Die Nok-Kultur: Eine Reise in die Vergangenheit Nigerias

Terrakotta-Deponierung in Ifana 3, umgeben von als Gräber interpretierten Steinsetzungen mit Gefäßen.

Die Nok-Kultur, eine faszinierende Zivilisation des westafrikanischen Nigerias, gibt Archäologen und Historikern seit Jahrzehnten Rätsel auf. Dank umfangreicher Forschungsarbeiten, insbesondere durch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt der Goethe-Universität Frankfurt, konnten wesentliche Aspekte dieser 2500 Jahre alten Kultur entschlüsselt werden. Dieses Projekt, geleitet von Afrika-Archäologe Prof. Peter Breunig und Archäobotanikerin Prof. Katharina Neumann, hat nicht nur die Chronologie, Siedlungsweise und Wirtschaftsform der Nok-Kultur erhellt, sondern auch unser Verständnis von der Eisenmetallurgie, der materiellen Kultur und der Umwelt dieser Zeit erweitert.

Das langfristig angelegte Forschungsvorhaben, das 2009 begann und auf insgesamt zwölf Jahre ausgelegt war, zeichnete sich durch die enge Zusammenarbeit zwischen Frankfurter Wissenschaftlern und nigerianischen Kollegen aus. Lokale Helfer waren essentiell und machten das DFG-Projekt zeitweise zum größten Arbeitgeber in der Region. Durch Prospektionen, Ausgrabungen und umfangreiche Datenanalysen konnten bedeutende Erkenntnisse gewonnen werden.

Terrakotta-Deponierung in Ifana 3, umgeben von als Gräber interpretierten Steinsetzungen mit Gefäßen.Terrakotta-Deponierung in Ifana 3, umgeben von als Gräber interpretierten Steinsetzungen mit Gefäßen.

Die Ursprünge der Nok-Kultur

Die Nok-Kultur, benannt nach dem kleinen Dorf Nok nordöstlich der Hauptstadt Abuja, erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa 1500 Jahren. Das Forschungsprojekt datierte den Beginn der Kultur auf etwa 1500 v. Chr. Zu dieser Zeit lebten die Menschen in einfachen bäuerlichen Gemeinschaften, wobei die Perlhirse eine zentrale Rolle in ihrer Ernährung spielte. Etwa 900 v. Chr. traten die kunstvollen Terrakottafiguren auf, die die Nok-Kultur auch außerhalb der archäologischen Fachwelt berühmt gemacht haben.

Weiterlesen >>  Die Blütezeit der Kultur in der Weimarer Republik: Eine Ära des Wandels und der Innovation

Die Terrakottafiguren: Zeugnisse einer vergangenen Zeit

Viele dieser Terrakottafiguren waren bereits vor den Frankfurter Arbeiten durch Raubgrabungen ans Licht gekommen und wurden zu begehrten Objekten auf dem internationalen Kunstmarkt. Professor Breunig betont, dass diese Plastiken aus gebranntem Ton die älteste großformatige Figuralkunst im subsaharischen Afrika darstellen.

Nok-Terrakotta kurz nach der Bergung in Ifana 3.Nok-Terrakotta kurz nach der Bergung in Ifana 3.

Die zentrale Frage der Forschung war, welchem Zweck diese Terrakotten dienten, die teils Menschen, teils Tiere darstellen. Es wurde vermutet, dass die Figuren eine Rolle im Bestattungsritus spielten. Tatsächlich konnten im Umkreis der Terrakotten an einigen Fundstellen auch Gräber nachgewiesen werden, beispielsweise in Ifana rund 20 Stück. Professor Breunig verweist auf den westafrikanischen Brauch, von verstorbenen Würdenträgern ein Abbild in Ton zu fertigen und es auf das Grab zu stellen. Wenn die Figuren verwittern, werden sie gesammelt beigesetzt. Möglicherweise war dies bereits in der Nok-Zeit üblich.

Siedlungsweise, Keramik und Landschaft

Die Frankfurter Forscher konnten auch wichtige Erkenntnisse über die Siedlungsweise der Menschen, ihre Keramik und die Wanderhandwerker, die die Terrakotten fertigten, gewinnen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Archäobotanikerin Prof. Katharina Neumann konnte zudem die Ernährung der Menschen und die Veränderungen der Landschaft im Laufe der Zeit rekonstruiert werden.

Das gesamte Grabungsteam im August 2016, mit beteiligten Wissenschaftlern der Goethe-Universität.Das gesamte Grabungsteam im August 2016, mit beteiligten Wissenschaftlern der Goethe-Universität.

Um 400 v. Chr. begann der Niedergang der Nok-Kultur, und spätestens zur Zeitenwende verschwanden Terrakotten und Nok-Keramik.

Archäobotanische Untersuchungen: Ein Schlüssel zum Verständnis

Die Archäobotanik unter der Leitung von Professor Neumann spielte eine entscheidende Rolle bei der Erforschung der Nok-Kultur. Ziel war es, ein Modell für die Vegetationsentwicklung in der Nok-Region vom Beginn der Nok-Kultur um 1500 v. Chr. bis zu den ersten Jahrhunderten n. Chr. in Zusammenhang mit Ressourcen- und Landnutzung zu erarbeiten.

Weiterlesen >>  Patara: Eine Reise in die Wiege der Zivilisation an der Türkischen Riviera

Mithilfe pflanzlicher Makroreste und Analysen chemischer Rückstände in Keramik wurde untersucht, wie sich die frühe Nok-Bevölkerung an einen neuen Lebensraum angepasst hat, wie Übernutzung in der Middle Nok-Zeit (900 bis 400 vor Christus) zu einer Verschlechterung des Bodens geführt hat und welche Rolle dies beim Ende der Nok-Kultur nach 400 vor Christus gespielt haben könnte.

Die Bedeutung der Nok-Kultur für Westafrika

Dank des Projekts zählt die Nok-Kultur zu den am besten untersuchten archäologischen Komplexen in Westafrika. Die umfangreichen Ausgrabungen, die Menge an gewonnenen Daten, die angewandten modernen Methoden, die zahlreichen C14-Datierungen und die Breite an behandelten Themen haben unser Verständnis dieser faszinierenden Kultur erheblich erweitert.

Der deutsche Botschafter Bernhard Schlagheck im Gespräch mit Prof. Peter Breunig auf der Grabung in Ifana 3.Der deutsche Botschafter Bernhard Schlagheck im Gespräch mit Prof. Peter Breunig auf der Grabung in Ifana 3.

Die Ergebnisse des Projekts wurden nicht nur in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Höhepunkt war die vielbeachtete Skulpturenausstellung „Nok – ein Ursprung afrikanischer Skulptur“ 2013/14 im Frankfurter Liebieghaus, die ebenfalls von der DFG finanziert wurde. Die Exponate werden seit diesem Jahr unter dem Titel „NOK Within the Context of Nigerian Art Traditions“ im Kaduna National Museum gezeigt. Alle Materialien, die zu Forschungszwecken nach Frankfurt kamen, werden an Nigeria zurückgegeben.

Der letzte Projektabschnitt umfasste einen Workshop, der die Nok-Keramik in einem größeren westafrikanischen Zusammenhang betrachtet. Anhand von Vergleichen mit Keramik aus anderen Gegenden in Westafrika wurden weitere Antworten auf die Frage gesucht, woher die Menschen gekommen sind und wie sie lebten. Die Erforschung der Nok Kultur ist damit ein wichtiger Baustein zum Verständnis der Geschichte und Kultur Westafrikas.

Weiterlesen >>  Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft: Eine kritische Analyse

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *