In kaum einem anderen Land ist die Assoziation von „normalem Kaffee“ mit Filterkaffee so tief verwurzelt wie in Deutschland. Melitta Benz und die Tradition des morgendlichen Kaffeekännchens haben Generationen geprägt. Doch mit dem Aufkommen des Kaffeevollautomaten stellt sich für viele die Frage: Kann mein hochmodernes Gerät eigentlich auch diesen geliebten Filterkaffee zubereiten? Die Antwort ist überraschend einfach und doch komplex: Ein Kaffeevollautomat brüht keinen traditionellen Filterkaffee im herkömmlichen Sinne. Wenn Sie einen Einblick in die Welt der Kaffeevollautomaten erhalten möchten, könnte unser Kaffeevollautomaten Test 2022 Ihnen bereits erste Orientierung bieten.
Als Experten für alles rund um Kaffee tauchen wir tief in dieses Thema ein. Wir erklären Ihnen nicht nur, warum Kaffeevollautomaten und Filterkaffee zwei grundsätzlich verschiedene Konzepte sind, sondern zeigen Ihnen auch, welche Möglichkeiten Sie haben, einen möglichst ähnlichen Kaffeegenuss aus Ihrem Vollautomaten zu zaubern. Unser Ziel ist es, Ihnen eine fundierte Entscheidungshilfe zu geben, die weit über das Marketingversprechen der Hersteller hinausgeht.
Warum ein Kaffeevollautomat keinen echten Filterkaffee brühen kann
Die deutsche Kaffeekultur ist historisch eng mit dem Filterkaffee verbunden. Wir sind es gewohnt, gemahlenes Kaffeepulver in einen Papierfilter zu geben, Wasser durchlaufen zu lassen und zehn Minuten später eine ganze Kanne aromatischen Kaffees zu genießen. Diese Einfachheit und die daraus resultierende Geschmackscharakteristik haben sich tief in unser kollektives Kaffeegedächtnis eingebrannt.
Als der Kaffeevollautomat seinen Siegeszug in deutsche Küchen antrat, erwarteten viele Konsumenten intuitiv, dass diese „vollautomatische“ Maschine auch die Zubereitung des geliebten Filterkaffees meistern würde – zumal sie in der Anschaffung oft deutlich teurer ist als eine simple Filterkaffeemaschine. Auch die Marketingstrategien der Hersteller tragen ihren Teil dazu bei. Begriffe wie „Kannenfunktion“ oder Getränkenamen wie „Kaffee“ im Menü eines Vollautomaten suggerieren eine Nähe zum Filterkaffee, die in der Realität nicht gegeben ist. Spätestens beim ersten Probieren des „Kaffees“ aus dem Vollautomaten macht sich oft eine gewisse Enttäuschung breit. Der Geschmack ist anders, die Menge pro Bezug meist geringer, und der Prozess kann sich für ein schnelles Kännchen als aufwendiger erweisen. Selbst bei Modellen wie dem DeLonghi ECAM 22.105 B Test zeigt sich, dass die Kerntechnologie auf Espresso und nicht auf Filterkaffee ausgelegt ist.
Die Prinzipien im Detail: Filterkaffee vs. Kaffeevollautomat
Um zu verstehen, warum ein Kaffeevollautomat keinen echten Filterkaffee liefert, muss man die grundlegenden Zubereitungsprinzipien beider Methoden kennen. Es sind zwei Welten mit einem gemeinsamen Ziel: eine gute Tasse Kaffee.
Die Magie des Filterkaffees
Filterkaffee entsteht durch eine langsame Extraktion. Frische Kaffeebohnen werden mit einem mittleren Mahlgrad locker in einen Papier- oder Stofffilter gegeben. Heißes Wasser läuft dann über einen Zeitraum von etwa drei Minuten langsam hindurch. Diese gemächliche Prozessdauer ermöglicht es den Kaffeebohnen, alle entscheidenden Aromenstoffe freizugeben. Der Filter spielt dabei eine entscheidende Rolle, indem er Kaffeeöle und stärkere Aromenbestandteile zurückhält. Das Ergebnis ist ein klarer, oft sehr weicher und facettenreicher Kaffee, bei dem auch feinere, blumige Nuancen zur Geltung kommen können. Er ist ideal für den Genuss in größeren Mengen.
Die Power des Vollautomaten
Ein Kaffeevollautomat hingegen arbeitet mit einem völlig anderen Ansatz, der auf der Espressotechnik basiert. Hier wird frisch gemahlener Kaffee mit einem sehr feinen Mahlgrad in eine Brühgruppe gepresst und verdichtet. Anschließend wird das Kaffeepulver unter hohem Druck mit heißem Wasser „beschossen“. Dieser Prozess dauert je nach Füllmenge kaum 40 Sekunden.
Dieses direkte und druckintensive Prinzip ist für die typische Aroma-Intensität eines Espressos verantwortlich. Kaffeeöle sind hier ein elementarer Bestandteil des Geschmacks und Mundgefühls, Bitterstoffe und Röstaromen ebenso. Ein Espresso ist von Natur aus nicht dafür konzipiert, ihn einfach mit viel Wasser zu „verlängern“. Der feine Mahlgrad schafft eine wesentlich größere Oberfläche des Kaffeepulvers. Kommt dieses zu lange mit Wasser in Kontakt (wie es bei einer zu langen „Verlängerung“ im Vollautomaten der Fall wäre), gerät die Extraktion schnell in Schieflage, was zu Überextraktion und einem bitteren oder wässrigen Geschmack führen kann.
Manche höherwertige Geräte, wie der Jura Z10 mit seiner „Cold Brew-Funktion“, versuchen durch reduzierte Druckanwendung eine Brücke zu schlagen, doch dies ist eine Gratwanderung. Zwischen einer geringfügig größeren Wassermenge und einer wässrigen Lösung liegt eine schmale Grenze, die nicht jeder Kaffeevollautomat beherrscht. Da bei diesem Verfahren keinerlei Filter zum Einsatz kommt, schmeckt man einem „normalen Kaffee“ aus dem Vollautomaten immer an, dass er aus einem Vollautomaten stammt.
Jura Z10 Kaffeevollautomat fertig mit kaltem Kaffee
Vor- und Nachteile: Welcher Kaffeetyp sind Sie?
Ob der „Filterkaffee“ aus dem Vollautomaten gut oder schlecht ist, hängt maßgeblich von der individuellen Erwartungshaltung ab. Beide Zubereitungsarten haben ihre Berechtigung und ihre treuen Anhänger.
Klassischer Filterkaffee, sei es aus einer herkömmlichen Filterkaffeemaschine oder gar aus dem Handfilter, lässt sich meist hervorragend in größeren Mengen genießen. Er ist weich, angenehm facettenreich und rund im Geschmack. Kaffee aus dem Vollautomaten hingegen ist im Kern dichter und intensiver. Er fühlt sich im Mund anders an und kommt oft mit einer mehr oder minder dicken Crema daher – einem Merkmal, das fälschlicherweise oft als Qualitätsindikator für gelungenen Espresso angesehen wird.
Diese beiden Geschmackswelten sind nicht beliebig austauschbar. Auch auf funktioneller Ebene stehen sich Vollautomaten und Kaffeemaschinen direkt gegenüber und bestimmen, welcher Maschinentyp zu Ihnen passt.
Kaffeemaschinen
Vorteile
- Kosteneffizienz: Selbst Luxusausführungen sind im Vergleich zu Kaffeevollautomaten eher günstig in der Anschaffung. Ein Test Kaffeemaschine mit abnehmbarem Wassertank und Thermoskanne kann hier beispielsweise aufzeigen, dass qualitativ hochwertige Geräte nicht teuer sein müssen.
- Platzbedarf & Bedienung: Benötigen kaum Platz und sind kinderleicht zu bedienen, selbst für Anfänger.
- Menge: Können große Mengen Kaffee auf einmal brühen, solange Wasser im Tank ist.
- Geräuschpegel & Reinigung: Sind leise im Betrieb und in der Regel einfach zu reinigen.
- Geschmack: Bereiten mit etwas Geschick sehr vielschichtige und nuancierte Getränke zu.
- Autonomie: Arbeiten mit nur einem Knopfdruck weitestgehend selbstständig.
Nachteile
- Spezialisierung: Können ausschließlich Filterkaffee zubereiten.
- Einstellmöglichkeiten: Bieten keine bis sehr wenige Einstellungsmöglichkeiten für die Kaffeezubereitung.
- Zusatzgeräte: Benötigen eine separate Kaffeemühle (Ausnahme: Kaffeemaschinen mit integriertem Mahlwerk).
- Verbrauchsmaterial: Erfordern den regelmäßigen Kauf von Filtern.
Kaffeevollautomaten
Vorteile
- Getränkevielfalt: Bieten (fast) die gesamte Palette an Kaffeespezialitäten (Espresso, Cappuccino, Latte Macchiato etc.) auf Knopfdruck.
- Komfort: Nehmen Ihnen sämtliche elementaren Handgriffe der aufwendigen Kaffeezubereitung ab.
- Spezialitäten: Können Milchschaum, Sirup, kalten Kaffee und vieles mehr zubereiten.
- Individualisierung: Erlauben die Personalisierung und Speicherung eigener Kaffeerezepte.
- Experimentierfreude: Laden zum Ausprobieren verschiedener Bohnen und Einstellungen ein.
Nachteile
- Filtermangel: Können alles außer echten Filterkaffee.
- Wartungsintensiv: Sind aufmerksamkeitsbedürftiger als so manches Haustier in Bezug auf Reinigung und Pflege.
- Kosten: Sind erst ab rund 300 Euro (für empfehlenswerte Modelle) aufwärts erhältlich.
- Geräuschpegel & Reinigung: Können laut sein und sind immer aufwendiger zu reinigen als Filterkaffeemaschinen.
Den Filtermangel überlisten: „Filterkaffee-ähnliche“ Getränke aus dem Vollautomaten
Wenn es Ihnen eher um die Menge als um die spezifische Aroma-Intensität von typischem Filterkaffee geht, bietet ein Vollautomat dennoch mehrere Möglichkeiten, dem Filtermangel zumindest teilweise entgegenzuwirken. Je nach Modell, Marke und Preisklasse stellen die Hersteller verschiedene „Langversionen“ von Kaffeegetränken zur Verfügung, die Ihnen eine größere Kaffeeportion ermöglichen:
- Caffè Lungo, Long Coffee oder Espresso Lungo: Ein Espresso, der mit einer größeren Wassermenge zubereitet wird. Das Wasser läuft länger durch den Puck, was die Extraktion verlängert.
- Americano: Ein einfacher oder doppelter Espressoshot, der anschließend mit heißem Wasser verlängert wird. Hierbei wird der Espresso quasi verdünnt, was ihn milder und filterkaffeeähnlicher macht.
- Kaffee Crema: Dies ist oft der Vollautomaten-Sprech für einen Lungo mit noch mehr Wasser, dessen genaue Menge oft individuell einstellbar ist.
- Kaffeekanne oder Kännchen-Funktion: Bei dieser Funktion brüht der Vollautomat mehrere Lungos oder Kaffee Cremas direkt hintereinander in eine Kanne, jeweils mit einem neuen Mahlvorgang.
Interessanterweise behaupten professionelle WMF Kaffeevollautomaten als bisher einzige Geräte auf dem Gewerbemarkt, echten Filterkaffee zubereiten zu können. Die Funktion heißt Fresh Filtered Coffee – die genaue technische Funktionsweise bleibt jedoch im Detail unklar, da auf Produktbildern kein separater Filtermechanismus sichtbar ist. Dies zeigt, wie stark die Assoziation mit Filterkaffee in Deutschland ist.
Alle anderen Marken vermeiden das Wort „Filter“, verwenden aber geschickt alle anderen Begriffe, die wir mit Filterkaffee verbinden. Wenn wir über den fehlenden Filter hinwegsehen, gibt es mehr als einen Vollautomaten, der einen gelungenen schwarzen Kaffee hinbekommt. Modelle wie der Siemens EQ.6 plus s700 extraKlasse sind bekannt für ihre vielfältigen Getränkeoptionen, die auch längere Kaffeevarianten umfassen. Letztendlich kommt es aber maßgeblich darauf an, welche Kaffeebohnen Sie verwenden. Eine optimierte Bohnenwahl kann hier Wunder wirken.
Optimale Einstellungen für Ihren „Filterkaffee“ aus dem Vollautomaten
Es gibt einen guten Grund, warum in vielen Empfehlungslisten für „Filterkaffee-ähnliche“ Getränke oft höherpreisige Kaffeevollautomaten auftauchen. Einsteigermodelle wie der DeLonghi Magnifica S bekommen die Verlängerung von Espresso zu Kaffee selbst mit den besten Bohnen oft nur halbherzig hin, da weniger präzise Technik und schwächere Pumpen zu einem wässrigeren Ergebnis führen können.
DeLonghi ECAM 22110B Espresso und Kaffeebohnen
Dennoch können Sie bei jedem Kaffeevollautomaten durch gezielte Einstellungen viel dazu beitragen, dass Ihr Vollautomaten-Kaffee dem Vergleich mit „richtigem“ Filterkaffee standhält. Setzen Sie dabei auf die folgenden vier grundlegenden Parameter:
- Mahlgrad: Behalten Sie stets dieselbe feine Einstellung wie für Espresso bei. Ein gröberer Mahlgrad würde bei der kurzen Kontaktzeit von Kaffeepulver und Wasser im Vollautomaten lediglich zu noch mehr Wässrigkeit führen und die Extraktion beeinträchtigen.
- Wassermenge: Experimentieren Sie mit der Füllmenge. Bei den meisten Vollautomaten finden Sie mit etwa 120 Millilitern eine gute Mischung aus Dichte und Länge. Bei Modellen ohne Milliliter-Angabe, wie dem Melitta Latticia, kann eine Einstellung auf Stufe 2,5 ein guter Startpunkt sein. Beim WMF Perfection könnten 100 Milliliter die bessere Wahl sein. Finden Sie durch Ausprobieren Ihre persönliche Ideallinie.
- Temperatur: Heißes Wasser ist heißer als heißer Kaffee. Damit das Verhältnis stimmt und Sie sich beim Trinken nicht sofort die Zunge verbrennen, stellen Sie die Temperatur stets mindestens eine Stufe niedriger als für Espresso ein. Dies ist insbesondere bei Gaggia Kaffeevollautomaten, die in Sachen Brühtemperatur derzeit Spitzenreiter sind, empfehlenswert.
- Bohnen: Damit aus Ihren Kaffeebohnen sowohl ein dichter Espresso als auch ein dichter Kaffee kommen kann, sollten Sie weder eine zu dunkle noch eine zu helle Röstung verwenden. Setzen Sie auf Varianten mit einem vielseitigen Süßnoten-Profil. Solche Bohnen vertragen es gut, wenn sie verlängert oder „in die Breite gewalzt“ werden, ohne ihren Charakter zu verlieren. Zu starke Bitternoten oder zu fruchtige Elemente sind hier eher fehl am Platz und würden das Ergebnis schnell verderben. Auch die Qualität der Bohnen von einem Discounter wie einer Kaffeemaschine von Kaufland kann einen deutlichen Unterschied machen, wenn Sie diese mit hochwertigeren Röstungen vergleichen.
Kaffeevollautomat vs. Filterkaffeemaschinen: Was heißt bei Kaffee schon normal?
Auf den ersten Blick mögen Filterkaffeemaschinen im Vergleich zu den Alleskönnern aus unserem Kaffeevollautomaten Test kaum wie Konkurrenz wirken: Vollautomaten können fast alles, Filterkaffeemaschinen nur eines. Doch genau dieses eine Ding ist etwas Besonderes: Guter Filterkaffee in größeren Mengen, ganz ohne komplizierte Technik oder teure Anschaffung, ist mindestens genauso genussvoll wie ein perfekt geschichteter Latte Macchiato.
Daher sollten Sie nicht reflexartig einen Kaffeevollautomaten kaufen, sondern Ihre individuellen Ansprüche und Trinkgewohnheiten genau abwägen. Oft stellt sich heraus, dass eine einfache Philips Gaia Kaffeemaschine für rund 60 Euro und ein Philips Kaffeevollautomat für mehrere hundert Euro in Bezug auf das gewünschte Endergebnis nicht in Konkurrenz stehen, sondern unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen. Am Ende zählt nur, was Sie persönlich von Ihrem Kaffee erwarten. Solange dies nicht die miserable Emerio CME-122933 ist, steht einem guten Kaffeeerlebnis nichts im Wege!
Was bevorzugen Sie? Verraten Sie uns in den Kommentaren, ob Sie eher Team Vollautomat oder Team Filterkaffeemaschine sind!
