Die Planung für das Alter und die Absicherung der Liebsten sind zentrale Anliegen vieler Menschen in Deutschland. Dabei spielt die Lebenslange Todesfallversicherung eine wichtige Rolle, um finanzielle Sicherheit im Todesfall zu gewährleisten. Doch gerade bei steigendem Pflegebedarf und dem Bezug von Sozialleistungen kann diese Form der Vorsorge unerwartete rechtliche Komplikationen mit sich bringen. Ein jüngstes Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg beleuchtet die Fallstricke und zeigt auf, wann eine Todesfallversicherung als verwertbares Vermögen im Sinne des Sozialrechts gilt und wann nicht. Dieses Thema ist für viele Bürgerinnen und Bürger von großer Bedeutung, um die eigene Altersvorsorge korrekt zu gestalten.
Der Fall vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg
Am 22. Juni 2022 wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung einer Klägerin zurück, die sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Mannheim wehrte. Der Fall drehte sich um die Frage, ob ihre lebenslange Todesfallversicherung als Vermögen angerechnet werden durfte, bevor sie Sozialhilfe für ihre Pflegekosten erhielt.
Die verwitwete Klägerin lebt in einem Heim und ist pflegebedürftig, weshalb sie vollstationär gepflegt wird. Im Jahr 2007 hatte sie eine lebenslange Todesfallversicherung abgeschlossen, die ihre Kinder im Todesfall mit rund 9.000 Euro absichern sollte. Diese Versicherung sah neben Gewinnbeteiligungen und festen Garantiewerten auch eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit vertraglich vereinbarten Rückkaufwerten vor. Die Versicherungssumme stieg mit den laufenden Beitragszahlungen an, die im Grundsatz zeitlich unbegrenzt waren. Auch ihr verstorbener Ehemann verfügte über eine vergleichbare Versicherung, deren Gesamtleistung von etwa 4.000 Euro der Klägerin zugutegekommen wäre. Für beide Versicherungen gab es keine konkrete Zweckbestimmung im Falle einer vorzeitigen Kündigung oder im Todesfall.
Im Jahr 2018 entstanden für die Klägerin Pflegekosten, die nicht vollständig von der Pflegeversicherung gedeckt waren. Ihre Tochter beantragte daraufhin beim zuständigen Sozialamt die Übernahme dieser ungedeckten Kosten als ergänzende Hilfe zur stationären Pflege. Der Beklagte lehnte dies jedoch ab, mit der Begründung, dass die bestehenden Todesfallversicherungen als Vermögen zu berücksichtigen seien.
Justitia-Statue mit verbundenen Augen und Waage symbolisiert Recht und Gerechtigkeit im deutschen Sozialrecht
Die Urteile: Warum die Versicherung als Vermögen galt
Die Klägerin erhob 2019 Klage vor dem Sozialgericht Mannheim, welches die Klage am 10. Dezember 2019 abwies und die Auffassung des Sozialamtes bestätigte. Das Landessozialgericht schloss sich in der Berufung im Wesentlichen den Begründungen der Vorinstanz an und wies die Berufung ebenfalls zurück. Es stellte fest, dass die Todesfallversicherungen als Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) zu berücksichtigen seien.
Vorsorgeverträge vs. Mischcharakter
Grundsätzlich ist anerkannt, dass Vorsorgeverträge, die ausschließlich die Bestattung und Grabpflege absichern sollen, unter den Vermögensschutz des § 90 Abs. 3 SGB XII fallen. Dies bedeutet, dass solche Verträge nicht im Rahmen der Sozialhilfe verwertet werden dürfen und somit geschütztes Vermögen darstellen.
Das SG und das LSG vertraten jedoch die Ansicht, dass die lebenslange Todesfallversicherung der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns nicht unter diese Kategorie fielen. Die Gerichte sahen darin keinen reinen Vorsorgevertrag im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII, sondern attestierten ihnen einen „Mischcharakter“. Das bedeutet, sie dienten nicht nur der Absicherung des Bestattungs- und Grabpflegerisikos, sondern hatten auch einen über diesen Zweck hinausgehenden Charakter des Vermögensaufbaus.
Die Kriterien für den “Mischcharakter”
Dieser „Mischcharakter“ ergab sich aus mehreren Merkmalen der Verträge:
- Jederzeitige Kündigungsmöglichkeit: Die Verträge konnten jederzeit mit Rückkaufwerten beendet werden.
- Fehlende konkrete Zweckbestimmung: Es fehlte eine vertragliche Festlegung, dass die Versicherungsleistung zwingend für die Bestattung zu verwenden sei.
- Unbegrenzte Versicherungssumme: Die Summe war nicht auf die tatsächlichen Bestattungskosten begrenzt, da sie mit den Beitragszahlungen anwuchs.
Aufgrund dieser Merkmale wurde entschieden, dass es keine „besondere Härte“ darstelle, wenn die Klägerin diese Verträge durch Rückkauf erst verwerten müsse, bevor sie Anspruch auf Sozialhilfe erhalte. Für Personen, die eine lebensversicherung mit auszahlung zu lebzeiten in Betracht ziehen, ist es wichtig, die genauen Vertragsbedingungen und deren Implikationen für die Sozialhilfebedürftigkeit zu verstehen.
Wichtige Lehren für Ihre Bestattungsvorsorge
Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg verdeutlicht einmal mehr die Komplexität und die potenziellen Fallstricke der Bestattungsvorsorge, insbesondere in Kombination mit einer lebenslange Todesfallversicherung.
Die Anmerkung von Aeternitas
Aeternitas, eine Verbraucherorganisation im Bestattungsbereich, wies in ihrer Anmerkung zum Urteil darauf hin, dass diese Entscheidung eine spezielle Versicherungsform zum Gegenstand hatte. Sie lässt sich daher nicht ohne Weiteres auf klassische Sterbegeldversicherungen übertragen, die in der Regel eine gleichbleibende Versicherungssumme aufweisen und deren Auszahlung nur im Todesfall vorgesehen ist. Viele Menschen entscheiden sich für eine Sterbegeldversicherung, um ihre Angehörigen im Trauerfall finanziell zu entlasten, ohne dass diese als verwertbares Vermögen angerechnet wird.
So vermeiden Sie die Anrechnung als Vermögen
Um zu vermeiden, dass Verträge zur Bestattungsvorsorge als Vermögen im Rahmen der Sozialhilfe berücksichtigt werden, sollten Betroffene und ihre Angehörigen im Vorfeld sorgfältig darauf achten, dass die festgelegte Zweckbestimmung des Vertrages tatsächlich ausschließlich die Absicherung des Bestattungs- und Grabpflegerisikos ist. Jede Form der Vermögensbildung oder eine zu weitreichende Flexibilität in der Vertragsgestaltung kann dazu führen, dass der Vertrag wie im vorliegenden Fall zunächst aufgelöst und der Rückkaufwert zur Deckung der Pflegekosten eingesetzt werden muss, bevor Sozialhilfe gewährt wird. Eine klare und eindeutige Zweckbindung ist hier der Schlüssel.
Schlussfolgerung
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zum Thema lebenslange Todesfallversicherung und Sozialhilfe ist ein wichtiges Signal für alle, die ihre Altersvorsorge planen und die finanziellen Aspekte ihrer Bestattung regeln möchten. Es zeigt, dass nicht jede Art der finanziellen Vorsorge automatisch als Schonvermögen anerkannt wird, insbesondere wenn sie Merkmale des Vermögensaufbaus oder der flexiblen Verfügbarkeit aufweist. Für eine rechtskonforme und sichere Bestattungsvorsorge ist eine präzise Vertragsgestaltung mit einer klaren und exklusiven Zweckbestimmung unerlässlich. Im Zweifelsfall ist es ratsam, fachkundigen Rat einzuholen, um die individuellen Gegebenheiten optimal zu berücksichtigen und spätere Schwierigkeiten mit Sozialleistungsträgern zu vermeiden.
Quellen
- Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.06.2022, Az.: L 2 SO 126/20
