Der deutsche Hip-Hop-Szene brodelt – und das nicht nur musikalisch. Nach den Erfolgen von Capital Bra und Shirin David hat nun auch die Offenbacher Rap-Ikone Haftbefehl mit seinem “Baba HafTea” die Getränkeregalen erobert. In einer kompakten 0,25l-Dose, geschmückt mit dem markanten Konterfei des Rappers, verspricht dieser Eistee mehr als nur Erfrischung. Doch was steckt hinter diesem Phänomen, das Rap-Kultur und die beliebte Erfrischungsgetränk-Sparte miteinander verbindet? Tauchen wir ein in eine faszinierende Kulturgeschichte von Deutschrap und Eistee.
Eistee, lange Zeit eher als kindgerechter Durstlöscher oder eine ungesunde Alternative zu den Klassikern wie “Fanta” oder “Sprite” abgetan, hat eine bemerkenswerte Transformation durchgemacht. Ein überraschender Trend in Deutschland veränderte das Image des süßen Tees grundlegend: Getränkehersteller und namhafte Rapper schlossen sich zusammen und kreierten neue Konzepte, die den Eistee in ein neues Licht rückten. Während solche Kooperationen in den USA bereits eine längere Tradition haben – man denke an den kalifornischen Rapper Tyga mit seinem “Pop Water” oder den Kultstatus von Yung Leans “Arizona Iced Tea” innerhalb der Vaporwave-Ästhetik –, hat sich dieser Trend auch in Deutschland fest etabliert.
Haftbefehl bei der Premiere von „Dogs of Berlin“ und sein neuer Eistee.
In Deutschland dominierte lange Zeit die klassische Softdrink-Landschaft der großen Konzerne, ergänzt durch Energy-Drinks wie “Red Bull” mit ihrer sportlich aufgeladenen Aura. Ab den späten 1990er-Jahren erlebte die Branche dann eine Erneuerung durch urbane Hipster-Marken. “Bionade”, “Club Mate”, die “Fritz”-Limos und viele weitere Getränke sprachen eine Zielgruppe an, die sich aus jungen Akademikern, Clubgängern und Trendsettern zusammensetzte.
Die eher bodenständige und oft als “härter” wahrgenommene Hip-Hop-Kultur blieb von dieser Entwicklung zunächst unberührt oder wurde zumindest nicht spezifisch angesprochen. Daher sah man anfangs Stars wie Capital Bra noch mit einer “Capri Sonne Safari Fruits” oder beobachtete die Beliebtheit der einfachen “Durstlöscher”-Tetra Paks bei Jugendlichen im Umfeld von Aggro Berlin. Ein schlankes “Bionade”-Fläschchen wäre in diesem Kontext wohl kaum als Statussymbol in Erscheinung getreten. Doch der Markt erkannte das Potenzial, und so drängten zunehmend hipper designte Marken auf den Plan, die gezielt die Hip-Hop-Zielgruppe ins Visier nahmen. Die “Monster”-Produktfamilie, mit ihrem aggressiven Brand Marketing und dynamischen Design, positionierte sich gekonnt an der Schnittstelle von Jugendkultur und Energy Drinks.
Hip-Hop-affine Zielgruppe im Fokus
Eine gezielte Ansprache der Hip-Hop-affinen Jugend wurde zum entscheidenden Faktor. Diese jungen Konsumenten, die sich oft mit dem Gaming auf der Nintendo Switch beschäftigen, Deutschrap hören, vielleicht auch affin für Cannabis sind und sich selbst als “Gangsta” oder “Thugs” identifizieren – eine Generation, die Begriffe wie “Cringe”, “Sus” und “Sheesh” nicht nur versteht, sondern oft selbst prägt und deren Freundschaftsbegriffe sich auf ein knappes “Digga” reduzieren – war die perfekte Zielgruppe für neu konzipierte Getränke.
Der mit einem frischen Image versehene Eistee entwickelte sich zum idealen Produkt, um diese Marktlücke zu füllen. Die etablierten Stars der Szene fungierten selbst als Markenbotschafter, ihre YouTube-Videos erzielten Millionen von Klicks. Getreu der kapitalistischen Logik wurde der Ruhm der Deutschrapper auf ein Softdrink-Produkt übertragen. Dies schuf eine klassische Win-Win-Situation für Musiker und Hersteller.
Doch warum gerade Eistee? Hierfür sprechen mehrere überzeugende Gründe. Eistee war ein bekanntes Getränk, das jedoch lange Zeit keine klare emotionale oder kulturelle Besetzung hatte. Viele Jugendliche konsumieren wenig oder keinen Alkohol, sind aber offen für den Genuss von Cannabis – eine Kombination, zu der der süße Eistee hervorragend passt. Mit cleverem Marketing und zielgerichteten Social-Media-Kampagnen eroberten die neuen Eistee-Sorten rasch die Szene.
„DirTea“ der Rapperin Shirin David.
So brachte die deutsche Rapperin Shirin David ihren “DirTea” auf den Markt. Die Sorte “Wet Peach” spielt bewusst mit zweideutigen Anspielungen und soll eine provokante, “versaut” wirkende Aura verkörpern – ein klassisches Beispiel für die Weisheit “Sex sells”. Auch Capital Bra, einer der prägenden Gangsta-Rapper Berlins, mischt im Softdrink-Geschäft mit. Sein “BraTea” ist in großzügigen 0,75l-Tetra Paks in den Geschmacksrichtungen Zitrone, Pfirsich, Melone und Granatapfel erhältlich.
Im Jahr 2020 stiegen auch die Mitglieder der Dresdner Crew KMN Gang, Azet und Zuna, in den Eistee-Markt ein. Ihr Erfrischungsgetränk, “White Columbia”, stammt ursprünglich aus Südamerika, und die Anspielung im Namen dürfte den meisten Kennern klar sein. Abgefüllt in schicke Dosen mit einem auffälligen Diamanten-Logo, überzeugen die Drinks mit Geschmacksrichtungen wie Blaubeere, Honigmelone und Mango. Im Herbst 2021 folgte Haftbefehl mit seinem “Baba HafTea”, der sich explizit an Konsumenten von Cannabis richtet. Neben einem beigemischten Hanf-Aroma wird der Eistee als “Chillout Drink” beworben – die Marketingstrategie könnte auf ein Zusammenspiel von Cannabis-Konsum und dem Genuss von “HafTea” abzielen.
Haftbefehl bei der Premiere von „Dogs of Berlin“ und sein neuer Eistee.
Ein Hauch von Glamour, eine Prise Gangsta-Attitüde, eine Spur von Drogen und eine Dosis Sex – so lautet die Formel für den aktuellen Eistee-Rap-Hype. Dieses Erfolgsrezept erklärt, warum immer mehr Getränkehersteller auf die Rap-Fusion setzen und sich an so waghalsige Projekte wagen, wie die Einführung neuer Marken in einem hart umkämpften Markt, in dem schon so manches Label gescheitert ist. Erinnern wir uns nur an die einstigen “Spirit of Georgia”-Brausen aus dem Hause Coca-Cola.
„DirTea“ der Rapperin Shirin David.
Der Eistee-Hype lässt sich also auch als Ausdruck der Geschäftstüchtigkeit von Hip-Hop-Musikern erklären, sowohl in den USA als auch in Deutschland. Fusionen, Kooperationen und die Erschließung neuer Geschäftsfelder sind hierbei keine Ausnahmen, sondern eher die Regel. Ein zweites finanzielles Standbein jenseits der Musik ist für viele Künstler essenziell. Ob Kopfhörer, Kleidungslinien oder Sneaker – wer im Genre erfolgreich ist, kann seinen Namen wie ein Logo nutzen und Produkte weit über Tonträger und Konzerttickets hinaus vermarkten.
US-Superstars wie Dr. Dre mit der Gründung von Beats Electronics oder Snoop Dogg, dessen Name unzählige Produkte von Weinflaschen bis zu Jogginganzügen ziert, haben es vorgemacht. Warum also sollten deutsche Rapper und Rapperinnen nicht auf den Eistee-Zug aufspringen? Ob Haftbefehls Hanf-Eistee für knapp zwei Euro pro Dose den durchschlagenden Erfolg bringen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht greifen die jungen Konsumenten doch lieber zu altbekannten Favoriten wie dem “Durstlöscher”.
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