„Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ – mit diesem klassischen Zitat leitete Nicholas Kaufmann, Leiter der Kulturfilmabteilung der Ufa, eine Festschrift ein, die anlässlich des 25-jährigen Bestehens seiner Abteilung veröffentlicht wurde. Die Arbeit der Abteilung begann in den letzten Monaten des Ersten Weltkriegs, und bereits im Frühjahr 1919 umfasste ihr Katalog 87 Kulturfilme – ein spezifisch deutsches Filmgenre, das eng mit dem heutigen Dokumentarfilm verwandt ist. Das Vorwort betonte: „Die Wunden des Krieges können nur geheilt werden, wenn wir uns den Aufgaben der Menschheit widmen.“ Diese frühen Filme befassten sich mit vielfältigen Themen, darunter auch kriegsbedingte Gesundheitsprobleme, die durch jahrelange Unterernährung und sexuell übertragbare Krankheiten entstanden waren.
Der Kulturfilm im Dienste der Wissenschaft und Medizin
Von Anfang an arbeitete die Kulturfilmabteilung eng mit Universitäts- und Klinikärzten zusammen. Viele ihrer Produktionen waren als Lehrfilme für die medizinische Ausbildung konzipiert. Geburtsschmerzen, Blinddarmoperationen, bakteriologische Experimente und chirurgische Eingriffe – die Ufa zeigte all dies detailliert. Ihre Techniker entwickelten sogar eine spezielle Ausrüstung und installierten diese in einem Berliner Krankenhaus: eine Kamera, die direkt über dem Operationstisch aufgehängt war und von Chirurgen über einen Fußschalter bedient werden konnte, wobei aseptische Bedingungen stets gewährleistet waren. Während der Film als Kunstform noch umstritten war, wurde er als valides wissenschaftliches Werkzeug sofort angenommen. Seltene Krankheiten und komplizierte Behandlungsmethoden konnten nun auf Zelluloid dokumentiert werden. Nach nur fünf Jahren umfasste das medizinische Filmarchiv der Ufa-Kulturabteilung bereits 135 Lehrfilme und wurde systematisch erweitert. Dieses Geschäftsfeld war zudem kommerziell äußerst erfolgreich: Die Ufa kooperierte mit öffentlichen Behörden und war auf internationalen medizinischen Konferenzen präsent, verkaufte ihre Kulturfilme an Universitäten im In- und Ausland, wo sie in die Lehrpläne integriert wurden.
Historisches Bild aus dem Kulturfilm "Wege zu Kraft und Schönheit" von 1926
Vom Klassenzimmer ins Kino: Kulturfilm in Bildung und Unterhaltung
Umfassendere Werbemaßnahmen waren erforderlich, um den Kulturfilm auch in Schulen zu etablieren. Ufa-Vertreter reisten quer durch das Land, veranstalteten Vorführungen mit Musterfilmen für Gymnasiallehrer, Schulleiter und städtische Würdenträger. Die Ufa präsentierte ihre Filme sogar der Weimarer Nationalversammlung und konnte schließlich die Politik überzeugen: Eine damalige Verordnung sah vor, dass Kinobetreiber bei der Vorführung von Kulturfilmen einer speziellen Qualitätsstufe Steuervorteile erhielten. Populärwissenschaftliche Adaptionen dieser Schul- und Lehrfilme, die im Kulturfilmstudio in Berlin-Steglitz produziert wurden, ergänzten bald die Hauptfilme in den Kinoprogrammen. Tier-, Natur- und Reisefilme dominierten dabei, und der erste Film dieser Art war „Der Hirschkäfer“, der 1921 im Tauentzien-Palast, einem der Ufa-eigenen Kinos, Premiere feierte.
Drei Jahre später wagte die Ufa das ehrgeizigere Projekt, einen abendfüllenden Kulturfilm zu produzieren. Das Experiment erwies sich als Erfolg, und Filme wie „Wein, Weib, Gesang“ (1924), der sich dem Weinanbau und der Weinherstellung widmete, und „Des Menschen Freund“ (1924), über Hunderassen und Hundezucht, zogen das Publikum in die Kinos. Der Film, der alle Kassenerfolge übertraf, war „Wege zu Kraft und Schönheit“, der 1925 Premiere feierte und eine „moderne Körperkultur“ propagierte. Die Produktion knüpfte bewusst an die Vergangenheit an und zeigte Szenen sportlicher Spiele, die an das kulturelle Ideal der klassischen Antike und die Harmonie zwischen (dem nackten) Körper und Geist erinnerten. Beide Prinzipien wurden als Teil eines stereotypen Schönheitsideals dargestellt. Nicholas Kaufmann, der den Film gemeinsam mit Wilhelm Prager inszenierte, erklärte, die Produktion basiere auf der „klaren Erkenntnis, dass das deutsche Volk nach der Auflösung des Heeres gute Gründe hat, den Verlust der wertvollen Ausbildung der männlichen Jugend im Militärdienst auszugleichen – und darüber hinaus die weibliche Jugend durch ideale Bilder einer starken, schönen Menschheit zu körperlicher Ertüchtigung anzuregen.“
Fazit: Das vielseitige Erbe des Kulturfilms
Der Kulturfilm spielte eine entscheidende Rolle in der deutschen Filmgeschichte und darüber hinaus. Von seinen Anfängen als Mittel zur Bewältigung der Nachkriegsfolgen über seine Etablierung in Wissenschaft und Bildung bis hin zu seinem Erfolg im populären Kino – die Ufa-Kulturfilmabteilung schuf ein Genre, das nicht nur informierte und bildete, sondern auch die kulturellen und gesellschaftlichen Diskurse der Weimarer Republik widerspiegelte und prägte. Seine Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Film als vielseitiges Medium genutzt werden kann, um Wissen zu vermitteln, zur Volksbildung beizutragen und gleichzeitig das Publikum zu unterhalten und zu inspirieren. Entdecken Sie die faszinierende Welt des Kulturfilms und tauchen Sie ein in ein Stück lebendige deutsche Kultur- und Filmgeschichte!
