Als Fachgruppen der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) – insbesondere die Fachgruppen Flucht, Migration, Rassismus- und Antisemitismuskritik sowie Internationale Soziale Arbeit – äußern wir uns mit diesem Positionspapier aus einer dezidiert sozialarbeiterischen Perspektive zum Krieg in der Ukraine. Unsere Arbeit ist eng verbunden mit den Erfahrungen von Menschen und Gemeinschaften, die von Zwangsmigration, Gewalt, Unterdrückung und Ungerechtigkeit betroffen sind. Wir bekräftigen die Erklärungen der International Federation of Social Work (24. Februar 2022) und der International Association of Schools of Social Work (26. Februar 2022) und stehen solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine. Wir verurteilen auf das Schärfste den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der russischen Regierung auf ukrainisches Staatsgebiet und die Bombardierung ziviler Infrastruktur.
Wir lehnen jede Form von Imperialismus, Stellvertreterkriegen und Nationalismus ab, die ein friedliches Zusammenleben in einer globalisierten Welt untergraben. Als Sozialarbeitende in der Praxis und Wissenschaft sind wir uns bewusst, wie schnell Beziehungen zerstört werden können und wie langwierig und schmerzhaft Prozesse der Regeneration und Heilung sind.
Wir fordern alle russischen Amtsträger:innen auf, die militärischen Aktivitäten unverzüglich zu beenden und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Frieden in der Ukraine wiederherzustellen und die Sicherheit aller Menschen zu gewährleisten. Unsere Solidarität gilt den Sozialarbeitenden und anderen Helfer:innen in der Ukraine und den angrenzenden Ländern, die Notfallhilfe für alle Menschen leisten, die von Gewalt und Zwangsmigration betroffen sind. Ausgehend von Erfahrungen in anderen Krisensituationen appellieren wir an alle Akteur:innen, Bedingungen zu schaffen, unter denen lokale Sozialarbeitende, Forschende, Wissenschaftler:innen und andere Expert:innen vor Ort die Vorgehensweise selbst bestimmen können, da sie die lokalen Gegebenheiten am besten kennen.
Die Rolle der EU und Deutschlands in der Flüchtlingshilfe
Die Europäische Union muss politische Maßnahmen ergreifen und Ressourcen bereitstellen, um Schutzsuchende mit Offenheit und Würde aufzunehmen. Menschen, die aus der Ukraine fliehen, müssen das Zielland ihrer Flucht frei wählen können. Die deutsche Regierung muss sich für Bewegungsfreiheit innerhalb der EU einsetzen. Als Sozialarbeitende aus Praxis und Forschung in Deutschland fordern wir die deutsche Regierung auf, angemessene finanzielle Mittel bereitzustellen, um Schutzsuchende in Deutschland aufzunehmen und zu unterstützen. Sichere Fluchtwege müssen offen gehalten und eine unbürokratische Einreise nach Deutschland mit einer sicheren Bleibeperspektive ermöglicht werden. Handlungsspielräume, die einen unbürokratischen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen (z.B. durch Verlängerung des visumfreien Aufenthalts, Studium oder Familienzusammenführung), müssen vollständig ausgeschöpft werden.
Unsere Erfahrung zeigt, dass eine enge Zusammenarbeit mit den Communities und eine dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen am besten geeignet sind, um deren Sicherheitsbedürfnisse zu erfüllen und ihnen die Kontrolle über ihr Leben zurückzugeben. Die Regierung muss sicherstellen, dass Menschen, die aus der Ukraine fliehen, unverzüglich Zugang zu Bildung, zum Gesundheitssystem, zu angemessenem Wohnraum und zum Arbeitsmarkt erhalten. Die in den letzten Jahren implementierte restriktive Flüchtlingspolitik muss zurückgenommen werden – nicht nur für ukrainische Geflüchtete, sondern für alle Menschen, die in Deutschland Schutz suchen.
Solidarität und Ablehnung von Diskriminierung
Wir rufen unsere Netzwerke und Communities auf, alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, die Zuflucht suchen, willkommen zu heißen und zu unterstützen. Dies gelingt am besten in einem gemeinsamen Dialog und mit einer partnerschaftlichen und solidarischen Haltung. Gleichzeitig weisen wir alle verallgemeinernden Ressentiments, Hass oder Diskriminierung gegenüber Menschen zurück, die sich als Russ:innen wahrnehmen oder von anderen Menschen als Russ:innen wahrgenommen werden. Wir stehen ausdrücklich hinter all den mutigen Menschen, die in Russland und überall in der Welt Proteste initiieren und zivilen Ungehorsam zeigen, um deutlich zu machen, dass sie für Frieden aufstehen und gegen die Militäraktion der russischen Regierung sind.
Demonstranten halten Schilder mit der Aufschrift "Kein Krieg".
Gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit
Wir stehen vereint mit allen Unterstützer:innen und Menschen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit jenseits nationaler Grenzen einsetzen. In Zeiten, in denen viele Kräfte weltweit versuchen zu spalten und zu polarisieren, streben wir als Sozialarbeitende eine gemeinsame Basis für den Kampf um Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität an. Wir erinnern an die pazifistische Tradition und die Rolle, die unser Berufsstand in der internationalen Friedensbewegung und in der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten gespielt hat, während wir in der Vergangenheit Kriege in Europa und darüber hinaus erlebt haben. Besonders wichtig ist uns die Solidarität mit all jenen, die mit der Gewalt konfrontiert werden, welche Grenzen innewohnt – in der Ukraine und über die Ukraine hinaus. Wir appellieren an die Verantwortlichen, alles Menschenmögliche dafür zu tun, Kriege und bewaffnete Konflikte überflüssig werden zu lassen. Die Dgsa Soziale Arbeit bekennt sich zu einer klaren Haltung für Frieden und Gerechtigkeit.
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA)
Fachgruppen und Sektionen:
- Fachgruppe für Migration, Rassismuskritik und Antisemitismus
- Fachgruppe für Internationale Soziale Arbeit
- Sektion für Forschung
- Fachgruppe für Klimagerechtigkeit und sozialökologische Transformation
- Fachgruppe für Case Management in der Sozialen Arbeit
- Fachgruppe für Bewegung, Sport und Körper
- Fachgruppe für Ethik und Soziale Arbeit
- Fachgruppe für Soziale Arbeit und Digitalisierung
- Fachgruppe für Gender
- Sektion für Theorie und Wissenschaft
- Sektion für Klinische Sozialarbeit
- Sektion für Politik Sozialer Arbeit
- Fachgruppe für Promotionsförderung
- Fachgruppe netzwerkAGsozialearbeit
- Fachgruppe für Lehre
- Fachgruppe für Soziale Arbeit in Kontexten des Alter(n)s
- Fachgruppe für Adressat*innen, Nutzer*innen und (Nicht-)Nutzung Sozialer Arbeit
- Fachgruppe für Sozialwirtschaft
- Sektion für Gemeinwesenarbeit
Der Vorstand der Kommission Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)
BAG Streetwork/ Mobile Jugendarbeit e.V.
Fakultät Soziale Arbeit Cuenca, Universität Castilla-La Mancha, Spanien
El Colegio de Trabajo Social de León, Spanien
Bundesarbeitsgemeinschaft der Praxisreferate an Hochschulen für Soziale Arbeit (BAG PRAX)
LAG Streetwork/ Mobile Jugendarbeit Saar e.V.
MAGs – Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit
Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH)
Weitere Fachgruppen der DGSA und andere Organisationen/Gruppen sind eingeladen, das Positionspapier zu unterzeichnen. Bitte hierfür Petra Danková, Fachgruppe Internationale Soziale Arbeit und Co-Sprecherin der Fachgruppe Flucht, Migration, Rassismus- und Antisemitismuskritik (DGSA), kontaktieren: petra.dankova@fhws.de.
Version 17.03.2022