Die Vorstellung, einen Nerz als Haustier zu halten, mag für manche Menschen faszinierend klingen. Doch die Realität dieser eleganten Raubtiere ist komplex und ihre Haltung als Haustier ist mit erheblichen Herausforderungen und ethischen Fragen verbunden. Bevor Sie überhaupt darüber nachdenken, einen Nerz zu kaufen, ist es unerlässlich, die Unterschiede zwischen dem Europäischen Nerz und dem Amerikanischen Nerz (Mink) zu verstehen, ihre natürlichen Bedürfnisse zu kennen und die Auswirkungen auf Artenschutz und Ökosysteme zu bedenken. Wer überlegt, einen Nerz als Haustier zu kaufen, sollte sich umfassend mit den Besonderheiten dieser Wildtiere auseinandersetzen und eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen.
Der Europäische Nerz: Ein seltener Wildbewohner
Der Europäische Nerz (Mustela lutreola) gehört zur Familie der Marderartigen. Mit einem Gewicht von etwa 400 bis 900 Gramm ist er etwas größer als das Hermelin (Großwiesel). Seine Anpassung an ein Leben am Wasser zeigt sich in den Schwimmhäuten zwischen seinen Zehen. Das Fell des Europäischen Nerzes ist sehr dicht, gleichmäßig schokoladenbraun gefärbt, und charakteristisch sind die weiße Schnauze sowie das weiße Kinn. Er ist ein scheues, nachtaktives Tier, dessen Bestände in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen sind.
Europäischer Nerz in seinem natürlichen Lebensraum am Wasser, detaillierte Ansicht des Fells
Porträt eines Europäischen Nerzes mit typischer weißer Schnauze und Kinn, Nahaufnahme
Der Amerikanische Nerz (Mink): Herkunft und Anpassungsfähigkeit
Der Amerikanische Nerz, besser bekannt als Mink (Neogale vison, früher Mustela vison), stammt ursprünglich aus Nordamerika. Er wurde in Europa eingeführt, da der Europäische Nerz sich nie wirtschaftlich lohnend in Pelzfarmen halten ließ. Der Mink hingegen besitzt ein noch dichteres Fell und war für die Pelzindustrie sehr attraktiv. Mit einem Gewicht von 500 bis 1500 Gramm ist der Mink wesentlich größer und robuster als der Europäische Nerz. Auch er besitzt Schwimmhäute zwischen den Zehen, was auf seine semi-aquatische Lebensweise hinweist.
Durch jahrzehntelange Zucht in Pelzfarmen existiert der Mink in vielen verschiedenen Farbschlägen, von reinweiß bis schwarz. Ein wesentlicher äußerlicher Unterschied zum Europäischen Nerz ist, dass der Mink in der Regel nur ein weißes Kinn besitzt, während der Europäische Nerz zusätzlich eine weiße Schnauze aufweist. Diese Farbvielfalt und die Robustheit des Minks trugen zu seiner weiten Verbreitung bei, jedoch nicht ohne gravierende Folgen für die heimische Fauna.
Amerikanischer Nerz (Mink) in seinem Lebensraum, zeigt die dunkle Färbung des Pelzes
Lebensweise und Ernährung beider Arten
Sowohl der Europäische Nerz als auch der Mink bevorzugen dicht bewachsene, naturnahe Ufer von Fließ- und Stillgewässern, Sümpfe und Bruchwälder als Lebensraum. Der Mink ist jedoch wesentlich anpassungsfähiger als sein europäisches Pendant und kann daher auch in städtischen Gebieten oder stärker vom Menschen beeinflussten Landschaften angetroffen werden. Über die genaue Reviergröße ist relativ wenig bekannt, aber an Flüssen kann sie sich über mehrere Kilometer erstrecken, wobei sich die Tiere selten mehr als 150 Meter vom Ufer entfernen.
Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus kleinen Säugetieren wie Mäusen, aber auch kleinen Fischen, Amphibien, Vögeln, Wasserinsekten und Krebsen. Beide Arten sind auch im Winter aktiv und begeben sich ins Wasser. Sie sind sogar in der Lage, sich selbst Löcher in die Eisdecke zu offen zu halten, um zu jagen. Diese opportunistische Ernährungsweise und ihre Fähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen zu überleben, machen den Mink zu einem effektiven Jäger.
Die Bedrohung durch den Amerikanischen Nerz: Warum Artenschutz so wichtig ist
Heute existieren nur noch wenige isolierte Restbestände des Europäischen Nerzes, hauptsächlich in Westfrankreich, Nordspanien, Belarus, dem Donaudelta in Rumänien und in etwas größeren Vorkommen in Russland. Doch selbst dort nehmen die Bestände drastisch ab. Der aktuelle Bestand wird auf nur noch wenige tausend Tiere geschätzt. Der letzte Nachweis eines Nerzes in Mitteleuropa, genauer in Deutschland, stammt aus dem Jahr 1925, als ein Tier im Allertal (Niedersachsen) gefangen wurde.
Die Gründe für das Aussterben sind vielfältig:
- Zerstörung des Lebensraumes: Bereits im 17. und 18. Jahrhundert begannen in Deutschland großflächige Waldrodungen und Trockenlegungen von Feuchtgebieten, die dem Europäischen Nerz seine Lebensgrundlage entzogen.
- Früher die starke Verfolgung durch den Menschen: Nerze wurden wegen ihres Pelzes intensiv gejagt.
- Heute die Verdrängung durch den Amerikanischen Nerz: Der Mink ist nicht nur größer und konkurrenzstärker als der kleinere Europäische Nerz, sondern verfolgt ihn offenbar auch durch gezielte Angriffe, was zur vollständigen Verdrängung aus seinen angestammten Lebensräumen führt.
Der Europäische Nerz verschwand fast vollständig aus dem Bewusstsein der Menschen. Der Begriff „Nerz“ ist heute so fest mit dem berühmten Pelzmantel und den in Farmen gehaltenen Pelztieren verbunden, dass das schleichende Aussterben des eigentlichen, heimischen Europäischen Nerzes kaum wahrgenommen wird. Der Amerikanische Mink ist mittlerweile auch für unsere heimischen Ökosysteme zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung geworden. Er tötet auch aus Langeweile und wurde bereits dabei beobachtet, wie er in Biberbauten eindrang und Jungtiere tötete.
Der Mink gelangte in unser Ökosystem hauptsächlich durch Freilassungen aus Pelztierfarmen. Gründe dafür sind Insolvenzen der Farmen oder – und das ist zu einem großen Problem geworden – durch „falsch verstandene Tierliebe“. Nicht nur der Europäische Nerz leidet unter dem Mink. Auch andere heimische Marderarten wie der Iltis sowie verschiedene Beutetierarten können durch ihn beeinträchtigt werden. Daher sollten weitere Freilassungen unbedingt verhindert werden. Viele Wissenschaftler und Naturschutzverbände sind heute davon überzeugt, dass die Verschleppung von Tier- und Pflanzenarten aus ihren ursprünglichen Herkunftsgebieten in andere Teile der Erde neben der Lebensraumzerstörung die größte Gefahr für die Artenvielfalt auf unserem Planeten darstellt.
Keine Tierart sollte „verteufelt“ werden, auch nicht der Mink. Sein Platz ist jedoch in Nordamerika, wo er sich gemeinsam mit der dortigen Tierwelt entwickelt hat. Wenn man ihn hier in Europa freilässt, geschieht dies auf Kosten der letzten Europäischen Nerze und anderer einheimischer Tierarten. Schuld daran ist natürlich nicht der Mink selbst, sondern der Mensch in seiner Unüberlegtheit.
EuroNerz e. V.: Engagement für den Europäischen Nerz
EuroNerz e. V. ist ein Verein zur Erhaltung des Europäischen Nerzes, der im April 1998 in Hilter bei Osnabrück gegründet wurde. Der Verein ist dem Europäischen Erhaltungsprogramm (EEP) für den Nerz angeschlossen. Inzwischen ist die Arterhaltung in Menschenhand die einzige „Versicherung“ gegen das endgültige Verschwinden des Nerzes.
Die Zucht des Europäischen Nerzes ist schwierig und zeitaufwendig. Nerze sind strikte Einzelgänger, die auch in der Paarungszeit vorsichtig aneinander gewöhnt werden müssen. Zudem wählen sie ihre Partner individuell aus, was die Zucht zusätzlich komplex macht. Eine spezialisierte Verpaarungsstation ist für das Konzept und den Erfolg der Arterhaltungszucht von besonderer Bedeutung. Ohne diese Maßnahme, die zentrierte Verpaarung der Tiere, lässt sich keine dauerhafte Zucht aufrechterhalten.
Der Nerz als Haustier? Warum Minks in Tierheimen landen
Die Frage, ob man einen Nerz als Haustier halten kann oder sollte, führt oft zu Missverständnissen und Problemen. Viele Minks landen in unseren Pflegestellen, weil sie fälschlicherweise als freilaufende Frettchen gehalten und eingefangen (oder zufällig in einer Lebendfalle gefangen) werden. Sie werden dann als Frettchen in einem Tierheim abgegeben, woraus folgt, dass diese Tiere letztendlich in einer unserer Pflegestellen landen.
Es gibt auch Leute, die glauben, sich einen Mink als Haustier halten zu können. Da ein Mink aber aufgrund seiner Wildtiernatur nicht richtig zahm wird und hohe Ansprüche hat, wird er oft ausgesetzt oder abgegeben. Kaum ein Tierheim ist bereit, diese anspruchsvollen Tiere aufzunehmen, und Tierparks, die wirklich gute Unterbringungen für Minks bieten könnten, sind meist schon „voll“, auch weil diese Tiere einzeln gehalten werden müssen. Minks sind von Natur aus Einzelgänger und kommen nur zur Paarungszeit zusammen; daher gibt es keine Möglichkeit, sie zu vergesellschaften. Sie sind sogar in der Lage, sich gegenseitig zu töten.
Die Aufnahme und Pflege von Minks beim Frettchentreff e.V.
Ein Mink, der bei uns ankommt, durchläuft wie alle anderen Tiere zuerst eine strenge Quarantäne von mindestens vier Wochen. In dieser Zeit wird ihm ein mindestens 1,5 Quadratmeter großes Gehege zur Verfügung gestellt. Dieser Quarantänekäfig muss leider so klein gehalten werden, um die Tiere behandeln und impfen zu können. Sie werden gegen Tollwut, Staupe, Botulismus, Pseudomonas und Virusenteritis geimpft. Zusätzlich erhalten sie Frontline gegen äußere Parasiten sowie Flubenol oder Banminth gegen innere Schmarotzer.
Minks sind Nahrungsspezialisten, deshalb sind genaues Wissen und eine spezielle Futterpalette vonnöten. Ausgewählte Fleisch- und Fischsorten, spezielles Nerzfutter (+ Provimik), in dem alles enthalten ist, was sie zur Gesunderhaltung brauchen, sind essenziell, da es schnell zu Mangelerscheinungen kommen kann. Ergänzt wird dies durch ganze Futtertiere. Herkömmliches Tierfutter, wie etwa Katzenfutter mit hohem Fleischanteil, reicht oft nicht aus und ist nicht auf die Bedürfnisse von Nerzen abgestimmt.
Nach der Quarantänehaltung kommen die Tiere in ein Freigehege. Nerze sind, abgesehen von der Paarungszeit, strikte Einzelgänger, weshalb eine Vergesellschaftung kaum möglich ist. Daher werden Nerze am besten einzeln gehalten. Die uns bekannten Vorschriften zur Gehegegröße betragen 6 Quadratmeter pro Tier mit artgerechter Ausstattung und einem Wasserbecken. Wir haben es uns zur Regel gemacht, dass unsere Gehege mindestens 8 Quadratmeter Lauffläche haben.
Das Verhalten von Nerzen im Wasser ähnelt dem des Otters: Am liebsten planschen, tauchen und schwimmen sie den ganzen Tag, dazwischen wälzen sie sich ausgiebig im Gras, Stroh oder Schlamm. Man kann sich gut vorstellen, dass ein hübscher Teich, den man ja liebend gerne einbauen würde, fehl am Platze ist, da das Wasser jeden Tag gewechselt werden muss.
Da Nerze flinke Gesellen sind, sind in den Gehegen Fangeinrichtungen eingebaut. Das heißt, ein Käfig im Gehege, der geschlossen wird, wenn Futter hineingestellt wird, oder andererseits der Nerz beim Füttern eingesperrt wird, um das Gehege beziehungsweise den Pool zu säubern. Der Fangkäfig ist etwa 80 cm x 50 cm x 50 cm groß und hat sich gut bewährt. Dass das Gehege vollständig vergittert und mit vielen Kletter- und Spielmöglichkeiten ausgestattet sein muss, versteht sich von selbst.
Ein Pearl-Mink namens James in seinem Gehege, als Haustier gehalten
Detailansicht des artgerechten Geheges für einen Mink (James) beim Frettchentreff e.V.
Hier seht ihr James, gefunden im Frühjahr 2005 an der Elbe, als vermeintliches ausgesetztes Frettchen – wortwörtlich “Albinorde, der in der Elbe schwamm” – im Tierheim abgeliefert. Daneben sein Gehege, das extra für ihn gebaut wurde und in dem er sich untrüglich “sauwohl” fühlt. James ist ein sogenannter Pearlnerz und wiegt 2600 Gramm.
Ein aufgefundener Pearl-Mink (James) aus der Elbe, der irrtümlich für ein Frettchen gehalten wurde
Unterscheidungsmerkmale: Nerz vs. Frettchen für Tierheime und Besitzer
Für Tierheime und Privatpersonen ist es entscheidend, einen Nerz von einem Frettchen unterscheiden zu können, da die Haltungsanforderungen und Gefahrenpotenziale stark variieren. Die korrekte Identifizierung ist entscheidend, besonders wenn ein Tier in Not gefunden wird. Selbst erfahrene Tierpfleger müssen genau hinsehen, da die Unterschiede subtil sein können und eine falsche Einschätzung, ähnlich wie bei der Auswahl des richtigen Kittenfutters für junge Katzen, schwerwiegende Folgen haben kann.
Hier sind die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale:
- Fell: Nerze haben ein einheitlich langes Fell, während Frettchen auf dem Rücken längere Grannen aufweisen.
- Gestalt: Nerze wirken meist voluminöser im Gesicht, haben runde Lefzen und sind generell größer in der Gestalt.
- Badeverhalten: Frettchen schwimmen äußerst selten gerne freiwillig. Ganzkörperbaden gibt es in der Natur nur beim Nerz.
- Färbung: Nerze haben meist einheitliche Färbungen durch die Farmzucht, außer zum Beispiel Schwarzkreuznerze, aber auch diese sind leicht von Frettchen zu unterscheiden. Nur der Pearlnerz könnte leicht mit Albinofrettchen verwechselt werden.
- Geräusche und Geruch: Nerze schreien oft und laut und haben einen anderen Geruch als Frettchen.
Wichtige Warnungen:
Wenn Sie vermuten, einen Nerz aufgenommen zu haben, versuchen Sie bitte niemals, ihn mit anderen Tieren zusammenzusetzen; dies könnte für die Gegenseite tödlich enden. Nerze sollte niemand anfassen, da sie unglaublich fest zubeißen und sich auch dauerhaft verbeißen können. Zu handeln sind sie nur mit einer Nerzfangzange oder speziellen Nerzhandschuhen; normale Handschuhe bringen nichts. Wildlebende Nerze können leicht Krankheiten einschleppen, z. B. Plasmozytose/Aleutenkrankheit, Staupe etc. Wir helfen gern bei der Identifizierung per Foto weiter.
Fazit: Eine Entscheidung für Artenschutz und verantwortungsvolle Tierhaltung
Die Entscheidung, einen Nerz als Haustier zu halten, sollte keinesfalls leichtfertig getroffen werden. Wie wir gesehen haben, sind sowohl der Europäische Nerz als auch der Amerikanische Mink anspruchsvolle Wildtiere mit spezifischen Bedürfnissen, die in menschlicher Obhut kaum artgerecht erfüllt werden können. Die Haltung von Minks als Haustiere führt nicht nur zu großem Leid bei den Tieren selbst, sondern trägt auch zur Gefährdung heimischer Arten bei, wenn ausgesetzte oder entflohene Minks die Ökosysteme belasten.
Der Schutz des Europäischen Nerzes und die Eindämmung der invasiven Minks erfordert das Engagement von Artenschutzorganisationen wie EuroNerz e.V. und Rettungsstationen wie dem Frettchentreff e.V., die sich mit Hingabe um diese Tiere kümmern. Anstatt einen Mink als Haustier zu halten, ist es unsere Verantwortung, uns umfassend zu informieren, die Arbeit dieser Organisationen zu unterstützen und uns für den Schutz wildlebender Arten einzusetzen. Wildtiere gehören in ihren natürlichen Lebensraum. Wenn Sie ein Tier finden, das einem Nerz ähnelt, kontaktieren Sie umgehend eine Fachorganisation.