Die deutsche Ess- und Trinkkultur ist tief in Traditionen verwurzelt, doch sie ist auch dynamisch und offen für neue Einflüsse und Trends. Ein Begriff, der in der internationalen Weinwelt – insbesondere im Bereich Naturwein – immer mehr an Bedeutung gewinnt und auch in Deutschland Resonanz findet, ist Glou-Glou. Ursprünglich ein spielerischer Ausdruck für Weine, die sich unkompliziert und mit großem Vergnügen trinken lassen, hat sich “Glou-Glou” zu einem Leitbegriff für eine bestimmte Art des Weingenusses entwickelt. Bei Shock Naue tauchen wir ein in die Welt dieses faszinierenden Phänomens, beleuchten seine Herkunft, seine Bedeutung und seine möglichen Auswirkungen auf die deutsche Weinszene, die sich durch ihre Vielfalt und Innovationsfreude auszeichnet.
Was ist Glou-Glou eigentlich? Die Essenz unkomplizierten Genusses
Für Jenny Lefcourt, eine Pionierin des Naturweins in den USA, waren es genau solche Glou-Glou-Weine, die ihr persönliches Gaumenempfinden für Wein geweckt haben, lange bevor der Begriff überhaupt existierte. In ihren Anfängen gab es weder den Ausdruck “Glou-Glou” noch “Naturwein”. Der Begriff “Glou-Glou” scheint in den 2000er Jahren spontan entstanden zu sein, um die frischen, offenbarenden Beaujolais-Weine von Marcel Lapierre zu beschreiben. Die Franzosen bezeichnen diese Weine oft als “bekömmlich” oder “gut verdaulich”. Der Naturwinzer Stefano Bellotti beschrieb sein Ziel, Weine zu kreieren, die vor allem “gewinnen” und die man “nicht überdenkt, sondern mit großem Vergnügen trinkt”. Es geht um den reinen, unverfälschten Trinkgenuss, der die deutsche Liebe zur Gemütlichkeit und zum geselligen Beisammensein perfekt ergänzen könnte.
Vom Nischenbegriff zum Kultphänomen: Die Verbreitung von Glou-Glou
Die letzten zwei Jahrzehnte haben einen kometenhaften Aufstieg des Naturweins erlebt, und mit ihm den Siegeszug von Glou-Glou. Diese spielerische, fast neckische Energie grenzt sich bewusst von der vermeintlichen Strenge der traditionelleren Weinkultur ab. Heute ist “Glou-Glou” zu einem vielseitigen Begriff geworden – Nomen, Adjektiv, Verb – das den freien Geist des Naturweins, aber auch seinen aufstrebenden Markt einfängt. “Glou-Glou” hat seinen Charme und Namen Magazinen, Weinläden von Luxemburg bis Vietnam und sogar prominenten Weinen verliehen. In dieser Ära des Naturwein-Evangelismus ist “Glou-Glou” zu einem prägenden Mantra geworden, das jedoch gleichzeitig die grenzenlose Welt, die es inspirierte, zu verflachen droht. Der Weinkritiker Simon Woolf schrieb, “Glou-Glou” sei “inzwischen zu einem Meta-Profil für Naturwein insgesamt geworden”. Dies zeigt, wie ein Trendbegriff sowohl begeistern als auch zur Homogenisierung beitragen kann – eine Beobachtung, die auch in der deutschen Kulinarik relevant ist.
Ein Blick in die Geschichte: Molière und das “Gluckern”
Es wäre leicht, sich “Glou-Glou” als das “Rosé all Day” der Naturwein-Szene vorzustellen, ein neuzeitliches Äquivalent zu einfachen Slogans. Doch oft ist das Neue eigentlich sehr alt. Der Begriff tauchte erstmals in Molières Stück Le Médecin malgré lui (Der Arzt wider Willen) aus dem Jahr 1666 auf. Darin singt ein verachtenswerter Trunkenbold ein Liedchen an eine Weinflasche: Wie süß und hübsch sind deine kleinen Gluckergeräusche; mein Schicksal würde viele neidisch machen, wenn du immer voll wärst. Oh, Flasche, meine Liebe, warum leerst du dich?
Das Wort ist eine französische Onomatopoesie, die das Geräusch von Flüssigkeit beschreibt, die sich aus einer engen Öffnung drückt. Das “Glou-Glou” des Weins ist, wie der britische Philosoph Barry C. Smith es ausdrückte, “ein Moment, in dem alles im Rausch der Erfahrung kurzzeitig stillsteht”. In der deutschen Sprache gibt es ähnliche Geräuschwörter, die den sinnlichen Genuss von Getränken untermauern.
Glou-Glou Wein und die Diskussion um leicht trinkbare Getränke – Ein Sommelier beurteilt ein Glas Rotwein
Glou-Glou als Weinstil: Vin de Soif und seine Kritiker
Es dauerte über drei Jahrhunderte, bis “Glou-Glou” seinen Namen einem Weinstil lieh: dem Vin de Soif, durstlöschenden Weinen mit geringem Alkohol- und Tanningehalt, die vor allem in der französischen Region Beaujolais populär wurden und für ihre frische, saftige Natur gelobt werden. Diese Eigenschaften finden sich auch bei vielen deutschen Weinen, insbesondere jungen Gutsweinen oder leichten Spätburgundern aus Regionen wie Baden oder dem Ahrgebiet.
Kritiker der wachsenden Dominanz von Glou-Glou in der Naturweinwelt, darunter Woolf, bemängeln, dass die Methoden zur Erzielung dieser Saftigkeit (einschließlich der Kohlensäuremaischung) dem Wein den vollen Zugang zum Terroir, in dem er geboren wurde, verwehren und so ein fast universelles Geschmacksprofil standardisieren. Sie argumentieren, dass Glou-Glou eine kleine Wiederholung der “Parkerization” darstellt – eines Paradigmas, zu dem die Naturweinbewegung in starkem Kontrast stand. Diese Diskussion ist auch für die deutsche Weinproduktion relevant, wo die Betonung auf Terroir und regionaler Typizität eine große Rolle spielt.
Robert Parker und der Einfluss von Weinkritik auf die Standardisierung von Weinstile, relevant für die Glou-Glou Diskussion
Glou-Glou im Kontext der deutschen Trinkkultur: Eine Brücke?
Vielleicht ist es am aufschlussreichsten, Glou-Glou als ein Mikrophänomen innerhalb etwas Größerem zu sehen. Sein Aufstieg erfolgte im Gleichschritt mit einem anderen Wort, das das letzte Jahrzehnt der Getränkekultur geprägt hat: “crushable” (gut trinkbar/schnell wegzutrinken). Der Konvergenzpunkt zwischen den beiden Schlagwörtern wird sogar von einem der größten Getränkekonzerne der Welt, Anheuser-Busch, in Betracht gezogen. Karmen Olson, Innovationsleiterin bei Anheuser-Busch, erwähnte 2021, dass sie das Konzept von Glou-Glou für neue Bierprojekte erkunde.
“Es bedeutet etwas Ähnliches wie ‘crushable’, aber es gibt eine Nuance, die schwerer zu beschreiben ist”, sagte Olson. “Ich arbeite mit unseren Brauern daran: Was bedeutet ‘Glou-Glou’? Wie könnte es für Bier relevant übersetzt werden? Und sie verstehen es noch nicht ganz. ‘Gluggability’ (Trinkfreudigkeit) geht nicht ausschließlich darum, ein Getränk herunterzukippen. Es geht nicht darum, es schnell oder gedankenlos zu trinken. Es ist etwas weniger intentional als ein komplexerer Wein oder so, aber ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll.”
In Deutschland könnten wir Parallelen zum unkomplizierten Genuss eines frischen, spritzigen Rieslings von der Mosel oder Rheinhessen ziehen, der zum zweiten Glas einlädt, oder zu einem gut gekühlten Hellen vom Fass im Biergarten. Die deutsche Esskultur schätzt diesen leichten, unbeschwerten Moment des Genusses, ob bei einem Glou-Glou Wein, einem handwerklich gebrauten Bier oder einem traditionellen Apfelwein. Dieser Geist des unkomplizierten Trinkvergnügens ist tief in der deutschen Seele verankert und bietet hervorragende Anknüpfungspunkte für den “Glou-Glou”-Trend.
Ein Glas Naturwein mit Noten, die als 'funky' beschrieben werden könnten, im Kontext der vielfältigen Glou-Glou-Bewegung
Die Philosophie des unkomplizierten Genusses
Es steckt natürlich eine Ironie darin, Design-Thinking auf Unternehmensebene auf Glou-Glou anzuwenden und die Zukunft so tiefgründig zu betrachten, dass man den Blick für das Jetzt verliert. Laut Bellotti “intellektualisiert man den Wein, wenn man das tut, und Wein kümmert sich nicht darum, intellektuell zu sein.” Wahre Freude am Wein und an der deutschen Esskultur entsteht im Moment, im unkomplizierten Erleben, nicht in der übermäßigen Analyse.
Fazit: Glou-Glou – Ein Impuls für die deutsche Genusskultur
Glou-Glou ist mehr als nur ein flüchtiger Weintrend; es ist eine Philosophie des unkomplizierten, bekömmlichen Genusses, die tiefe Wurzeln in der Historie hat und gleichzeitig die moderne Suche nach Authentizität widerspiegelt. Für die deutsche Ess- und Trinkkultur bietet der Begriff eine spannende Möglichkeit, das reiche Erbe an leichten Weinen, erfrischenden Bieren und regionalen Spezialitäten neu zu beleuchten und den Wert des puren, unbeschwerten Trinkvergnügens zu betonen. Ob es sich um einen leichtfüßigen Riesling, einen spritzigen Federweißen oder ein handwerklich gebrautes Craft Beer handelt, der Geist des Glou-Glou – des unkomplizierten, genussvollen Schluckens – findet auch hierzulande seinen Ausdruck.
Lassen Sie uns gemeinsam die Vielfalt des Genusses zelebrieren und entdecken, welche deutschen Köstlichkeiten das “Glou-Glou”-Gefühl am besten verkörpern.
Eine moderne Darstellung des aktuellen Weintrends, die den Fokus auf unkomplizierten Glou-Glou Genuss legt
Quellenangaben:
- Originalartikel: Punchdrink.com (Verweis auf den Ursprungsartikel, der die Basis dieser Ausarbeitung bildet)
- Interview mit Stefano Bellotti: LouisDressner.com
- Artikel von Simon Woolf: Wine-Business-International.com
- Weitere Zitate und Informationen stammen aus dem Kontext des Originalbeitrags.
