Es wäre eine glatte Lüge, wenn wir behaupten würden, seit Generationen unser eigenes Sauerteigbrot zu backen – am besten noch mit einem Anstellgut, das schon die Urgroßeltern gehegt haben. Doch die Faszination für diesen Brotklassiker der deutschen Esskultur hat uns gepackt. Erst vor relativ kurzer Zeit haben wir entdeckt, wie unglaublich lohnenswert – und vor allem lecker – es ist, sein eigenes Brot zu backen. Insbesondere das Sauerteigbrot Selber Backen ist zu einer wahren Leidenschaft geworden, die wir auf Shock Naue mit Ihnen teilen möchten.
Unsere intensiven Recherchen, unter anderem für unser Buch „Vegan frühstücken kann jeder“, führten uns zum brotbacken ohne Hefe. Wir lieben schnelle Pizzateige mit Instant-Hefe, keine Frage. Aber die wahre Magie, die Eleganz und die Tiefe des Geschmacks entfaltet sich erst mit einem gut gepflegten, lebendigen Sauerteig. Es ist nicht einfach nur „Brot“; es ist ein einzigartiges, von Ihnen selbst „entworfenes“ Lebensmittel, das jede Back-Session zu einem aufregenden Erlebnis macht. Und spätestens, wenn Sie den Ofen öffnen, den warmen Duft einatmen und die knusprige Kruste anschneiden, werden Sie diese kleine, köstliche Magie verstehen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, aus Mehl, Wasser, Salz und Zeit etwas so Geschmackvolles zu kreieren, das perfekt zu Ihrem liebsten deutschen Aufstrich passt. Vielleicht möchten Sie auch andere Methoden des Brotbackens entdecken, um Ihren Horizont zu erweitern, beispielsweise Brot backen mit Trockenhefe, bevor Sie sich dem Sauerteig widmen.
Was ist Sauerteig eigentlich? – Ein Stück deutscher Brotgeschichte
Sauerteig ist weit mehr als nur ein Backtriebmittel; er ist das Herzstück vieler traditioneller deutscher Brotsorten und ein Grundpfeiler unserer Bäckereitradition. Im Kern ist Sauerteig eine natürliche Lebensgemeinschaft aus wilden Hefepilzen und Milchsäurebakterien. Diese „WG“ im Glas sorgt dafür, dass Ihr Teig locker und luftig wird – ähnlich wie Hefe oder Backpulver, aber mit ungleich komplexeren Ergebnissen.
Doch warum sollte man sich die “Arbeit” machen, einen eigenen Sauerteig zu züchten, wenn es doch einfacher geht? Die Antwort liegt in den unzähligen Vorteilen, die Sauerteig für Geschmack, Gesundheit und Haltbarkeit Ihres Brotes mit sich bringt:
- Geschmackliche Tiefe: Während der Fermentation – der sogenannten Sauerteigführung – entstehen über 300 Aromastoffe. Diese verleihen Ihrem selbstgebackenen Laib eine unvergleichliche Komplexität und einen charakteristischen säuerlich-aromatischen Geschmack, der so typisch für deutsches Brot ist.
- Gesundheitliche Vorteile: Die Milchsäurebakterien im Sauerteig bauen Phytinsäuren im Getreide ab. Diese Phytinsäuren würden sonst die Aufnahme wichtiger Mineralstoffe hemmen. Sauerteig macht das Brot also nicht nur bekömmlicher, sondern auch gesünder.
- Verbesserte Backeigenschaften und Haltbarkeit: Sauerteig verleiht dem Brot ein höheres Volumen und eine feinere, gleichmäßigere Krume. Zudem hemmen die Milchsäurebakterien die Bildung von Schimmelkulturen, was die Haltbarkeit Ihres Brotes erheblich verlängert. Ein richtig gutes deutsches Sauerteigbrot hält sich locker eine Woche frisch.
Man könnte also zusammenfassen: Sauerteig macht alles besser – er ist der Schlüssel zu authentischem, gesundem und aromatischem Brotgenuss, tief verwurzelt in unserer deutschen Esskultur.
Dein eigener Sauerteig-Starter: Der erste Schritt zum selbstgebackenen Brotglück
Der Weg zum eigenen Sauerteigbrot beginnt mit dem „Sauerteig ansetzen“ – dem Züchten Ihres ganz persönlichen Sauerteig-Starters. Betrachten Sie ihn als einen neuen Mitbewohner, dem Sie bald einen Namen geben werden. Unserer heißt übrigens Roswitha!
Bekannt sind vor allem Roggen- und Weizensauerteige; auch Dinkelmehl funktioniert als Basis. Roggensauerteig gilt als am einfachsten zu handhaben, weshalb wir Ihnen für den Anfang dazu raten. Der Start dieser wunderbaren Beziehung ist immer gleich:
Tag 1: Die Geburt Ihres Starters
- Verrühren Sie in einem ausreichend großen Glas 3 Esslöffel (ca. 45 g) biologisches Vollkornmehl mit etwa 3 Esslöffeln (ca. 45 ml) 27 °C warmem Wasser. Es sollte ein geschmeidiger Teig entstehen, der leicht vom Löffel fließt. Ist er zu dick, geben Sie etwas Wasser hinzu; ist er zu flüssig, etwas mehr Mehl. Präzision ist hier weniger wichtig als eine gute Konsistenz.
- Warum Bio-Vollkornmehl? Biologisches Vollkornmehl enthält mehr natürlich vorkommende Hefekulturen und Bakterien, die für die Bildung Ihres Sauerteigs essenziell sind.
- Stellen Sie das Glas nun in eine nicht zu kalte, möglichst dunkle Ecke Ihrer Küche und legen Sie den Deckel locker auf. Ihr Starter braucht Luft zum Atmen und zum Abgeben von Gasen – ja, die Hefen und Bakterien „rülpsen“ und „pupsen“ etwas. Keine Sorge, das ist geruchlos!
- Hier bleibt Ihr neuer Sauerteig Starter für ein bis drei Tage stehen.
Tag 2-3: Erste Lebenszeichen
- Füttern Sie Ihren Starter mit weiteren 3 Esslöffeln (ca. 45 g) Mehl und 3 Esslöffeln (ca. 45 ml) warmem Wasser. Verrühren Sie alles gut.
- Schicken Sie ihn für weitere 24 Stunden zurück an seinen Platz.
- Spätestens jetzt sollten Sie kleine Bläschen aufsteigen sehen, und der Sauerteig Starter beginnt, angenehm säuerlich zu riechen. Das ist ein gutes Zeichen!
Tag 3-4: Der Starter wird aktiv
- Wiederholen Sie das Füttern, diesmal mit 100 g Mehl und 100 ml warmem Wasser. Gut verrühren und weitere 24 Stunden ruhen lassen.
- Nun sollten Sie deutlich sehen können, wie der Teig aufgeht und sich viele Blasen bilden. Er sollte nun etwas stärker, aber weiterhin angenehm duften – leicht nach Hefe und süßlich, vielleicht wie ein sehr dezenter Essig oder sogar ein wenig nach Apfelsaft. Riecht er hingegen zu sauer oder vergoren, starten Sie lieber neu.
Wenn Sie bis hierhin gekommen sind: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben Ihren ersten Sauerteig Starter erfolgreich gezüchtet. Ein wichtiger Schritt für jeden, der Sauerteigbrot selber backen möchte!
Sauerteigbrot selber backen: Das Rezept für reines Roggenbrot
Es ist kein Zufall, dass Sauerteig hierzulande meist zu Roggenbrot verarbeitet wird. Roggen benötigt zwangsläufig Säure, um überhaupt aufgehen zu können – ein reines Roggenbrot ausschließlich mit Hefe zu backen, ist praktisch unmöglich. Und da wir es für den Anfang so einfach wie möglich halten möchten, backen wir das schlichteste, aber köstlichste reine Roggenbrot mit Sauerteig, zu dessen Rezept uns nicht zuletzt unser Besuch auf der Kalchkendlalm in Österreich inspiriert hat.
Reines Roggenbrot mit Sauerteig in Scheiben
Zutaten für Ihr Roggenbrot:
- 200 g Roggen-Sauerteig-Starter (aktiv und fütterungsbereit)
- 600 ml Wasser, 27 °C warm
- 1 kg Roggenmehl Type 1150
- 20 g Salz
Zubereitung des Teiges:
- Rühren Sie den aktiven Sauerteig-Starter vorsichtig in das warme Wasser ein, bis er sich aufgelöst hat.
- Anschließend Mehl und Salz unterheben und mit einem Holzlöffel oder den Händen gut vermischen, bis ein homogener Teig entsteht. Bei reinen Roggenteigen ist ein intensives Kneten nicht notwendig.
- Decken Sie die Schüssel ab und lassen Sie den Teig an einem warmen Ort für etwa 4 Stunden ruhen, bis sich sein Volumen sichtbar vergrößert hat.
Backen im Gusseisentopf oder auf dem Pizzastein:
Diese Methode, insbesondere im Gusseisentopf, ähnelt den Bedingungen eines traditionellen Brotofens und führt zu einer wunderbar knusprigen Kruste und saftigen Krume – ideal für ein perfektes Sauerteigbrot.
- Teilen Sie den Teig in zwei Hälften und formen Sie auf einer sehr gut bemehlten Arbeitsfläche zwei Laibe. Geben Sie diese anschließend in gut bemehlte Gärkörbe, decken Sie sie ab und lassen Sie sie weitere 20 Minuten ruhen.
- Heizen Sie den Backofen auf 240 °C Ober-/Unterhitze vor, zusammen mit Ihrem Gusseisentopf (mit Deckel) oder einem Pizzastein. Wenn Sie auf dem Stein backen, stellen Sie zusätzlich eine feuerfeste Schüssel mit Wasser auf den Ofenboden, um Dampf zu erzeugen.
- Stürzen Sie das Brot aus dem Gärkorb direkt in den heißen Gusseisentopf oder auf den Pizzastein.
- Backen Sie das Brot (beim Gusseisentopf mit Deckel) für 30 Minuten, bis die Kruste eine schöne braune Farbe angenommen hat.
- Reduzieren Sie die Hitze auf 150 °C, nehmen Sie den Deckel ab (falls verwendet) und backen Sie das Brot weitere 30 Minuten fertig.
- Das Brot ist fertig, wenn es beim Klopfen auf die Unterseite hohl klingt. Andernfalls lassen Sie es weitere 10 Minuten im Ofen.
- Lassen Sie das Brot vor dem Anschneiden vollständig auskühlen.
Reines Roggenbrot mit Sauerteig im Anschnitt
Backen in der Kastenform:
Falls Sie keinen Gusseisentopf oder Pizzastein besitzen, ist das Backen in der Kastenform eine gute Alternative.
- Teilen Sie den Teig in zwei Hälften, formen Sie auf einer gut bemehlten Arbeitsfläche Laibe und geben Sie diese in mit Backpapier ausgekleidete Kastenformen. Abdecken und weitere 20 Minuten ruhen lassen.
- Backen Sie das Brot bei 240 °C Ober-/Unterhitze für 30 Minuten, bis die Krume eine braune Farbe bekommen hat.
- Reduzieren Sie die Hitze auf 150 °C und backen Sie das Brot weitere 30 Minuten fertig.
- Überprüfen Sie die Fertigkeit wie oben beschrieben und lassen Sie das Brot gut auskühlen.
Tipps für das perfekte Sauerteigbrot
Uns gefällt die Zubereitung im Gusseisentopf am besten, idealerweise mit 24 cm Durchmesser. Er schafft ähnliche Temperatur- und Klimaverhältnisse wie ein professioneller Brotofen, und das Brot behält seine Form perfekt. Ihr selbstgebackenes Sauerteigbrot hält sich, eingeschlagen in ein Leinentuch oder in einem Brotkorb, bis zu zwei Wochen frisch und schmeckt tatsächlich 1-2 Tage nach dem Backen am besten. Weitere unserer Brotback-Rezepte finden Sie auf unserer Website.
Wichtig! Einige Leser meldeten zurück, dass ihr Brot nicht aufging. Auf Rückfrage stellte sich heraus, dass sie Vollkornmehl anstelle des empfohlenen 1150er-Mehls aus der Zutatenliste verwendet hatten. Wir haben selbst gemischte Erfahrungen mit reinem Roggenvollkornmehl gemacht. Manches funktioniert, manches eher schlecht als recht. Auf alle Fälle ist ein superaktiver Sauerteigstarter notwendig, um das schwere Vollkornmehl auf Touren zu bringen. Taste dich deshalb am besten erstmal mit dem 1150er und dann mit Mischungen heran. Wenn du deinen Starter dann im Griff hast und das richtige Mehl gefunden hast, steht auch dem reinen Vollkornbrot nichts mehr im Weg.
Sauerteig liebevoll pflegen und lagern: Dein treuer Küchenbegleiter
Wenn Sie alles richtig gemacht haben, bleibt Ihnen nach dem Backen noch etwas Sauerteig-Starter übrig. Ihn am Leben zu erhalten, ist der Schlüssel zu zukünftigen Backabenteuern. Machen Sie das Füttern zu einem kleinen Ritual.
Den Sauerteig am Leben halten (Füttern)
In der Anfangszeit, wenn Ihr Starter noch jung und kräftig werden muss, sollten Sie ihn täglich füttern. Geben Sie ihm morgens einfach 2-3 Esslöffel Mehl und Wasser, während Sie auf Ihren ersten Kaffee warten. So bleibt der Starter „happy“. Mit der Zeit wird Ihr Anstellgut immer stabiler und berechenbarer. Dann reicht es auch aus, ihn etwa einmal pro Woche zu füttern. Wie lange es dauert, bis der Starter so stabil ist, ist unterschiedlich – aber Sie werden dafür ein Gefühl entwickeln, versprochen. Wir haben übrigens festgestellt, dass das Füttern sehr gut mit feiner gemahlenem Mehl funktioniert. Vollkornmehl können Sie ihm ab und zu als Belohnung geben.
Mit der Zeit sammelt sich einiges an Anstellgut an, und man kann ja nicht alle zwei Tage Brot backen. Also muss immer mal wieder etwas davon aus dem Glas ausziehen. Sie können den übrigen Starter an Freunde und Verwandte verteilen oder ihn – unsere Lieblingsvariante – zu leckeren Sauerteigpancakes oder Waffeln verarbeiten.
Ein Stück selbstgebackenes Roggenbrot mit Sauerteig
Den Sauerteig lagern (Backup-Strategien)
Obwohl Ihr Sauerteig ein „Haustier“ mit geringen Ansprüchen ist, braucht auch er mal eine Pause – oder Sie. Hier sind verschiedene Strategien, um ihn zu lagern und für die Ewigkeit zu konservieren, ganz nach dem Motto „Backup ist alles“.
Kurzfristige Lagerung im Kühlschrank (7-14 Tage)
Planen Sie, etwa alle 7-14 Tage Brot zu backen, wandert Ihr Starter gut verschlossen einfach ins Gemüsefach Ihres Kühlschranks. Die Fermentation wird hier nicht ganz gestoppt, aber stark verlangsamt. Einmal in der Woche sollten Sie ihn kurz herausnehmen, füttern und wieder gut verschließen. Am Tag vor dem nächsten Backtag nehmen Sie ihn aus dem Kühlschrank und füttern ihn wie gehabt mit Mehl und warmem Wasser. 24 Stunden später sollte er wieder topfit sein und bereit für das nächste Brot.
Mittelfristige Lagerung im Gefrierfach (mehrere Monate)
Möchten Sie sich nicht so recht auf einen regelmäßigen Backtag festlegen, können Sie Ihren Starter auch einfrieren. Füttern Sie ihn ein letztes Mal und lassen Sie ihn ein paar Stunden stehen, bis er schön aufgegangen ist. Jetzt packen Sie ihn gut verschlossen ins Gefrierfach. Hier wird die Fermentation komplett gestoppt, Sie müssen ihn nicht füttern, und er kann hier über Monate überleben. Zum „Auftauen“ lassen Sie ihn schonend im Kühlschrank auftauen und verfahren dann wie bei der kurzfristigen Lagerung beschrieben.
Langfristige Lagerung getrocknet (für die Ewigkeit)
Möchten Sie sichergehen, dass Ihr gezüchteter Sauerteig-Stammbaum für die Ewigkeit konserviert wird, dann trocknen Sie ihn am besten. Dazu streichen Sie einige Esslöffel Ihres aktiven Sauerteig-Starters dünn auf Backpapier und lassen es an einem warmen, trockenen Ort so lange trocknen, bis Sie den Teig einfach abziehen und leicht zermahlen können. Luftdicht verpackt können Sie ihn jetzt in einen Tresor packen. Dies ist die ultimative Sicherung, falls mit Ihrem aktiven Starter einmal etwas schiefgehen sollte – oder auch ideal für Umzüge oder Reisen. Zum „Reanimieren“ wird der getrocknete Starter fein gemahlen, mit etwas Mehl und warmem Wasser verrührt und stehengelassen. Den Rest kennen Sie ja bereits. So kann nichts mehr schiefgehen!
Fazit: Mehr als nur Brot – eine deutsche Tradition auf deinem Tisch
Das Sauerteigbrot selber backen ist eine Reise in die Welt des Geschmacks, der Handwerkskunst und der deutschen Esskultur. Es ist mehr als nur die Zubereitung eines Lebensmittels; es ist das Erschaffen von etwas Einzigartigem, das tief in der deutschen Tradition verwurzelt ist und doch jedes Mal ein neues, persönliches Abenteuer darstellt. Vom ersten Bläschen Ihres Starters bis zum Anschnitt des warmen, duftenden Brotes aus Ihrem Ofen – jeder Schritt ist ein Ausdruck von Hingabe und Freude am guten Essen.
Wir hoffen, diese detaillierte Anleitung inspiriert Sie dazu, selbst die Ärmel hochzukrempeln und Ihr eigenes Sauerteigbrot zu kreieren. Sie werden nicht nur ein außergewöhnlich schmackhaftes Brot genießen, sondern auch ein Stück deutscher Kultur und Tradition auf Ihren Tisch bringen. Wagen Sie den Schritt und entdecken Sie die Magie des Sauerteigs! Für noch mehr Inspiration zum einfachen Brotbacken können Sie auch unsere Tipps zum Brotbacken im Thermomix entdecken. Was ist Ihr liebstes deutsches Brot? Teilen Sie es uns mit!
