Sophia Thiel, einst eine digitale Vorreiterin, die mit ihren YouTube-Fitnessvideos nicht nur einen Trend, sondern einen ganzen Berufsstand prägte, steht heute erneut an der Spitze einer Bewegung. Doch dieses Mal geht es nicht um Muskeln und Diätpläne, sondern um das Scheitern als Influencerin und die Bedeutung mentaler Gesundheit. Ihre persönliche Geschichte, geprägt von extremem Druck und einem unerwarteten Rückzug aus der Öffentlichkeit, bietet wertvolle Einblicke und Inspiration für viele. Im Interview spricht Sophia Thiel offen darüber, wie sie mit ihren größten Niederlagen umgeht und warum diese Erfahrungen für sie heute so entscheidend sind.
Der unsichtbare Druck des Influencer-Daseins
Sophia war eine der ersten, die als Fitness-Influencerin eine enorme Reichweite generierte. Doch hinter der scheinbar perfekten Fassade verbarg sich eine andere Realität. Ihr plötzlicher Rückzug vor etwa drei Jahren, der in der Branche hohe Wellen schlug, war keine geplante Auszeit. Der Druck des Influencer-Daseins, das oft nur als eine Welt des Luxus und der Leichtigkeit wahrgenommen wird, wurde für sie untragbar. “Es ist überhaupt nicht so”, erklärt Sophia. “Im Hintergrund können ganz andere Themen ablaufen.” Sie kämpfte zunehmend mit sich selbst und ihren “Dämonen aus der Vergangenheit”. Ihre Beziehung zum Essen war seit ihrer Kindheit schwierig, und sie versuchte, durch einen perfektionistischen Bodybuilding-Ansatz Kontrolle über ihr Leben zu gewinnen. Dieser extreme Umgang mit sich selbst forderte 2019 seinen Tribut, als sie spürte, dass sie nicht mehr weitermachen konnte.
Mein Körper und ich, wir waren kein Team – es war Feindschaft!
Sophia Thiel über ihre Essstörungen
Der unerbittliche Kampf mit dem eigenen Körper
Als Kind und Jugendliche war Sophia stets die “Pummelige”, die oft gehänselt wurde. Früh entwickelte sie den Wunsch, um jeden Preis abzunehmen. Sie entdeckte, dass sie ihren Körper durch Krafttraining formen und ihre Ernährung akribisch kontrollieren konnte. Diese Kontrolle gab ihr ein Gefühl von Sicherheit, doch sie trieb alles extrem auf die Spitze. Der Versuch, den Körper so gewaltsam zu formen, führte jedoch unweigerlich zu einem Gegenangriff. “Wenn man versucht, den Körper so gewaltsam zu trimmen, wehrt er sich und nimmt sich irgendwann früher oder später alles zurück, was man ihm genommen hat”, berichtet Sophia. Es folgten Essanfälle und Gewichtszunahme, manchmal sogar mehr als zuvor. Bereits 2015 begann sie, sich mit dem Essen auseinanderzusetzen, ignorierte es aber zunächst. Sie glaubte, sie müsse nur mehr Kontrolle ausüben, stärker und disziplinierter werden, ihren Körper bezwingen. Doch der Körper lässt sich nicht überlisten.
Sophia erkannte dies auf “Hardcore-Art”. Ernährungs- und Trainingspläne funktionierten plötzlich nicht mehr, nichts tat sich. Sie sagte sich: “Okay, mein Körper ist jetzt gerade total gegen mich und gegen meinen Kopf.” Es war, als stünden sie und ihr Körper sich feindlich gegenüber. Sie musste der Ursache auf den Grund gehen und zog einen Tag vor der FIBO 2019 die Reißleine. Es war ein entscheidender Schritt, der ihre gesamte Karriere und ihr Leben neu ausrichtete. Für viele, die ähnliche Herausforderungen erleben, können personalisierte abnehmtipps ein wichtiger erster Schritt sein, um einen gesünderen Umgang mit dem eigenen Körper zu finden und die Kontrolle auf eine nachhaltige Weise zu erlangen, anstatt in extreme Muster zu verfallen.
Die Stille der Social-Media-Auszeit und die Identitätskrise
Der Übergang von einer omnipräsenten Social-Media-Persönlichkeit zu einem Leben im Abseits war radikal. Sophia, die zuvor in Talkshows und unzähligen Interviews präsent war, stellte ihre Kanäle von einem Moment auf den anderen still. Keine Instagram-Bilder, keine Stories, keine YouTube-Videos mehr. Die Tage wurden plötzlich “total lang”. Obwohl es genau das war, was sie wollte, fühlte sie sich zunächst schlecht, weil sie die digitale Welt nicht vermisste. „Habe ich mich gefragt, bin ich überhaupt eine gute Influencerin?“, erinnert sie sich. Ihr Handy war zwar ihr Arbeitsinstrument, doch sie brauchte es plötzlich nicht mehr. Dies führte zu starken Selbstzweifeln und der Frage, was einen guten Influencer ausmacht. Zahlen haben nichts mit Qualität zu tun, sondern der Inhalt der Beiträge. Doch damals sah sie das nicht so.
In dieser Zeit versuchte sie krampfhaft, ihren Tag mit anderen Dingen zu füllen. Sie fühlte sich so schlecht wie noch nie, dachte, sie hätte nichts mehr. Die Welt verstand sie nicht mehr, denn sie hatte das, wonach sie sich sehnte: Zeit für sich, Offline-Zeit, keine Diäten und Trainingspläne. Doch paradoxerweise ging es ihr noch schlechter, sie hatte keinerlei Halt. Es war eine tiefgreifende Identitätskrise. „Okay, ich bin Sophia, ich bin Sportlerin und Influencerin, Person des öffentlichen Lebens – wer bin ich denn jetzt?“, fragte sie sich.
Sophia Thiel nachdenklich auf einem Sofa sitzend, reflektiert über ihre Social Media Auszeit und mentale Gesundheit.
Ich fragte mich: „Bin ich überhaupt eine gute Influencerin?“
Sophia Thiel über ihre Zeit ohne Social Media
Familie, Freunde und die Isolation der Öffentlichkeit
Sophies Familie war schockiert über ihre spontane Entscheidung, die aus dem Nichts kam. Dennoch unterstützten sie sie voll und ganz und waren überglücklich, als Sophia während ihrer Auszeit eine Therapie begann. Nur dort konnte sie die Schritte wirklich gehen, die sie sich gewünscht hatte. Allein hätte sie es nicht geschafft. Auch ihr Freundeskreis schrumpfte, ihre Bezugspersonen, ihr Ex-Coach und ihr Ex-Freund, fielen weg. Sie isolierte sich, um nicht erkannt zu werden. Denn es war nicht so, dass die Leute sagten: „Sophia wurde gesichtet! Wie geht es ihr?“ Sondern meistens: „Sophia wurde gesichtet! Wie sieht sie aus?“ Das war der Grund, warum sie sich hauptsächlich in ihrer Wohnung aufhielt.
Offenheit als Strategie: Umgang mit Hass und Vorbildfunktion
Gerade für junge Menschen, die sich in sozialen Medien bewegen, hat Sophia Thiel wichtige Tipps. Als Influencer müsse man sich mittlerweile an Hass gewöhnen, da es immer Menschen geben werde, die etwas an einem auszusetzen haben. Wenn es nicht der Inhalt sei, dann das Aussehen: „Du bist zu dick, zu dünn oder dein Outfit sieht scheiße aus.“ Sophia hat gelernt, damit umzugehen. Kommentare zu ihrem Gewicht oder Körper perlen mittlerweile an ihr ab. Die Grundstimmung auf ihren Kanälen ist heute sehr positiv, seit sie offen über ihre Schwächen und Fehler spricht. Sie geht proaktiv mit ihren vermeintlichen Schwächen um und nimmt der Geschichte den Wind aus den Segeln. „Weil ich finde, entwaffnende Herzlichkeit und sich zu seinen Schwächen bekennen, nimmt den Hetzern den Wind aus den Segeln.“ Sie selbst erlebte einen Shitstorm in ihrer Fitnesszeit, als sie mit einem ihrer eigenen Poster verglichen wurde und man ihr vorwarf, so viel zugenommen zu haben. Niemand wusste damals, was wirklich in ihr vorging.
Ich versuche einfach mit meinem Scheitern zu zeigen, dass du da nicht durch musst.
Sophia Thiel über ihr eigenes Scheitern
Verantwortung und das deutsche Tabu des Scheiterns
Mit 1,3 Millionen Followern auf Instagram ist Sophia Thiel eine wichtige Identifikationsfigur für viele junge Menschen. Diese Verantwortung sei schwer greifbar, aber sie sei automatisch da, sobald man mit sich selbst kommuniziert. Sie würde niemals Produkte bewerben, die sie nicht selbst toll findet, oder Lügen verbreiten, die anderen schaden könnten. Ihr Ansatz ist “American Style”: In Amerika sei es bereits ein Prädikat, wenn man gescheitert ist, um dann wieder aufzustehen. In Deutschland hingegen sei Scheitern ein “ganz schlimmes Ding”, das man am besten vermeidet. Sophia versucht mit ihrem Scheitern zu zeigen, dass man diesen Weg nicht gehen muss. „Ich möchte, dass du einen anderen Weg gehst als ich. Das ist mir passiert und du kannst es jetzt gerade besser machen.“
Mentale Gesundheit: Ein vielschichtiges Thema
Das Thema mentale Gesundheit ist Sophia ein besonderes Anliegen. Gesundheit oder gesunde Ernährung können vielfältig definiert werden, es sei schwierig, alles zu verallgemeinern. Für sie bedeutet mentale Gesundheit, nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen zu kennen und zu wissen, wann man möglicherweise nicht allein zurechtkommt und Hilfe benötigt. Sie vergleicht es mit einem gebrochenen Arm: Man geht zum Arzt. Bei persönlichen Problemen, einschließlich mentaler Herausforderungen, geht man zum Therapeuten. Es sei wichtig, Klarheit zu gewinnen, sich selbst zu reflektieren, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und bestimmte Dinge beim Namen zu nennen, ohne sich dafür zu schämen.
Fazit: Sophia Thiels Weg zur Authentizität und Selbstfürsorge
Sophia Thiels Reise von der gefeierten Fitness-Ikone zur authentischen Verfechterin mentaler Gesundheit ist ein eindringliches Beispiel dafür, dass wahre Stärke oft im Eingeständnis von Schwäche liegt. Ihre Offenheit über Essstörungen, den Druck der sozialen Medien und ihre persönliche Krise hat nicht nur ihre eigene Lebensqualität verbessert, sondern auch unzähligen Menschen Mut gemacht, über ihre eigenen Kämpfe zu sprechen und Hilfe zu suchen. Sie entstigmatisiert das Scheitern und betont die Wichtigkeit, auf den eigenen Körper und die Psyche zu hören. Sophies Geschichte ist eine Erinnerung daran, dass mentale Gesundheit genauso wichtig ist wie physische Fitness und dass es keine Schande ist, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Möge ihre Botschaft uns alle dazu inspirieren, unser Wohlbefinden an erste Stelle zu setzen und einen gesünderen Weg zu einem erfüllten Leben zu beschreiten.