Wann hast du dich das erste Mal intensiv mit deinem Beckenboden auseinandergesetzt? Gehörst du als Läuferin zu denjenigen, die regelmäßig Beckenbodentraining in ihren Trainingsplan integrieren? Oftmals wird der Beckenboden erst dann zum Thema, wenn Probleme auftreten. Beschwerden wie Inkontinenz oder ein Fremdkörpergefühl sind Alarmsignale. Dabei wäre es äußerst sinnvoll, den Beckenboden präventiv und regelmäßig ins Training zu integrieren – für ein beschwerdefreies und dynamisches Laufgefühl. Hier sind 10 Tipps, wie du als Läuferin deinen Beckenboden in den Fokus rücken kannst.
Die Bedeutung des Beckenbodens in verschiedenen Lebensphasen
Der Beckenboden erfährt oft besondere Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. Doch seine Bedeutung reicht weit darüber hinaus. Erfahre hier, warum der Beckenboden in allen Lebensphasen wichtig ist:
Die vielfältigen Funktionen des Beckenbodens im Alltag und beim Sport:
- Kontinenzsicherung: Zuverlässige Kontrolle über Stuhlgang und Urinabgabe.
- Stütze der Bauchorgane: Unterstützung der Organe im Bauchraum, in der Schwangerschaft zusätzlich von Gebärmutter, Baby und Plazenta.
- Reaktion auf Druckveränderungen: Automatische Anspannung bei Bedarf, z.B. beim Joggen, Husten oder Niesen.
- Einfluss auf die Körperhaltung: Der Beckenboden bildet die Grundlage für unsere Körpermitte und ist mit Bauch-, Rücken- und Beinmuskulatur verbunden.
- Sexualempfinden: Ein gut trainierter Beckenboden kann die Empfindsamkeit beim Sex positiv beeinflussen (Kraft und Entspannungsfähigkeit).
Beim Joggen spielen vor allem die ersten vier Funktionen eine entscheidende Rolle. Idealerweise schwingt der Beckenboden beim Laufen automatisch mit und bereitet weder während noch nach dem Laufen Probleme im Alltag.
Joggen ist eine sogenannte “High-Impact”-Sportart. Die Bodenreaktionskräfte belasten den Bewegungsapparat und insbesondere die Körpermitte. Eine aktuelle Studie von Bérubé & McLean (2024) zeigt, dass Laufen die passiven Strukturen des Beckenbodens belastet, sowohl bei Frauen mit als auch ohne Belastungsinkontinenz. Weitere Forschung ist notwendig, um die langfristigen Auswirkungen von regelmäßigem Laufen auf den Beckenboden umfassend zu verstehen.
Der Beckenboden bei jungen Sportlerinnen
Durch den erhöhten Druck im Bauchraum bei High-Impact-Sportarten kann es zu Inkontinenz kommen. Oft wird vergessen, dass auch Sportlerinnen betroffen sein können, die noch keine Schwangerschaft oder Geburt hatten (sogenannte “nullipare” Sportlerinnen). Ein Übersichtsartikel zeigt beispielsweise, dass die Belastungsinkontinenz bei jungen Sportlerinnen zugenommen hat und häufiger bei Volleyballspielerinnen und Langstreckenläuferinnen auftritt (Joseph et al. 2021).
Es ist wichtig, junge Sportlerinnen über diese Risiken zu informieren und bei Beschwerden an eine Fachperson zu verweisen. Gleichzeitig sollten ihnen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie ein Beckenbodentraining aussehen und in ihre Sportart integriert werden kann.
Denke daran: Bereits ab dem 30. Lebensjahr nimmt unsere Muskelmasse ab – auch im Beckenboden! Also: Use it or lose it!
Der Beckenboden in Schwangerschaft und nach der Geburt
In der Schwangerschaft trägt der Beckenboden zusätzlich die Gebärmutter mit Fruchtwasser, Plazenta und dem wachsenden Baby. Zudem ist er durch physiologische Veränderungen stärker belastet. Bänder und Gewebe werden lockerer, was die Hüftstruktur instabiler macht. Häufig treten Probleme wie Inkontinenz, Senkungsgefühle, Symphysenbeschwerden und Rückenschmerzen auf. Wenn eine Frau bereits während der Schwangerschaft unter Inkontinenz leidet, steigt das Risiko, dass sie auch im Alter davon betroffen ist (Siahkal 2020). Etwa ein Drittel der Frauen leidet in der Schwangerschaft und bis zu drei Monate nach der Geburt unter Harninkontinenz. Daher ist es wichtig, den Beckenboden bereits in der Schwangerschaft präventiv zu trainieren.
Guide für sicheres Training in der Schwangerschaft 2
Neben der Schwangerschaft stellt auch die vaginale Geburt eine Belastung für den Beckenboden dar. Probleme wie Inkontinenz, Senkungsbeschwerden, Symphysenbeschwerden oder Beckenbodenschmerzen beim Geschlechtsverkehr können auch lange nach dem Rückbildungstraining auftreten.
Der Beckenboden in der Prämenopause, Perimenopause und Menopause
Hormonelle Veränderungen können bereits in der Prämenopause (ab Ende 30) verschiedene Symptome hervorrufen. Etwa 50 % der Frauen sind während der Postmenopause von Inkontinenz betroffen. Der Östrogenmangel beeinflusst das Bindegewebe, welches dadurch an Festigkeit verliert. Nicht immer ist jedoch eine Beckenbodenschwäche die Ursache für Inkontinenz, weshalb eine frühzeitige individuelle Abklärung notwendig ist.
Diese Ausführungen verdeutlichen, wie wichtig Joggen Gut Für Beckenboden Training in allen Lebensphasen einer Frau ist. Präventiv, um die Körpermitte auf die Laufbelastung vorzubereiten, beschwerdefrei zu joggen und dynamischer zu laufen.
Was tun bei Beckenbodenbeschwerden beim Joggen?
Bedeuten Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden das endgültige Aus für das Laufen? DEFINITIV NEIN! Verbote sind kontraproduktiv. Wichtig ist, Optionen aufzuzeigen, um Betroffene weiterhin zu sportlichen Aktivitäten zu motivieren.
Symptome sind ein Signal, dass das aktuelle Training zum gegebenen Zeitpunkt wahrscheinlich eine zu hohe Belastung für den Körper darstellt. Die Belastung sollte reduziert und das Training langsam wieder gesteigert werden. Hilfsmittel wie Pessare können hilfreich sein. Bei Beckenbodenbeschwerden ist es ratsam, eine Fachperson (z.B. eine auf Beckenboden spezialisierte Physiotherapeutin) aufzusuchen und sich untersuchen/beraten zu lassen.
Beckenbodentraining allein ist nicht immer die Lösung. Beschwerden sind meist multifaktoriell. Beckenbodentraining, Wissen und angepasstes Alltagsverhalten sind wichtige Puzzleteile im Gesamtbild.
Auch präventiv ist es wichtig, den Beckenboden ins Training und in den Alltag zu integrieren. Denn Beckenbodenbeschwerden können Frauen vom Laufen und anderen sportlichen Aktivitäten abhalten, was die Probleme langfristig verschlimmern kann.
Beckenboden und Joggen: 10 Tipps für ein starkes Team
1. Ganzheitliches Beckenbodentraining: Mehr als nur Anspannen und Loslassen
Modernes Beckenbodentraining ist viel mehr als nur “Anspannen” und macht sogar Spaß – versprochen! Ein ganzheitliches Beckenbodentraining umfasst: Wahrnehmung, Kräftigung, Entspannung, Mobilisierung, Reaktivität, Haltung, Alltagsverhalten, Integration in den Sport und Wissen über den Beckenboden.
Im Zusammenhang mit dem Joggen ist vor allem die reaktive (oder reflektorische) Beckenbodenarbeit wichtig. Sie sorgt dafür, dass unser Beckenboden und das fasziale System elastisch und federnd arbeiten und Druck (z.B. durch High-Impact-Sportarten) gut abfangen können. Wichtig ist ein langsamer und kontrollierter Aufbau: vom Einfachen zum Schwierigen (progressive Belastungssteigerung).
2. Trainiere die Mitspieler des Beckenbodens: Rumpf-, Bein-, Gesäß- und Hüftmuskulatur plus Faszientraining
Der Beckenboden ist faszial mit der Rumpf-, Bein-, Gesäß- und Hüftmuskulatur verbunden. Das können wir in ein Ganzkörpertraining integrieren und so den Beckenboden indirekt trainieren.
Starke Mitte Beckenbodentraining
Auch Faszientraining sollte ins Training integriert werden, da der Beckenboden auch aus Faszien (Bindegewebe) besteht. Der Anteil an Bindegewebe nimmt mit dem Alter zu.
3. Bei den Füßen fängt es an: Fußtraining und Schuhe
Wie viel Beachtung schenkst du deinen Füßen? Aktive, kraftvolle und bewegliche Füße wirken sich positiv auf deine Haltung und auch auf deinen Beckenboden aus. Durch myofasziale Ketten sind die Muskeln im Körper miteinander verbunden. So verläuft beispielsweise die tiefe frontale Linie von der Innenseite des Fußes und Beines nach oben durchs Becken und durch die Wirbelsäule, Rückseite des Brustbeines und Brustkorb weiter zu Hals und Kiefer.
Beckenbodentraining Füsse
Wenn du regelmäßig läufst, investiere in mindestens ein paar gute und vor allem passende Laufschuhe. Den Tipp für DIE passenden Laufschuhe können wir dir nicht geben, das ist nämlich individuell. Weshalb sich ein Gang in ein Fachgeschäft inkl. Laufanalyse lohnt. Wenn du 3 Lauftrainings pro Woche machst, kann ein zweites paar Laufschuhe deinen Füßen mehr Abwechslung bieten.
4. Balance: Dein Beckenbodentraining im Alltag
Beim Laufen bist du immer nur mit einem (zwischendurch mit keinem) Fuß auf dem Boden. Das braucht eine gute Stabilität. Die kannst du auch im Alltag mit Balanceübungen trainieren. Durch Instabilität beim Balancieren forderst du deine Bauch-, Rücken- und Beinmuskeln heraus. Die sind faszial mit dem Beckenboden verknüpft und somit trainierst du auch den Beckenboden mit.
Hier sind drei Ideen für eine Balanceübung:
- Einbeinstand zwischendurch im Alltag (z.B. beim Kochen, Warten), erschweren: Blick nach oben, Augen schließen
- Flieger
- einen Schritt nach vorne / zur Seite / nach hinten springen, auffangen und ausbalancieren
5. Wärme dich vor dem Joggen auf: Dein Beckenboden freut sich
Endlich hast du ein Zeitfenster für ein Lauftraining und willst dieses voll auskosten. Also möglichst schnell in die Laufschuhe und direkt loslaufen. ABER: In 5 Minuten kannst du dich aufwärmen und du wirst bestimmt einen Unterschied beim Lauftraining wahrnehmen. Es läuft sich runder und du bist gut aufgerichtet, was sich ebenfalls positiv auf deine Körpermitte auswirkt.
Tipp: Walke zu Beginn ein paar Minuten und rolle aktiv über deine Fußballen ab oder mache ein Warm-up, bevor du losläufst.
6. Beckenboden während dem Laufen: Achte auf deinen Laufstil
Aus Angst vor den Impacts auf den Beckenboden und beispielsweise einer Inkontinenz oder Senkungsbeschwerden spannst du während dem Laufen deinen Beckenboden dauernd an. Aber der Beckenboden arbeitet beim Joggen reflexiv (=reflektorisch), um den Impact abzufangen. Bei einem gesunden, funktionellen Beckenboden passiert das automatisch (unbewusster unwillkürlicher Reflex).
Laufen ist eine dynamische Bewegung. Da kannst du nicht bewusst und willentlich deinen Beckenboden anspannen vor jedem Schritt oder ihn “dauerspannen”. Wenn du das machst, nimmst du ihm die Elastizität und er kann die Aufprallbewegung nicht reflexiv auffangen. Viel eher führt das zu Verspannungen bei der Beckenbodenmuskulatur, was weitere Probleme verursachen kann.
Spanne deinen Beckenboden nicht an während dem Joggen. Richte dich viel eher bewusst auf und denke dich zwischendurch in die Länge, dann hast du automatisch eine Aktivierung in der Körpermitte. Arbeite an deinem Laufstil. Bereite deinen Körper – besonders auch deine Körpermitte (Beckenboden) – auf die Laufbelastung vor (z.B. reflektorisches Beckenbodentraining).
Laufstil Beckenboden
7. Variiere: mit dem Gelände, mit der Geschwindigkeit, mit der Steigung
Variation beeinflusst nicht nur deine Laufleistung, sondern auch deine Körpermitte freut sich darüber. Stell dir vor, du läufst 10 Kilometer im gleichen Tempo über eine Asphaltstraße versus du variierst zum Beispiel mit dem Tempo oder du läufst auf einem welligen Kurs oder du läufst über einen Waldboden / über eine Wiese? Vielleicht hilft es auch, eine Strecke aufwärts zu joggen und dann abwärts zu gehen. In der Steigung wirken weniger Kräfte auf den Körper als beim runter joggen. Probiere aus. Was fühlt sich für deine Körpermitte besonders gut an?
8. Unterschätze nicht die Entspannung des Beckenbodens
Nur ein Muskel, der die Fähigkeit besitzt zu entspannen, kann seine volle Kraft ausschöpfen. Beim Beckenboden wird die Hebebewegung nur wahrgenommen, wenn er auch entspannen kann. Wenn er nicht loslassen kann, fehlt der Weg nach unten und es kann gar nicht oder nur erschwert angespannt werden.
Per se hat der Beckenboden im Stand schon eine gewisse Grundspannung (ohne das wir ihn bewusst anspannen!). Beim Joggen arbeitet der Beckenboden mehr durch die intraabdominelle Druckerhöhung und durch die Laufbelastung. Laufen ist eine High Impact Sportart und durch die Bodenreaktionskraft gibt es eine Belastung für den Bewegungsapparat und besonders auch für die Körpermitte (Bérubé & McLean, 2024). Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, nach einem Lauftraining bewusst einmal loszulassen. Das kann zum Beispiel die Childpose sein oder auch einfach die Füße entlang der Wand ausstrecken (Umkehrhaltung).
9. Trainiere mit deinem Zyklus
Hormonelle Veränderungen prägen den Zyklus, was sich auf die Stimmung und unser Energielevel auswirken kann. Womöglich werden auch Veränderungen in der Körpermitte wahrgenommen. Vielleicht tauchen Beckenbodenbeschwerden nur an gewissen Zyklustagen auf?
Wichtig ist hier zu betonen, dass Hormonschwankungen während des Zyklus von jeder Frau anders wahrgenommen werden, weshalb allgemeine Empfehlungen keinen Sinn machen. Was aber durchaus Sinn macht: Für sich im Zyklusverlauf notieren, wann eben zum Beispiel Beschwerden auftauchen und wie individuell das Training angepasst werden kann.
10. Pro Lauftraining ein Beckenbodentraining
Wie wärs mit einer neuen Trainingsroutine? Pro Lauftraining, welches du machst, machst du etwas für deine Körpermitte? Wie du inzwischen erfahren hast, muss das ja nicht ein langweiliges Beckenbodentraining sein, sondern kann z.B. ein Ganzkörperworkout mit Fokus auf die Mitspieler des Beckenbodens sein oder eine Entspannungssequenz nach dem Laufen. Oder du baust zum Beispiel ein paar Fuß- oder Balanceübungen in den Alltag ein? Und denk daran: Fünf Minuten sind besser als gar nichts. Dein Training wird dadurch vielseitiger und du wirst es bestimmt auch beim Joggen spüren.
Vielleicht fühlt es sich lockerer und dynamischer an?
Fazit: Integriere diese Tipps in deinen Trainingsalltag und du wirst feststellen, wie positiv sich ein starker Beckenboden auf dein Laufvergnügen auswirkt. Laufe dynamischer, beschwerdefreier und mit mehr Selbstvertrauen!
Quellen
Bérubé M-E & McLean L: The acute effects of running on pelvic floor morphology and function in runners with and without running-induced stress urinary incontinence, 2024
Colenso-Semple LM, D’Souza A, Elliott-Sale K, Phillips SM: Current evidence shows no influence of women’s menstrual cycle phase on acute strength performance or adaptations to resistance exercise training, 2023
De Liz S., Woman on Fire – Alles über die fabelhaften Wechseljahre, 2023
Hagovska M, Svihra J, Bukova A, Horbacz A, Svihrova V. The impact of physical activity measured by the International Physical Activity questionnaire on the prevalence of stress urinary incontinence in young women. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol, 2018
Joseph C, Srivastava K, Ochuba O, Ruo SW, Alkayyali T, Sandhu JK, et al. Stress urinary incontinence among young nulliparous female athletes. Cureus. 2021;13(9):e17986.
James M, Moore I, Donnelly G et al.: Running During Pregnancy and Postpartum, Part A: Why Do WomenStop Running During Pregnancy and Not Return to Running in the Postpartum Period? 2022
Siahkal SF, Iravani M, Mohaghegh Z, et al.: Maternal, obstetrical and neonatal risk factors’ impact on female urinary incontinence: a systematic review. Int Urogynecol J, 2020
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