Die Etrusker, ein Volk, das lange vor den Römern im westlichen Mittelmeerraum eine bedeutende Kultur hervorbrachte, faszinieren Historiker und Archäologen bis heute. Ihre Geschichte, die sich vom Ende der Bronzezeit (10. Jh. v. Chr.) bis zur Eingliederung Etruriens in das Römische Reich (1. Jh. v. Chr.) erstreckt, ist reich an kulturellen Errungenschaften und politischen Entwicklungen. In diesem Artikel werden wir die Etrusker Geschichte beleuchten und einen umfassenden Überblick über ihre Herkunft, Entwicklung und ihren Einfluss geben.
Die Etrusker prägten fast 1000 Jahre lang die Geschichte Mittelitaliens. Ihr Kernland lag zwischen Arno und Tiber und umfasste die heutige Toskana, das nördliche Latium und das westliche Umbrien. Ihr Einflussbereich reichte jedoch bis in die Po-Ebene und nach Kampanien (Capua).
Sarkophag eines etruskischen Ehepaars aus der Nekropole von Cerveteri, spätes 6. Jahrhundert v. Chr.
Die Etrusker: Mehr als nur “Vorgänger der Römer”
Oftmals werden die Etrusker im Schatten der Römer betrachtet, obwohl sie eine eigenständige und hochentwickelte Kultur besaßen. Wer in der südlichen Toskana unterwegs ist, beispielsweise in Pitigliano, Sovana oder Populonia, begegnet unweigerlich ihren Spuren. Aber auch in anderen Regionen Italiens, wie Perugia, Orvieto, Florenz und dem Chianti-Gebiet, haben die Etrusker bedeutende Zeugnisse hinterlassen. Besonders im nördlichen Latium, der “Tuscia Viterbese”, finden sich zahlreiche etruskische Nekropolen und archäologische Stätten in einer weitgehend unberührten Landschaft.
An der Küste des nördlichen Latium liegen die beeindruckenden Nekropolen von Tarquinia und Cerveteri, die seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Von NormanEinsteinderivative work: Maximilian Dörrbecker (Chumwa) – Based on a map from The National Geographic Magazine Vol.173 No.6 June 1988., CC BY-SA 3.0von wikicommons
Woher kamen die Etrusker? Theorien und neue Erkenntnisse zur Herkunft
Die Frage nach der Herkunft der Etrusker beschäftigte bereits antike griechische und römische Geschichtsschreiber. Waren sie ein ursprünglich italisches Volk oder Zuwanderer aus dem Osten? Schriftliche Zeugnisse der Etrusker selbst, die Aufschluss über ihre Herkunft geben könnten, sind leider nicht überliefert.
Es gibt verschiedene Theorien: Einige Autoren vermuteten, dass die Etrusker einheimische Bewohner Italiens waren, während andere von einer Einwanderung aus dem Osten ausgingen. Es ist wichtig zu beachten, dass die antiken Autoren oft ihre eigenen Interessen verfolgten und nicht immer nur auf historische Fakten Wert legten. Die etruskische Sprache, die sich deutlich von anderen altitalischen Sprachen unterscheidet, wurde oft als Argument für eine Einwanderungstheorie angeführt. Es ist wahrscheinlich, dass die Sprache keiner indogermanischen Sprachfamilie angehört.
D. H. Lawrence schrieb treffend: “Nun wissen wir nichts über die Etrusker, mit Ausnahme dessen, was wir in ihren Gräbern finden.” Die Archäologie spielt daher eine entscheidende Rolle bei der Erforschung der etruskischen Kultur. Es ist jedoch oft schwierig, etruskische Wohngebäude und Siedlungen zu untersuchen, da diese entweder aus vergänglichem Material bestanden oder von römischen und mittelalterlichen Bauten überlagert wurden.
Grabbeigaben eines jungen Mannes, um 730-720 v. Chr. Im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia
Neue DNA-Untersuchungen aus dem Jahr 2021 deuten darauf hin, dass die Etrusker tatsächlich ein autochthones italisches Volk waren. Ihre einzigartige Sprache könnte demnach ein Überbleibsel einer vorindogermanischen Sprache sein, ähnlich dem Baskischen in Spanien.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Etrusker keineswegs so “rätselhaft” oder “geheimnisvoll” sind, wie sie oft dargestellt werden. Tatsächlich wissen wir weitaus mehr über sie als über viele andere italische Völker. Dies ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass die Etrusker viele archäologische Spuren hinterlassen haben, die uns wertvolle Einblicke in ihre Kultur ermöglichen. Die inka kultur hatte ähnliche Herausforderungen bei der Rekonstruktion ihrer Geschichte.
Die Grabbeigaben zeigen die engen Verbindungen nach Griechenland. Viele Waren wurden importiert, aber auch vor Ort in heimischen Werkstätten nachgeahmt. Auch griechische Künstler ließen sich in Etrurien nieder. im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia
Ein kurzer Abriss der Etrusker Geschichte
Unser Wissen über die Etrusker Geschichte stammt hauptsächlich aus ihren Gräbern. Die Art und Herkunft der Grabbeigaben geben Aufschluss über den Aufstieg und Fall etruskischer Städte, den Reichtum ihrer Bewohner und die Einflüsse, denen die Etrusker ausgesetzt waren. Besonders die Griechen, sowohl aus Attika als auch aus Süditalien, hatten einen großen Einfluss auf die etruskische Kultur. Rege Handelskontakte führten zu einem kulturellen Austausch, der sich in Kunstobjekten, Essgewohnheiten und der Übernahme des griechischen Alphabets widerspiegelte.
Frühzeit und Villanova-Periode
Der Etruskologe Massimo Pallottino spricht von einer “Volkswerdung” der Etrusker. Demnach wanderten sie nicht als fertiges Volk nach Mittelitalien ein, sondern bildeten sich über einen langen Zeitraum aus indigenen Bevölkerungsgruppen und Zuwanderern. Dieser Prozess begann etwa im 10. Jahrhundert v. Chr. und dauerte bis in die Villanova-Zeit (9./8. Jh.) an.
Bikonische Urnen und Hüttenurnen aus der Villanova-Zeit. im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia
Die Villanova-Periode gilt als die früheste Phase der etruskischen Zivilisation. Die Menschen der Villanova-Kultur lebten in dörflichen Hüttensiedlungen, die sich im Laufe des 8. und 7. Jahrhunderts zu größeren Siedlungen entwickelten. In diese Zeit fällt auch der Beginn der griechischen Kolonisierung Süditaliens, von wo aus das griechische Alphabet nach Mittelitalien gelangte. Es bestanden bereits rege Handelskontakte in den Vorderen Orient, Ägypten und auch ins nuraghenzeitliche Sardinien.
Urbanisierung: Aufstieg der etruskischen Städte
Im 7. Jahrhundert entwickelten sich die Dörfer der Villanova-Zeit zu blühenden Handelsstädten, vor allem an der Küste (z.B. Tarquinia und Cerveteri). Eine reiche Oberschicht prägte das Stadtbild, was sich in den aufwändigen Bestattungsformen und Grabbeigaben widerspiegelte.
Riesige Grabtumuli in der Nekropole von Cerveteri
Die mächtigen etruskischen Städte, die den griechischen Poleis ähnelten, schlossen sich zu einem 12-Städte-Bund zusammen. Dieser Bund traf sich jährlich bei einem Zentralheiligtum, dem “Fanum Voltumnae”, dessen genaue Lage bis heute unbekannt ist. Es wird vermutet, dass es sich in der Nähe von Orvieto oder Bolsena befand. Die genaue Zusammensetzung des Städtebundes ist ebenfalls unklar. Es wird vermutet, dass es auch in der Po-Ebene und in Kampanien weitere 12-Städte-Bünde gab.
Die Urbanisierung der Etrusker war zu dieser Zeit bereits weit fortgeschritten: Straßen wurden gepflastert, eine Kanalisation angelegt und Hütten aus organischem Material wurden zunehmend durch gemauerte Häuser ersetzt.
Reste eines etruskischen Tempels für Apollo aus Falerii, ca. 4. Jahrhundert v. Chr., im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia
Blütezeit etruskischer Kultur und Macht
Die Urbanisierung Roms wird den etruskischen Königen zugeschrieben, die ab dem späten 7. und im 6. Jahrhundert herrschten. Die Trockenlegung der Sümpfe am späteren Forum Romanum und die erste Stadtbefestigung Roms wurden bereits von römischen Autoren auf die etruskischen Könige zurückgeführt. Mit dem Sturz des letzten römischen Königs Tarquinius Superbus im Jahr 509 v. Chr. wurde die römische Republik gegründet.
Stirnziegel eines Tempels in Veji
Im 6. Jahrhundert befanden sich die Etrusker “politisch, wirtschaftlich und kulturell auf dem Höhepunkt ihrer Macht”. Besonders die Küstenstädte waren im Fernhandel erfolgreich und eine reiche Kaufmannsschicht entstand, was sich in den prächtigen Gräbern der Nekropolen von Cerveteri und Tarquinia widerspiegelt.
bemaltes Grab aus Tarquinia
Ab dem 5. Jahrhundert setzte jedoch langsam der Niedergang ein: Das griechische Syrakus auf Sizilien erstarkte und dominierte zunehmend das westliche Mittelmeer, was zu einer Schwächung der Küstenstädte und einer Stärkung der Städte Inneretruriens führte. Im Jahr 423 v. Chr. eroberten die Samniten Capua, wodurch die etruskische Präsenz in Kampanien endete. Die Kelteneinfälle von Norden führten um 400 v. Chr. zum Verlust der Po-Ebene, und parallel dazu gewannen auch die römischen Nachbarn immer mehr Macht.
Die Romanisierung Etruriens
Der Wendepunkt kam, als die Römer 396 v. Chr. die etruskische Stadt Veji zerstörten und in der Folge auch anderen etruskischen Städten empfindliche Niederlagen zufügten. Im Jahr 310 v. Chr. stießen sie schließlich auch nach Inneretrurien vor.
In den folgenden Jahrhunderten wurde ganz Mittel- und Süditalien romanisiert. Zahlreiche etruskische Städte wurden unterworfen und zu Bündnisverträgen gezwungen, römische Kolonien auf etruskischem Gebiet gegründet und Fernstraßen hindurch verlegt, die zum Teil heute noch wichtige Verkehrslinien sind. Die Via Aurelia oder die Via Cassia sind Beispiele dafür.
Kopie der Bronzeleber von Piacenza im im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia. Sie diente wohl als Lehrmodell für die Leberschau, bei der man bei der Beschau einer Schafsleber den Willen der Götter abzulesen suchte. Die Inskriptionen sind auf etruskisch.
Nach dem Bundesgenossenkrieg von 90-88 v. Chr. erhielten alle italischen Bundesgenossen Roms – also auch die Etrusker – das römische Bürgerrecht. Im Jahr 27 v. Chr. wurde von Augustus die VII. Verwaltungsregion “Etruria” geschaffen. Die Etrusker waren endgültig im Römischen Reich aufgegangen, und die etruskische Sprache, die zuvor schon mehr und mehr von der lateinischen verdrängt worden war, verschwand endgültig aus den Inschriften.
Dennoch blieben auch in Rom einige Spuren der Etrusker erhalten. Die berühmte kapitolinische Wölfin soll “stilistisch auf etruskische Vorbilder” verweisen, und auch die Funktion des Haruspex, also der Priester in Rom, die durch Leberschau und Himmelsbeobachtung den Willen der Götter zu deuten suchten, waren ursprünglich Etrusker. Auch die Beobachtung und Deutung des Vogelflugs könnten die Römer von den Etruskern übernommen haben.
Darstellung eines Haruspex im Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia
Etruskische Museen in Italien (Auswahl)
Eine Reise zu den etruskischen Museen in Italien ist eine hervorragende Möglichkeit, die faszinierende Etrusker Geschichte hautnah zu erleben. Hier eine Auswahl einiger Museen, die einen Besuch wert sind:
In der Emilia-Romagna
- Museo Nazionale Etrusco Pompeo Aria, Via Porrettana Sud, 13, 40043 Marzabotto.
In der Toskana
- Archäologisches Nationalmuseum Florenz. P.za della SS. Annunziata, 9b, 50121 Firenze.
- Museo Etrusco „Mario Guarnacci“, Via Don Giovanni Minzoni, 15, 56048 Volterra.
- MAEC – Museo dell’Accademia Etrusca e della città di Cortona, Piazza Luca Signorelli, 9, 52044 Cortona.
- Museo Nazionale Etrusco, Via Porsenna, 93, 53043 Chiusi.
In Umbrien
- Museo Archeologico Nazionale dell’Umbria, Piazza Giordano Bruno, 10, 06121 Perugia.
- Museo Etrusco „Claudio Faina“, Piazza del Duomo, 29, 05018 Orvieto.
- Museo Archeologico Nazionale di Orvieto, Piazza del Duomo, 05018 Orvieto.
Im Latium
- Museo Nazionale Etrusco Rocca Albornoz, Piazza della Rocca, 21b, 01100 Viterbo.
- Museo Archeologico Nazionale di Tuscania, Largo Mario Moretti, 1, 01017 Tuscania.
- Museo delle Necropoli Rupestri di Barbarano romano, Via S. Angelo, 2, 01010 Barbarano Romano.
- Museo Archeologico Nazionale di Tarquinia – Palazzo Vitelleschi, Piazza Cavour, 1a, 01016 Tarquinia.
- Museo archeologico nazionale Cerite, Piazza Santa Maria, 00052 Cerveteri.
- Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Piazzale di Villa Giulia 9, 00196 Roma.
- Museo Antichità Etrusche e Italiche – Sapienza Università di Roma, Piazzale Aldo Moro, 5, 00185 Roma.
- Museo Gregoriano Etrusco, 00120 Città del Vaticano, Vatikanstadt.
Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia in Rom. Hier befinden sich die archäologischen Funde aus so wichtigen etruskischen Orten wie Cerveteri, Tarquinia oder Vulci.
Fazit: Die Etrusker – Ein unverzichtbarer Teil der italienischen Geschichte
Die Etrusker Geschichte ist ein faszinierendes Kapitel der italienischen und europäischen Geschichte. Trotz der vielen offenen Fragen, die die Forschung noch beschäftigen, ermöglicht uns das archäologische Erbe der Etrusker einen tiefen Einblick in ihre Kultur, ihre Lebensweise und ihre politische Organisation. Ein Besuch der etruskischen Stätten und Museen in Italien ist eine lohnende Erfahrung für jeden, der sich für die Geschichte und Kultur des Mittelmeerraums interessiert. Die Etrusker waren mehr als nur die Vorgänger der Römer; sie waren eine hochentwickelte Zivilisation, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Italiens geleistet hat.