Viele COVID-19-Patienten leiden unter gastrointestinalen Beschwerden. In manchen Fällen sind diese sogar das einzige Anzeichen für eine Infektion. Dies führt oft zu einer verzögerten Diagnose und birgt das Risiko, dass Betroffene unwissentlich andere anstecken. Corona und Magenschmerzen, ein Thema, das mehr Aufmerksamkeit verdient!
COVID-19 ist in erster Linie eine Erkrankung der Atemwege, aber eben nicht ausschließlich. Typische Symptome sind Fieber, Atemnot und trockener Husten. Der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns kann ein frühes und charakteristisches Zeichen sein. Doch viele Patienten erleben auch gastrointestinale Symptome, die in einigen Fällen sogar isoliert auftreten.
Grafik mit dem Titel "Verteilung der ACE2-Expression in verschiedenen Organen". Die Grafik zeigt die unterschiedliche Expression des ACE2-Rezeptors in verschiedenen menschlichen Organen, darunter Lunge, Herz, Darm und Niere.
Vielfältige Beschwerden im Magen-Darm-Trakt
Die Häufigkeit gastrointestinaler Symptome variiert stark in verschiedenen Studien. Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust gehören zu den häufigsten Beschwerden und treten bei etwa 40-50% der Patienten auf. Diarrhö ist ebenfalls ein häufiges Symptom und betrifft etwa 10-50% aller Infizierten. In den meisten Fällen entwickelt sich die Diarrhö nach der Diagnosestellung, aber bei etwa 20% der Patienten gehört sie zu den ersten Symptomen. Etwa 10% der Patienten leiden unter Übelkeit und Erbrechen und/oder Bauchschmerzen. Die gastrointestinalen Symptome verschlimmern sich oft mit dem Fortschreiten der Infektion. Eine kleine Patientengruppe (3% in einer chinesischen Studie) verspürt gastrointestinale Beschwerden als einziges Symptom der Infektion.
Das Virus befällt mehr als nur die Lunge
Das Virus zeigt einen Multiorgantropismus. In Autopsiestudien wurde das Virus nicht nur in der Lunge, sondern auch im Herzmuskel, in der Leber, im Epithel von Magen, Dünn- und Dickdarm, im Gehirn und in den Nieren nachgewiesen. Eine Voraussetzung für das Eindringen des Virus in die Zelle ist das Vorhandensein des Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), das auch im Gastrointestinaltrakt vorkommt. Auch die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) scheint eine Rolle zu spielen.
Die genaue Pathophysiologie hinter den gastrointestinalen Symptomen einer SARS-CoV-2-Infektion ist noch Gegenstand aktueller Forschung. Neben der Infektion der Zellen scheinen auch sekundäre Mechanismen wie Hypoxie, die Immunantwort des Körpers und Nebenwirkungen von Medikamenten die Verschlechterung der Leber- und Pankreasfunktion sowie die Entwicklung gastrointestinaler Symptome zu beeinflussen.
Der Gastrointestinaltrakt im Fokus
Aufgrund der hohen Expression des ACE2-Rezeptors im Gastrointestinaltrakt besteht hier ein hohes Potenzial für die Virusreplikation. Eine dadurch induzierte Dysfunktion der Enterozyten wird als mögliche Ursache für Malabsorption sowie eine gestörte intestinale Sekretion mit der Folge von Diarrhö und allgemeinen abdominellen Beschwerden diskutiert. Auch eine sekundäre Schädigung des Gastrointestinaltrakts durch eine inflammatorische Immunantwort ist möglich.
Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung (CED) haben kein generell erhöhtes Risiko für COVID-19. Unter einer immunsuppressiven Therapie kann das Risiko jedoch steigen, insbesondere unter systemischen Steroiden in einer Dosis von mehr als 20 mg Prednisonäquivalent täglich. Diese Therapie sollte deshalb in Pandemiezeiten möglichst reduziert und beendet werden. Bei Patienten in stabiler Remission unter kombinierter Therapie mit Anti-TNF-Antikörper und Thiopurin oder Methotrexat (MTX) sollte das Immunsuppressivum abgesetzt werden. Alle übrigen Therapien sollten unverändert beibehalten werden.
Im Falle einer COVID-19-Erkrankung eines CED-Patienten sollte eine Therapie mit Thiopurinen, Methotrexat und Tofacitinib für die Dauer der Infektion pausiert werden. Die Gabe von TNF-Antikörpern, Ustekinumab oder Vedolizumab sollte, falls eine Verabreichung in die Krankheitsphase fallen würde, bis zur Ausheilung der SARS-CoV-2-Infektion verschoben werden.
Auswirkungen auf Leber und Galle
Bei 14-53% der Patienten zeigen sich erhöhte Leberwerte als Ausdruck einer hepatischen Dysfunktion im Rahmen der COVID-19-Erkrankung. Dies ist mit schweren Verläufen verbunden. Die genaue Pathogenese der erhöhten Leberenzyme ist noch unklar. Eine direkte Infektion der Hepatozyten und Cholangiozyten erscheint unwahrscheinlich. Vielmehr scheint es sich um eine multifaktorielle Genese durch mikrothrombotische Endothelialitis, immunologische Dysregulation, Medikamentennebenwirkung sowie hepatische Ischämie bei Hypoxie und Multiorganversagen zu handeln.
Für die Entwicklung eines akuten Leberversagens in Verbindung mit einer chronischen Hepatitis B oder C gibt es bisher keine Hinweise. Dagegen konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer Leberzirrhose im Vergleich zu nicht-zirrhotischen chronischen Lebererkrankungen eine deutlich erhöhte Mortalität und erhöhte Raten an hepatischer Dekompensation aufweisen.
Die Rolle der Bauchspeicheldrüse
Der ACE2-Rezeptor wird in hohem Maße in den pankreatischen Inselzellen exprimiert. Dementsprechend ergibt sich auf theoretischer Basis die Möglichkeit einer direkten Schädigung der Inselzellen mit der Folge einer akuten diabetischen Stoffwechsellage. Dies lässt sich jedoch im klinischen Alltag bisher nicht beobachten. In einer Metaanalyse wiesen 13% von insgesamt 397 Patienten erhöhte Lipase/Amylase-Werte auf. Lediglich 0,8% dieser Patienten zeigten Zeichen einer klinisch manifesten akuten Pankreatitis. Der Nachweis von erhöhten Pankreasenzymen scheint mit der Entwicklung von schweren Verläufen und der Notwendigkeit zur Intubation einherzugehen.
Virusnachweis im Stuhl
Das SARS-CoV-2-Virus ist mittels PCR bei rund der Hälfte der Patienten im Stuhl nachweisbar. Es kann bis zu 10 Tagen nach der Konversion im Rachenabstrich noch detektiert werden, in manchen Fällen sogar länger als einen Monat. Patienten mit Diarrhö zeigen möglicherweise eine länger anhaltende Virusausscheidung über den Stuhl. Ansonsten ist der Virusnachweis im Stuhl unabhängig vom Vorliegen gastrointestinaler Symptome oder vom Schweregrad der Erkrankung.
Selbst im Abwasser von Kläranlagen kann das Virus detektiert werden. Es gibt Versuche, durch die Bestimmung der Viruskonzentration im Abwasser Rückschlüsse auf das Infektionsgeschehen im jeweiligen Einzugsbereich der Kläranlage zu ziehen.
Der Virusnachweis im Stuhl wirft die Möglichkeit einer fäkal-oralen oder fäkal-respiratorischen Übertragung auf. Dies kann nicht ausgeschlossen werden, aber bislang sind keine solchen Übertragungen nachgewiesen worden. Immerhin gelang aber elektronenmikroskopisch der Nachweis von intakten Viren im Stuhl.
Endoskopie in Zeiten der Pandemie
Die europäische Endoskopie-Fachgesellschaft (ESGE) hat Empfehlungen ausgesprochen, die das Risiko einer Übertragung des Virus im Rahmen der Endoskopie minimieren sollen.
Eine Grafik, die die empfohlene Schutzausrüstung für Endoskopiker während der COVID-19-Pandemie zeigt, einschließlich FFP2-Maske, doppelten Handschuhen, wasserdichtem Kittel, Haube und Augenschutz.
Die Fachgesellschaft spricht sich auch für eine Verschiebung elektiver Endoskopien zu Zeiten mit hohen Infektionszahlen aus. Solche Verschiebungen können jedoch fatale Folgen für die Patienten haben. Bei einer Verschiebung der Koloskopie um 6-9 Monate bei positivem Stuhltest sind signifikant mehr höhere Tumorstadien mit entsprechend schlechterer Prognose zu erwarten. Für England sind bei einer Verschiebung um 6 Monate absolut 2.908 zusätzliche Todesfälle an kolorektalen Karzinomen berechnet worden. Angesichts dieser erschreckenden Zahlen muss das Bestreben sein, möglichst wenige Endoskopien zu verschieben, was durch eine Strategie aus Testung der Patienten und hohen Schutzmaßnahmen möglich sein sollte.
Eine Grafik, die die Notwendigkeit der Balance zwischen der Reduzierung des COVID-19-Übertragungsrisikos bei Endoskopien und dem potenziellen Schaden durch die Verschiebung notwendiger Untersuchungen aufzeigt.
Fazit: Aufmerksam sein und handeln
Gastrointestinale Symptome, einschließlich Magenschmerzen, können ein Hinweis auf eine COVID-19-Infektion sein. Bei entsprechenden Beschwerden in Kombination mit anderen typischen Symptomen sollte man sich testen lassen. In Pandemiezeiten sind erhöhte Hygienestandards in der Endoskopie unerlässlich.
- Rund die Hälfte der COVID-Patienten weist auch gastrointestinale Symptome wie Durchfall, Übelkeit oder Inappetenz auf. Spätestens wenn solche Patienten zusätzlich Fieber, Husten oder Dyspnoe entwickeln, sollte unverzüglich eine Testung auf SARS-CoV-2 erfolgen.
- In Pandemiezeiten sollen Steroide zumindest bei CED- Patienten in einer Dosis von mehr als 20 mg Prednisonäquivalent vermieden werden.
- In der Endoskopie müssen in Pandemiezeiten gesteigerte Hygieneschutzmaßnahmen vorgenommen werden. Die Durchführung der Endoskopie ist dann für Patienten und Untersucher sicher.