Viele Deutsche haben eine Lebensversicherung, doch nicht immer ist sie die beste Option. Ob finanzielle Engpässe oder veränderte Lebensumstände – es gibt gute Gründe, eine Lebensversicherung zu verkaufen. Aber wann lohnt sich das wirklich, und worauf sollten Sie achten? Dieser Ratgeber von Finanztip hilft Ihnen, die richtige Entscheidung zu treffen und das Maximum aus Ihrem Vertrag herauszuholen.
Warum überhaupt die Lebensversicherung verkaufen?
Die klassische Lebensversicherung war lange Zeit ein beliebtes Sparinstrument. Das Prinzip: Monatlich wird ein fester Betrag eingezahlt, und am Ende der Laufzeit (meist 20-30 Jahre) erhält man eine vereinbarte Summe plus Zinsen. Zusätzlich gibt es einen Todesfallschutz für die Familie. Allerdings werden viele Verträge vorzeitig aufgelöst – rund 30 Prozent innerhalb der ersten 10 Jahre, weitere 20 Prozent in den ersten 20 Jahren.
Gründe dafür sind Geldnot, die Unfähigkeit, die hohen Beiträge weiter zu zahlen, oder die mangelnde Attraktivität der Versicherung in Zeiten niedriger Zinsen. Der Verkauf der Lebensversicherung kann hier eine attraktive Alternative zur Kündigung sein.
Wichtig: Eine Risikolebensversicherung, die keinen Sparanteil enthält, kann nicht verkauft werden. Sie dient ausschließlich dem Todesfallschutz.
An wen kann man die Lebensversicherung verkaufen?
Meist sind es Investoren, die gebrauchte Lebensversicherungen aufkaufen. Achten Sie bei der Auswahl auf Seriosität. Der Bundesverband für Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) setzt hier Mindeststandards. Mitglieder des Verbandes erstellen kostenlose Angebote und zahlen den Kaufbetrag in einer Summe aus. Bei Unsicherheiten sollten Sie einen Experten (Anwalt, unabhängiger Finanzberater) hinzuziehen.
So erkennen Sie einen seriösen Anbieter:
- Kostenlose Angebotserstellung
- Keine Bearbeitungsgebühren
- Verkauf über Treuhänder möglich
- Einmalige Kaufpreiszahlung
- Transparenter Verkaufsprozess
- Todesfallschutz bleibt bestehen
Lebensversicherung verkaufen: Ehepaar berät auf Couch über den Verkauf
Vorsicht ist geboten, wenn ein Unternehmen Gebühren für die Angebotserstellung verlangt oder den Kaufpreis nur in Raten zahlen möchte. Auch Angebote, die eine gewinnbringende Anlage des Kaufpreises in einem Fonds versprechen, sind unseriös. Seien Sie skeptisch gegenüber unrealistisch hohen Renditeversprechen.
Neben Investoren können auch Privatpersonen Lebensversicherungen kaufen, dies ist jedoch seltener. Der Verkauf an Investoren ist einfacher, da diese den Verkauf melden und den Papierkram erledigen.
Finanztip: Holen Sie mehrere Angebote ein und vergleichen Sie diese. Nicht jeder Investor bewertet Ihre Versicherung gleich hoch.
Lebensversicherung verkaufen: Der Ablauf
Um eine Lebensversicherung verkaufen zu können, muss diese bestimmte Kriterien erfüllen. Die Versicherungskosten müssen gedeckt sein (oft nach 5-10 Jahren). Zudem muss die Versicherung einen Rückkaufswert von mindestens 5.000 Euro (manchmal 10.000 Euro) aufweisen. Wichtig ist auch eine längere Einzahlungsdauer und eine Restlaufzeit von maximal 25 Jahren. Fondsgebundene Policen und Direktversicherungen sind meist vom Verkauf ausgeschlossen.
Entspricht Ihre Versicherung diesen Kriterien, ist der Verkauf an einen Investor relativ unkompliziert.
Der Ablauf im Detail:
- Online-Formular: Sie füllen ein Online-Formular mit Ihren persönlichen Daten und Versicherungsdaten (z.B. Policennummer) aus.
- Unterlagen: Sie senden eine Kopie des Versicherungsscheins und das unterschriebene Formular an den Investor.
- Prüfung und Angebot: Der Investor prüft die Police, berechnet den Wert und erstellt ein Angebot (meist 14 Tage gültig).
- Entscheidung: Sie entscheiden sich für das Angebot, senden den unterschriebenen Kaufvertrag und den Originalvertrag an den Käufer.
- Auszahlung: Der Käufer meldet den Verkauf und zahlt das Geld aus.
- Dauer: Der gesamte Prozess dauert meist 3-8 Wochen.
Zeit lassen und genau prüfen
Überstürzen Sie nichts. Informieren Sie sich gründlich über den Käufer und das Angebot. Lesen Sie das Kleingedruckte sorgfältig durch und lassen Sie den Kaufvertrag im Idealfall von einem Anwalt prüfen. Seien Sie skeptisch bei scheinbar unschlagbaren Angeboten, die deutlich über dem Rückkaufswert liegen. Achten Sie darauf, dass der Käufer Ihnen keine Kosten auferlegt oder Ihre Steuerschuld überträgt. Der Verkauf sollte für Sie immer kostenlos sein. Die Verbraucherzentrale oder unabhängige Finanzberater können Ihnen ebenfalls helfen.
Vorsicht vor Pauschalangeboten, die nur wenige Prozent über dem Rückkaufswert liegen und eine schnelle Auszahlung versprechen. Hier werden oft individuelle Vereinbarungen der Police nicht berücksichtigt. Lassen Sie den tatsächlichen Wert Ihrer Police berechnen.
Bei sehr wertvollen Lebensversicherungen kann ein Treuhänder (z.B. eine Bank) eingesetzt werden. Die Kosten (125-250 Euro) lohnen sich, da der Treuhänder den Verkauf übernimmt, die Unterlagen verwaltet, das Angebot prüft und die Kommunikation mit dem Ankäufer führt. Nach Vertragsabschluss wird das Geld auf ein Treuhandkonto überwiesen und anschließend an Sie ausgezahlt.
Lebensversicherung verkaufen: Stift auf Geldscheinen
Lohnt sich der Verkauf wirklich?
Der Verkauf der Lebensversicherung ist eine schnelle Lösung, um Kapital freizusetzen. Aber meist ist es kein gutes Geschäft, da Zinsen und der Schlussüberschuss entfallen. Wenn Sie nicht dringend Geld benötigen, ist es oft besser, die Versicherung zu behalten.
Alternativ gibt es folgende Möglichkeiten:
- Lebensversicherung beleihen: Nehmen Sie einen Kredit auf, der durch die Versicherung gedeckt ist.
- Beitragsfreistellung: Zahlen Sie keine weiteren Beiträge, aber die Versicherung bleibt bestehen.
- Beitragsdynamik stoppen: Reduzieren Sie die steigenden Beiträge.
- Monatliche Zahlung: Stellen Sie von jährlicher auf monatliche Zahlung um.
Behalten oder verkaufen? Eine individuelle Entscheidung
Ob Sie Ihre Lebensversicherung behalten oder verkaufen sollten, hängt von Ihrer persönlichen Situation ab.
Generell gilt:
- Alte Verträge mit hohen Zinsen (bis 2003): Behalten Sie diese, da der hohe Zins die Auszahlungssumme deutlich erhöht.
- Letztes Drittel der Laufzeit: Ein Verkauf ist meist ein Minusgeschäft, da die Auszahlung und der Schlussüberschuss mehr Geld bringen.
- Niedrige Zinsen, lange Laufzeit: Der Verkauf kann sinnvoll sein, wenn die Zinsen niedrig sind und die Laufzeit noch lang ist. Das Geld können Sie anderweitig anlegen.
Steuern beim Verkauf
Steuerlich gilt beim Verkauf das gleiche Modell wie bei der Kündigung. Verträge, die nach 2005 geschlossen wurden, müssen versteuert werden, sofern ein Gewinn erzielt wird. Ist die Auszahlungssumme niedriger als die eingezahlten Beiträge, entsteht ein Verlust, der nicht versteuert werden muss und sogar Ihre Steuerlast mindern kann. Bei einem Gewinn werden 25 Prozent Abgeltungssteuer fällig, zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Verträge, die vor 2005 abgeschlossen wurden, sind steuerfrei. Berechnen Sie vor dem Verkauf, wie viel Geld nach Steuern übrig bleibt.
Ältere Frau schaut auf Bild eines verstorbenen Mannes
Was passiert nach dem Verkauf?
Der Käufer übernimmt die Versicherung und zahlt die Beiträge bis zum Ende. Dafür erhält er die vereinbarte Auszahlung und den Schlussüberschuss. In den meisten Fällen kündigt der Käufer die Police nicht. Fragen Sie vor dem Verkauf nach, ob der Todesfallschutz für Ihre Hinterbliebenen bestehen bleibt.
Denken Sie auch an Zusatzversicherungen, die in Kombination mit der Lebensversicherung abgeschlossen wurden. Diese verlieren ihre Gültigkeit, wenn Sie die Lebensversicherung verkaufen. Klären Sie mit Ihrem Versicherer, wie der Versicherungsschutz aufrechterhalten werden kann. Oft ist eine Umwandlung in eine eigenständige Police ohne erneute Gesundheitsprüfung möglich.
Wichtig: Beenden Sie nach dem Verkauf einen eventuell bestehenden Dauerauftrag, um weitere Einzahlungen zu vermeiden. Zu viel gezahlte Beiträge können Sie vom Käufer zurückfordern.
Kündigung vs. Verkauf
Die Kündigung der Lebensversicherung ist oft die schlechtere Option. Sie erhalten nur den Rückkaufswert, der deutlich unter den eingezahlten Beiträgen liegt. Grund dafür sind Kosten, Provisionen und der Verlust des Schlussüberschusses.
Der Verkauf ist meist lukrativer, da Investoren oft einen Preis zahlen, der bis zu 5 Prozent über dem Rückkaufswert liegt. Zudem bleibt der Anspruch auf die Hinterbliebenenleistung im Todesfall erhalten (sofern der Käufer nicht kündigt).
Rückabwicklung prüfen
Haben Sie Ihre Lebensversicherung zwischen Juli 1994 und Dezember 2007 abgeschlossen und wurden Sie nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht informiert, können Sie den Vertrag möglicherweise rückabwickeln. In diesem Fall erhalten Sie deutlich mehr Geld als bei einem Verkauf oder einer Kündigung, da Sie Ihre eingezahlten Beiträge plus Zinsen zurückbekommen. Lassen Sie sich von einem Anwalt beraten.
Die Alternative
Wenn Sie Geld für eine dringende Investition benötigen, sollten Sie über ein Policendarlehen nachdenken. So bleibt Ihre Altersvorsorge erhalten.