Der Lieferdienst Flink, ein Unternehmen, das seit seiner Gründung im Jahr 2020 rasant gewachsen ist und mittlerweile als einer der größten Akteure im Bereich der Schnelllieferdienste in Europa gilt, steht zunehmend in der Kritik. Das Geschäftsmodell, das darauf basiert, Alltagsprodukte per Fahrradkurier innerhalb von Minuten direkt an die Verbraucher zu liefern, verspricht Bequemlichkeit und Schnelligkeit. Doch hinter der Fassade des unkomplizierten Einkaufs verbergen sich offenbar massive Probleme im Bereich der Arbeitsbedingungen.
Ein aktueller Fall, der vor dem Arbeitsgericht Dresden verhandelt wird, wirft ein Schlaglicht auf die prekären Arbeitsbedingungen bei Flink. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der als studentische Hilfskraft tätig war, wurde ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt. Die Gewerkschaft FAU Dresden unterstützt den Kläger und fordert neben der Anfechtung der Kündigung auch die Nachzahlung ausstehender Löhne, die Aushändigung von Gehaltsabrechnungen sowie die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
Fahrradkurier von Flink
Das Unternehmen ist nicht unbekannt mit Vorwürfen. Bereits ein anderes Unternehmen, “Gorillas”, machte Schlagzeilen aufgrund von wilden Streiks der Fahrer wegen untragbarer Arbeitsbedingungen.
Lohndumping und mangelnde Transparenz
Schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kam es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung. Oftmals wurden Löhne nicht vollständig ausgezahlt und mussten aktiv eingefordert werden. Trotz mehrfacher Aufforderung erhielt der Mitarbeiter keinen Zugang zu seinen Gehaltsabrechnungen, was die Überprüfung der Lohnzahlungen zusätzlich erschwerte. Im Jahr 2021 wurde ihm kein Urlaub gewährt, ein Teil davon erst im Frühjahr 2022.
Auch die digitale Arbeitszeiterfassung funktionierte mangelhaft, war zeitweise nicht verfügbar oder blockiert, so dass der Mitarbeiter keinen Zugriff auf seine Schichtpläne hatte und somit de facto keinen Zugang zu seinem Arbeitsplatz. Anfragen an die Vorgesetzten wurden nur schleppend und oft nur mit Floskeln beantwortet. Die Verantwortlichkeit wechselte häufig und war intransparent.
Arbeitsunfall und fristlose Kündigung
Nach einem Arbeitsunfall im September wurde dem Mitarbeiter schließlich fristlos gekündigt. Daraufhin reichte die FAU Dresden im Namen des Mitarbeiters eine Kündigungsschutzklage gegen Flink beim Arbeitsgericht Dresden ein.
Weitere Missstände bei Flink
Neben dem konkreten Fall des gekündigten Mitarbeiters berichten weitere Fahrer von Flink Dresden von zahlreichen Missständen:
- Unzureichende Arbeitssicherheit: Insbesondere bei extremen Wetterbedingungen wird die Sicherheit der Fahrer vernachlässigt.
- Zu schwere Rucksäcke: Das Gewicht der Rucksäcke wird nicht standardmäßig kontrolliert.
- Mangelnde Berücksichtigung von Verfügbarkeiten: Bei der Schichtplanung werden die Verfügbarkeiten der Fahrer oft nicht berücksichtigt.
- Unzumutbare Pausenräume: Die Pausenräume sind oft nur unhygienische Abstellkammern.
- Informelle Kündigungen: Kündigungen erfolgten in der Vergangenheit teilweise informell und ohne Einhaltung von Fristen.
- Verlagerung des unternehmerischen Risikos auf die Mitarbeiter: Bei geringer Auftragslage erhalten die Fahrer weniger Stunden und somit weniger Geld. Vertraglich vereinbarte Stundenzahlen werden nicht eingehalten, was zu Lohndiebstahl in großem Umfang führt.
Ausnutzung von Migranten
Flink profitiert offenbar von Rassismus in der Gesellschaft, indem das Unternehmen viele Migranten beschäftigt und deren Abhängigkeiten und spezifischen Schwachstellen ausnutzt. Oftmals kennen diese das deutsche Arbeitsrecht nicht, Sprachbarrieren spielen eine Rolle. E-Mails werden in Englisch verschickt, während wichtige Gesetze nur auf Deutsch verfügbar sind.
Die Gig-Economy und ihre Schattenseiten
Die Arbeitsbedingungen bei Flink sind ein Beispiel für die prekäre Arbeit in der neuen digitalen Welt der Start-ups. Ziel des Gerichtsverfahrens sei es, die Einhaltung bestehender Arbeitsstandards einzufordern. Arbeitszeiten müssen bezahlt werden, Urlaubsansprüche gelten auch für Werkstudenten und Minijobber, und für eine fristlose Kündigung müssen klare Kriterien erfüllt sein.
Solidarität und Selbstorganisation
Wichtiger als einzelne Gerichtsverfahren sei jedoch die Selbstorganisation der Fahrer an ihren Arbeitsplätzen sowie über Betriebs- und Branchengrenzen hinweg. Durch gegenseitige Unterstützung können die Fahrer ihre Rechte kennenlernen, täglich einfordern und sich in finanziellen und persönlichen Krisen gegenseitig unterstützen. Gemeinsam können sie sich gegen Ausbeutung und Beherrschung wehren und eine solidarische, selbstbestimmte Welt gestalten.
[internal_links]Aufruf zur Solidarität
Die Fahrer von Flink organisieren sich zunehmend und vernetzen sich, auch in Gewerkschaften. Wer weiterhin bei Flink bestellt, sollte mit den Fahrern über ihre Arbeitsbedingungen sprechen und sie darin bestärken, sich zu wehren. Denn sie sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert.
P.s.: Wenn Sie trotzdem bei Lieferdienst Flink bestellen, denken Sie darüber nach, mit den Fahrern über ihre Arbeitsbedingungen zu sprechen und darüber, dass sie nicht allein sein müssen, wenn sie sich wehren.