Hallstatt, idyllisch am Fuße des Dachsteinmassivs gelegen, ist mehr als nur ein malerischer Ort. Es ist der Namensgeber einer ganzen Epoche: der Hallstattzeit (ca. 800 v. Chr. bis 450 v. Chr.), auch bekannt als Ältere Eisenzeit. Diese Ehre verdankt die Marktgemeinde im Salzkammergut ihrem riesigen Gräberfeld, in dem Tausende von Menschen ihre letzte Ruhestätte fanden. Der schwedische Prähistoriker Hans Hildebrand schlug diesen Namen vor und teilte die Eisenzeit in die Hallstatt- und die Latènezeit ein. 1846 entdeckte Johann Georg Ramsauer, ein Bergrat aus der Region, das Gräberfeld zufällig, als er eine Schottergrube eröffnen wollte. Er dokumentierte sorgfältig die Ausstattung jedes einzelnen Grabes. Bis 1863 wurden 980 Grabkomplexe mit fast 20.000 Objekten freigelegt, was in Europa einzigartig ist. Heute ist die Grabanlage Teil der UNESCO-Welterbestätte Kulturlandschaft Hallstatt–Dachstein/Salzkammergut. Die reichen Funde ermöglichten eine erste Chronologie der Hallstattkultur, einer Kultur, die noch keine Schrift kannte.
Der Aufstieg der Hallstattkultur
Im Gebiet von Hallstatt wurde bereits seit über 4000 Jahren Salz gewonnen. Schon in der Bronzezeit (3000 v. Chr. bis 1200 v. Chr.) trieben Bergleute riesige Abbauhallen in den Berg. Das Salz, mit dem reger Handel betrieben wurde, war ein wichtiger Bestandteil der Hallstattkultur. Es wurde vor allem zur Konservierung von Fleisch geschätzt, und der weltweite Handel brachte Wohlstand. Davon zeugen Grabbeigaben wie Elfenbein, Bernstein, Glas aus Italien oder griechische Keramik. Die Salzstollen sorgten dafür, dass neben dem Gräberfeld unzählige Zeugnisse jener Zeit im Salz erhalten blieben.
Ackerbau und Viehhaltung waren die hauptsächliche Lebensgrundlage der Menschen in der Älteren Eisenzeit. Durch landwirtschaftliche Überproduktion konnten sich hochspezialisierte Handwerksbetriebe, vor allem in der Metall- und Textilverarbeitung, etablieren. Es entwickelte sich ein reger Handel auf festen Handelsrouten mit begehrten Gütern wie Eisen und Salz sowie mit Gegenständen aus dem Mittelmeerraum. Während in der Bronzezeit Großsiedlungen üblich waren, entstanden nun vor allem in Bayern Einzelhöfe. Dies signalisierte einen Anspruch auf Eigentum sowie das Bedürfnis nach Abgrenzung und Repräsentation.
Die Menschen der Hallstattkultur, die sich aus der bronzezeitlichen Urnenfelderkultur (ca. 1300 v. Chr. bis 800 v. Chr.) entwickelte, werden zu den frühesten Kelten gezählt. Als Kelten werden seit der Antike die europäischen Volksgruppen in der Eisenzeit bezeichnet. Dabei handelte es sich nie um ein homogenes Volk, sondern um verschiedene Stämme, die jedoch einige kulturelle Gemeinsamkeiten aufwiesen. So fanden Archäologen beispielsweise in Gräbern, die tausende Kilometer voneinander entfernt liegen, ähnliche Grabbeigaben wie Halsringe oder Wagenteile. Das Ausbreitungsgebiet der keltischen Stämme, die zur Hallstattkultur gezählt werden, umfasste ein Gebiet, das von Nordostfrankreich bis zum Nordwesten der Balkanhalbinsel reichte. Es wurde 1959 vom deutschen Vorgeschichtsforscher Georg Kossack in einen West- (Ostfrankreich, Mittel- und Süddeutschland, Schweiz, Mittelösterreich) sowie in einen Osthallstattkreis (Nordösterreich, Südmähren, Südwestslowakei, Westungarn, nördliches Kroatien, Slowenien) unterteilt. Diese Aufteilung erfolgte nicht aufgrund verschiedener Sprachen oder Dialekte, die nicht überliefert sind, sondern infolge der kulturellen Erzeugnisse, der Siedlungsweise und der Bestattungsrituale.
Siedlungen und Bestattungsrituale in der Hallstattzeit
Im Gebiet des Westhallstattkreises befanden sich neben kleinen Gehöften und Hofanlagen (Rechteckhöfe) auch große befestigte Höhensiedlungen. Sie entstanden vor allem in Ostfrankreich, in der Schweiz und in Teilen Süddeutschlands. Die befestigten Anlagen kontrollierten oft wichtige Handelsrouten, etwa an Flüssen oder Erhebungen. Sie sind Zeugnisse machtpolitischer und ökonomischer Verhältnisse, die auf weitreichenden Handelsbeziehungen basieren. Besonders bekannt sind der Mont Lassois beim kleinen Dorf Vix im nördlichen Burgund sowie die Heuneburg bei Hundersingen im Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg.
An Letzterer sind beispielhaft die Einflüsse des regen Handels der Menschen der Hallstattkultur mit dem Mittelmeerraum erkennbar. Sie war über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren von einer Lehmziegelmauer nach mediterranem Vorbild befestigt. Dies ist nördlich der Alpen für diese Zeit einzigartig. Im Gegensatz dazu waren im Osthallstattkreis kleinere befestigte Herrenhöfe die bevorzugte Siedlungsform. Auch was die Grabbeigaben betraf, unterschieden sich Ost- und Westhallstattkreis. Nahmen wichtige Persönlichkeiten im Westen Schwert und Dolch mit auf die letzte Reise, wurde diese im Osten im Gebiet von Oberbayern bis Slowenien mit kompletter Bewaffnung inklusive Helm und Brustpanzer angetreten.
Die Späte Hallstattzeit: Fürstengräber als Zeugnisse einer vergangenen Kultur
Ein Merkmal der späten Hallstattzeit (ca. 650 v. Chr. bis 475 v. Chr.) sind die oft prunkvoll gestalteten Fürstengräber, von denen sich die bekanntesten in Hochdorf an der Enz (nordwestlich von Stuttgart), bei Villingen-Schwenningen (Magdalenenberg) und in Vix (Burgund) befinden. Bei den Fürstengräbern handelt es sich um reich ausgestattete Hügelgräber (Tumulus), die mit Steinen oder Stielen gekennzeichnet waren. Die Grabkammern sind aus Holz gezimmert und von Steinpackungen gestützt. Zudem geben sie aufgrund der zahlreichen Funde vielfältige Informationen über die Kultur der Kelten der Hallstattkultur, aber auch über deren Handelsbeziehungen, die weitreichende Kontakte in den Süden bezeugen. Besonders intensiv waren sie zum etruskischen und später zum griechischen Kulturkreis, insbesondere zur hellenischen Kolonie Massilia, dem heutigen Marseille. Dies lässt auch darauf schließen, dass der Bevölkerung entlang der Rhone und der Saône eine Schlüsselposition bei der Entwicklung der mitteleuropäischen Hallstatt-Kultur zukommt. Die Fürstengräber sind die letzte Ruhestätte jener Mitglieder der hallstättischen Gesellschaft, die eine hohe soziale Stellung innehatten.
Als typische Grabbeigaben dieser Zeit gelten lange Eisen- oder Bronzeschwerter sowie Lanzen und Pferdegeschirre. Aber auch Keramik, Bronzegeschirr oder Möbelstücke waren beliebt. Die Toten wurden dabei häufig auf Wagen gebettet. Den davon erhaltenen Überresten verdankt die Nachwelt den größten Teil des heutigen Wissens über die keltische Wagenbaukunst. Zudem wurden in dem im Jahr 1968 entdeckten und 1978/79 untersuchten als Sensationsfund geltenden Fürstengrab in Hochdorf an der Enz die sterblichen Überreste des sogenannten „Keltenfürsten von Hochdorf“ auf einer Art bronzenem Sofa gebettet gefunden. In der späten Hallstattzeit gab es nicht nur prunkvoll ausgestattete Gräber für Männer, sondern auch für Frauen. Zudem wurden ebenfalls zahlreiche Funde in weniger üppig ausgestatteten Hügel- und Flachgräberfeldern gemacht. Zwischen den Hügeln gab es zudem unscheinbare Brandgräber, die der einfachen Bevölkerung als letzte Ruhestätte dienten. Des Weiteren schließen Forscher aus den Fürstengräbern dieser Zeit, dass die Gesellschaft eine mehr oder weniger strukturierte Hierarchie aufwies, an deren Spitze herausragende Persönlichkeiten, die sogenannten Fürsten, standen. Deren Aufgabe war es, sowohl große Bauvorhaben anzuordnen als auch zu überwachen sowie die oft weitverzweigten Kontakte mit anderen Fürsten zu pflegen und den Fernhandel zu kontrollieren.
Die Hallstattzeit wurde schließlich von der Latènezeit, der letzten Blütezeit der keltischen Kultur, abgelöst. Offiziell gilt 450 v. Chr. als Jahr des Übergangs. In Wirklichkeit erfolgte dieser jedoch über mehrere Jahrzehnte.
Fazit: Die Hallstattkultur – Ein Fundament unserer Geschichte
Die Hallstattkultur ist ein faszinierendes Kapitel der europäischen Geschichte. Ihre Entdeckungen, Handelsbeziehungen und sozialen Strukturen haben die Entwicklung Europas nachhaltig beeinflusst. Die beeindruckenden Funde in Hallstatt und anderen Stätten ermöglichen es uns, einen tiefen Einblick in das Leben und die Kultur dieser frühen Kelten zu gewinnen. Eine Reise in die Welt der Hallstattkultur ist eine Reise zu den Wurzeln unserer Zivilisation. Wer sich für Geschichte und Archäologie interessiert, sollte die Gelegenheit nutzen, die Überreste dieser faszinierenden Epoche selbst zu erkunden.