Kennen Sie das auch? Die Sehnsucht nach dem langersehnten Urlaub ist groß, doch am Ende fühlen Sie sich erschöpfter als zuvor. Statt Entspannung und Erholung erwartet Sie Stress, Hektik und die ständige Angst, etwas zu verpassen. Aber warum ist das so? Und was können wir dagegen tun, um im Urlaub wirklich zur Ruhe zu kommen?
Ich habe da so eine innere Blockade. Sie tritt zuverlässig in Kraft, sobald sich die Urlaubsplanung wie eine zweite Steuererklärung anfühlt: endlose Listen, unübersichtliche Buchungsportale, überhöhte Erwartungen. im urlaub keine erholung ist dann oft das Ergebnis.
Deshalb schreibe ich über das Thema Reisen aus der Perspektive einer Person, die oft lieber zu Hause bleibt. Oder sich zumindest nicht von dem kollektiven Drang, “endlich mal rauszukommen”, mitreißen lässt.
Einige Beispiele in diesem Text sind fiktiv – aber nicht erfunden. Sie setzen sich zusammen aus Erinnerungsfragmenten, Erzählungen und inneren Bildern. Ähnlich wie Reisen selbst oft mehr mit Vorstellungskraft als mit der Realität zu tun haben.
Und wenn Sie sich in einem dieser Momente wiedererkennen, dann sind Sie hier genau richtig. Vielleicht hilft Ihnen dieser Text ja, auszusteigen. Oder zu Hause zu bleiben. Oder einfach tief durchzuatmen.
Silhouette des Hamburger Hafens bei Sonneuntergang
Der stille Zwang zum Urlaub: Reisen als gesellschaftliches Ritual
Es gibt einen klugen Kopf, der meine Urlaubsverzweiflung treffend formuliert hat: Valentin Groebner. Der Historiker hat ein Buch mit dem Titel “Ferienmüde” geschrieben – ein Titel, der wie ein tiefes Aufatmen klingt. Groebner wirft die ketzerische, aber befreiende Frage auf: Was wäre, wenn wir einfach mal… nicht verreisen würden?
Ich weiß, das ist fast schon Blasphemie. Schließlich ist der Urlaub unser heiliger Gral, unser Lichtblick am Ende des langen Büroflurs. Aber Groebner argumentiert: Vielleicht ist der Urlaub gar kein Akt der Freiheit mehr, sondern ein Ritual, ein Zwang, ein kollektives “Jetzt müssen wir aber mal raus!”. Und ich denke: Verdammt, der Mann hat recht.
Denn wie viel Eigeninitiative steckt eigentlich noch in unseren Reiseplänen? Wir fahren nicht weg, weil wir es unbedingt wollen, sondern weil es alle tun. Weil es einfach dazugehört. Wie Raclette an Silvester oder eine Detox-Kur im Januar. Nur dass Raclette nicht so teuer ist und Detox wenigstens keine Parkplatzsuche beinhaltet. Stattdessen suchen wir krampfhaft nach wellness erholung.
Dame im Liegestuhl auf der Costa Venezia
Wenn die Erholung zum Erschöpfungszustand wird: Der mentale Stress moderner Ferien
Ich habe Urlaube erlebt, nach denen ich müder war als zuvor. Nicht körperlich – mein Schrittzähler war beleidigt vor lauter Faulenzen – sondern mental. Ich war erschöpft von dem Gefühl, etwas leisten zu müssen: schöne Ausflüge machen, gutes Essen genießen, die perfekte Balance zwischen Aktivität und Entspannung finden (eine Lebensaufgabe!). All das in der Erwartung, danach sagen zu können: “Es war sooo erholsam.” Was ich oft nicht konnte. Stattdessen sagte ich: “Nächstes Jahr machen wir aber mal ganz anders Urlaub.”
Frau auf Liegestuhl
Der mobile Käfig: Neue Kulissen, alte Routinen
Das Perfide am Reisen ist, dass es uns Erneuerung verspricht, aber am Ende nur Routine mit Meersalz liefert. Groebner nennt das den “mobilen Käfig” – wir fliehen aus dem Alltag und landen in einer Variante davon mit anderen Möbeln und schlechterem WLAN. Die Kulisse ändert sich, das Drehbuch bleibt gleich.
Urlaub als mobiler Käfig: Wasserrutsche hinter Netz auf einem Kreuzfahrtschiff
Der Rückspul-Effekt: Warum wir Orte aus der Vergangenheit suchen
Besonders getroffen hat mich Groebners These, dass wir gar nicht reisen, um Neues zu entdecken – sondern um unsere Vergangenheit nachzustellen. Wir fahren an Orte, die uns an frühere, intensivere Zeiten erinnern: der erste Urlaub zu zweit, die Sommer mit den Kindern, das Jahr in der Toskana, das einfach perfekt war (wahrscheinlich, weil es damals noch kein WLAN gab und wir gezwungen waren, miteinander zu reden).
Ich könnte auch so eine Retrospektiv-Reisende sein. Und Sie? Ein Beispiel: Der Sommer in Italien – am gleichen See, an dem wir vielleicht mit Anfang zwanzig einen unvergesslichen Urlaub verbracht haben. Damals: Aperol im Glas, “Serenata Rap” von Giovanotti in den Ohren, ein flirtender Italiener auf der Vespa. Heute: Zeckenwarnung, Regenwetter und ein Begleiter, der sich über den Preis fürs Parken aufregt. Tja. Im Gegensatz dazu kann ein 1 tag erholung Wunder wirken.
Venedig
Die Sehnsucht nach Echtheit: Authentizität als Reiseillusion
Was uns die Reiseindustrie verkauft, ist ein Gefühl: Authentizität, Ursprünglichkeit, das “echte Leben”. Aber das Authentische ist inszeniert. Es ist ein Theaterstück, in dem wir mitspielen. Die Kulissen sind hübsch, die Darsteller bemüht, aber die Geschichte bleibt eine Fiktion.
Ich habe mal eine Führung durch die Altstadt von Dubrovnik mitgemacht. Der Guide erklärte uns an jeder Ecke, wo “Game of Thrones” gedreht wurde. Der Satz fiel fünfzehnmal. Der Rest der Gruppe machte Selfies mit nachgeahmtem Schwert. Ich stand daneben und fragte mich, wann das Authentische eigentlich zum Requisit wurde. Wahrscheinlich irgendwann zwischen Duty-Free und Google-Bewertung.
Marienbad
Wie man dem Wahnsinn entkommt? Ganz langsam auf dem Rad!
Wir hoffen, im Urlaub wiederzufinden, wer wir einmal waren. Oder noch besser: Wer wir gerne wären. Der entspannte Typ im Leinenhemd, die Weltreisende mit windzerzausten Haaren, die stille Beobachterin mit dem Notizbuch in der Hängematte. Nur leider ist der Strand laut, das Notizbuch bleibt leer und das Leinenhemd knittert unvorteilhaft.
Groebners Lösung? Radfahren! Er fährt mit seiner Tochter auf dem Tandem quer durch Frankreich. Ich stelle mir das bildlich vor: Zwei Menschen, ein Sattel, viele Wadenkrämpfe – aber auch der Wind im Gesicht und das Gefühl, unterwegs zu sein, ohne Ziel, aber mit Sinn. Vieleicht wäre ein ferien erholung Trip mit dem Fahrrad eine Alternative?
Ich selbst bin da nicht ganz unbeleckt – ich liebe Radfahren, besonders in Dänemark und Schweden. Diese stillen Wege durch Heide und Dünen, die salzige Luft, die Möwen, die sich über meinen Proviant wundern, und das konstante Rauschen des Meeres zur Linken: Das ist für mich ein Stück Freiheit auf zwei Rädern. Keine Kreuzungen mit Stau, keine Tankstellen-Toiletten, nur das leise Surren der Reifen und das beruhigende Gefühl, wirklich unterwegs zu sein.
Radfahren in Dänemark
Langsamkeit als Luxus: Kleine Reisen, große Wirkung
Einmal bin ich auf dem Nordseeküstenradweg gefahren – mit Packtaschen, Regenjacke und ohne festen Plan. Ich erinnere mich an den Moment, als ich an dem Flugplatz vorbeikam, an dem Reinhard Mey den Song “Über den Wolken” geschrieben haben soll. Genau diese grenzenlose Freiheit, die er besingt, spürte ich da. Dafür musste ich gar nicht abheben.
Und dann war da noch dieser legendäre Rhabarberkuchen in Dangast – frisch aus dem Ofen, auf einer Terrasse mit Blick aufs Wattenmeer, während Möwen um die letzten Krümel stritten. Der perfekte Abschluss einer windigen Etappe, süß-sauer wie das Leben selbst.
Strand am Jadebusen vor dem Kurhaus in Dangast
Balkonien mit Tiefgang: Zuhause bleiben als Befreiung von der Urlaubsmüdigkeit
Trotzdem bin ich auch eine große Freundin des Verreisens ohne Verreisen. Ich nenne es “Balkonien mit Tiefgang”. Man braucht: einen bequemen Stuhl, ein gutes Buch, vielleicht eine Katze, die vorbeischaut, und den festen Willen, nichts zu planen. Keine Liste mit Sehenswürdigkeiten, keine Timeslots fürs Abendessen. Einfach sein.
Einmal habe ich den ganzen August zu Hause verbracht. Keine Termine, keine To-dos. Nur Balkon, Bücher und Baden im See. Es war herrlich. Und ja, es kam auch die Langeweile. Aber mit ihr kam eine tiefe Form von Entspannung, die kein All-inclusive-Hotel dieser Welt je hinbekommen hat.
Vielleicht ist das die neue Freiheit: sich vom Drehbuch zu lösen, die Kamera aus der Hand zu legen (oh, das fällt mir schwer!), keine Postkartenmotive zu sammeln, sondern echte Erinnerungen. Und die müssen nicht mal weit weg entstehen. Manchmal reicht ein Gespräch mit einer Freundin im Garten, ein verregneter Tag im Bett mit einem guten Buch oder ein Spaziergang durch die eigene Stadt mit den Augen eines Fremden.
Lavendel auf dem Balkon
Ankommen im Jetzt: Warum echte Erholung oft ganz nah ist
Ich lasse mich jedenfalls überraschen: vom Nichtstun, vom Jetzt, vom Geräusch der Amsel um sechs Uhr morgens, wenn der Rest der Stadt noch schläft (oder wenigstens schlafen sollte). Und von dem Gefühl, das sich einstellt, wenn man merkt: Ich brauche gerade keinen Urlaub. Ich bin schon da.
Und falls ich doch mal wieder wegfahre – dann nur mit leichtem Gepäck, ohne Erwartungen und vielleicht auch ohne Leinenhemd (ach nee, das kommt doch lieber mit). Aber ganz bestimmt mit einem offenen Herzen.
TikTok Aufnahme
Letztendlich geht es darum, eine Balance zu finden, die für Sie persönlich funktioniert. Ob orte der ruhe und erholung in der Ferne oder die Entspannung im eigenen Zuhause – wichtig ist, dass Sie sich von den Erwartungen anderer befreien und Ihren eigenen Weg zur Erholung finden.