem Stammhaus an der Wollzeile gibt es weitere Diglas-inspirierte Standorte in zentraler Lage, wie zum Beispiel das Kaffeegeschäft Cottage Roasters (Fleischmarkt 16). Es befindet sich ebenfalls in einem historischen Gebäude; ein Gang ganz nach hinten offenbart eine gemütlichere Atmosphäre. Achten Sie auf die wunderschönen Jugendstilgebäude in der unmittelbaren Umgebung, etwa an den Hausnummern 1, 3, 7 und 14.
Anreise zum Café Diglas
Das Café Diglas liegt praktisch im Schatten des Stephansdoms und gleich um die Ecke von Mozarts ehemaliger Residenz.
- U-Bahn: Nehmen Sie die Linien U1 oder U3 bis zur Station Stephansplatz. Die Wollzeile ist nur einen kurzen Spaziergang vom Dom entfernt.
- Straßenbahn/Bus: Aufgrund der Lage in der Altstadt fahren keine Straßenbahnen direkt vorbei. Die Haltestelle Stubentor (Straßenbahnlinie 2) am Ring ist jedoch nicht weit und bietet einen interessanten Spaziergang entlang der Wollzeile, vorbei an Resten der alten Stadtbefestigung und zahlreichen Geschäften, die noch weitgehend in den Händen kleiner Unternehmen und nicht großer Ketten sind.
Adresse: Wollzeile 10, 1010 Wien | Website
Quellen und weiterführende Informationen
- Kulinarische Erlebnisse in Wien buchen
- Haus des Strauss (Casino Zögernitz)
- Franz Lehár: Einblicke in sein Leben
- Wiener Frühstück: Eine Tradition
- Süße Verführungen: Wiener Kuchen und Torten
- Kaffeeglossar: Die Welt des Wiener Kaffees
- Cottage Roasters Coffee Shop
- Wiener Jugendstil-Architektur
- Stephansdom: Das Wahrzeichen Wiens
- Mozarthaus Vienna
- Alte Wiener Stadtmauern