Die Geschichte des Champagnerhauses Mumm ist untrennbar mit Innovation, Prestige und einer bewegten Vergangenheit verbunden. Eingebettet in die malerische Region Champagne in Frankreich, hat die Marke im Laufe der Jahrhunderte Hochs und Tiefs erlebt, darunter auch eine bemerkenswerte, wenn auch kontrovers diskutierte Episode während des Zweiten Weltkriegs, die das Konzept des “Wehrmacht Weins” berührt. Dieser Artikel beleuchtet die facettenreiche Entwicklung von Mumm, von seinen deutschen Wurzeln bis zur Rolle in Zeiten des Konflikts, und bietet einen tiefen Einblick in die Verbindungen zwischen der deutschen Familie Mumm, ihrem Champagner und der deutschen Geschichte.
Die Anfänge: G. H. Mumm & Co und Jules Mumm & Co
Die Wurzeln des Hauses Mumm reichen tief in die deutsche Geschichte. Georges Hermann Mumm, Sohn des Gründers Gottlieb Mumm, legte den Grundstein für die G. H. Mumm & Co. Sein Cousin Jules Mumm (1809-1863), ein Sohn von Jacobus Mumm, führte parallel dazu die Jules Mumm & Co. Beide unabhängigen Unternehmen pflegten enge Kontakte zum Stammhaus Peter Arnold Mumm in Deutschland. Im Jahr 1875 lancierte G. H. Mumm & Co. erstmals die heute noch existierende Hauptmarke “Cordon Rouge”, ein Name, der eine Hommage an die französische Ehrenlegion darstellt. Ab 1882 wurde der Weinbergsbesitz schrittweise erweitert. Um 1890 avancierte die Marke G. H. Mumm zum bevorzugten Champagner europäischer Königshäuser in Österreich-Ungarn, Belgien, den Niederlanden, Preußen, Dänemark, Schweden, Norwegen und England, sowie bei den Großherzögen von Oldenburg und Hessen-Darmstadt, was den außergewöhnlichen Ruf der Marke unterstreicht.
Die Konsolidierung der französischen Mumm-Dynastie
Die Gesellschaft Jules Mumm & Co wurde 1910 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten aufgelöst. G. H. Mumm übernahm Teile und erwarb zudem die Namensrechte für die Marke “Jules Mumm”. Das nun alleinige Mumm-Unternehmen in Frankreich war äußerst erfolgreich. Der inzwischen geadelte Georges Hermann von Mumm behielt jedoch seine deutsche Staatsbürgerschaft. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 wurde er verhaftet und sein Unternehmen beschlagnahmt. Die Geschäfte wurden vom ehemaligen Verkaufsleiter Georges Robinet (1869-1953) weitergeführt. Nach Kriegsende wurde das Unternehmen 1918 versteigert und ging in den Besitz der Gruppe “Société Vinicole de Champagne” über, die den Namen G. H. Mumm weiterführen durfte.
Rotkäppchen-Mumm & G.H. von Mumm: Deutsche Wurzeln neu belebt
Godefroy Hermann von Mumm (1893-1970), in Reims geboren und Sohn von Georges Hermann Mumm, gründete 1922 in Eltville (Rheingau) die Sektkellerei Mumm & Co. Es folgten jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit den Franzosen, die dem deutschen Unternehmen die Nutzung des Namens Mumm verbieten wollten. Letztendlich ging Mumm-Eltville siegreich hervor. Als einzige Bedingung darf Mumm Deutschland für die Etikettierung ausschließlich die Farben Schwarz und Weiß verwenden. Im Jahr 2001 wurde das Unternehmen vom Sektgiganten Rotkäppchen erworben, was zur Umfirmierung in Rotkäppchen-Mumm führte. Der “Wein-Zweig” der deutschen Familie G.H. von Mumm (mit “von”) bleibt weiterhin in Familienbesitz.
Mumm Champagne in Reims und die Ära des “Wehrmacht Weins”
Während Robinets Zeit betonte die französische Mumm-Gesellschaft den Namen “Cordon Rouge”. Der Name Mumm wurde aufgrund von Absatzschwierigkeiten in Frankreich, bedingt durch den deutschen Namen, in den Hintergrund gedrängt. Zwischen 1940 und 1944 wurde die Champagne von der deutschen Wehrmacht besetzt. Unmittelbar nach der Besetzung trat Godefroy Hermann von Mumm auf den Plan und sah sich als legitimen Erben. Georges Robinet wurde fristlos entlassen. Der neue Eigentümer führte das Unternehmen während des Krieges sehr erfolgreich. In dieser Zeit entwickelte sich in den besetzten Gebieten Frankreichs, darunter auch der Champagne, ein Phänomen, das als “Wehrmacht Wein” bekannt wurde. Dabei handelte es sich um Weine und Champagner, die von den deutschen Besatzungstruppen requisitioniert, gehandelt oder konsumiert wurden. Obgleich Mumm-Champagner in dieser Periode nur in begrenzten Mengen, beispielsweise nicht in den USA, verkauft werden konnte, flossen die Erlöse aus der Produktion und dem Handel maßgeblich in die Kriegswirtschaft und zur Versorgung der Besatzungsmacht ein. Dieser Abschnitt der Geschichte verdeutlicht, wie selbst prestigeträchtige Marken wie Mumm ungewollt oder notgedrungen Teil eines größeren historischen Kontextes wie dem des “Wehrmacht Weins” wurden. Im August 1944, nach dem Einmarsch der Alliierten, geriet Godefroy Hermann von Mumm in englische Gefangenschaft.
Nach dem Krieg wurde das Unternehmen erneut von der Gruppe “Société Vinicole de Champagne” übernommen, die den Namen in G. H. Mumm & Co., Société Vinicole de Champagne, Successeurs änderte. Dieser Name prangte jahrzehntelang auf den Etiketten. Geleitet wurde das Unternehmen nun von René Lalou (1877-1973), der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg im Vorstand gewesen war. Nach seinem Tod wurde er mit der inzwischen eingestellten Marke “René Lalou” geehrt.
Übernahme durch Pernod Ricard und weltweite Expansion
In den folgenden Jahrzehnten expandierte Mumm stark. Heute gibt es Tochtergesellschaften oder Beteiligungen in Argentinien, Chile, Kalifornien (Domaine Mumm Napa) und Südafrika (Cape Mumm). 1959 wurde Perrier-Jouët übernommen, 1985 Heidsieck & Co. Monopole (später von Vranken-Pommery übernommen). Die “Mumm-Gruppe” wurde danach dreimal verkauft und gehört seit 2005 dem Großkonzern Pernod Ricard.
Das Mumm Produktsortiment: Vielfalt und Qualität
Das Unternehmen besitzt rund 220 Hektar eigene Weinberge; 600 Vertragswinzer liefern zusätzlich Trauben. Die Standardmarke des Hauses ist mit 85 % der Produktion der “Cordon Rouge”. Das “Rouge” bezieht sich dabei nicht auf die Farbe des Weins, sondern auf den roten Streifen, der über das Etikett verläuft. Dieser Non-Vintage-Champagner wird aus etwa 45 % Pinot Noir, 25 % Chardonnay, 20 % Pinot Meunier und bis zu 15 % Reserveweinen älterer Jahrgänge assembliert und reift drei Jahre auf der Hefe. Ein gleichnamiger Jahrgangschampagner wird nur in den besten Jahren produziert. Eine seltene Version davon ist der “Grand Cordon”. Der “Rosé” wird aus 60 % Pinot Noir und je 20 % Chardonnay und Pinot Meunier assembliert. Beim süßen “Demi-Sec” dominiert mit 50 % Anteil der Pinot Meunier. Die Marke “Grand Cru” wird mit Trauben aus Grand-Cru-Gemeinden assembliert und besteht aus 60 % Pinot Noir und 40 % Chardonnay.
Cuvée de Prestige und internationale Präsenz
Als Cuvée de Prestige gilt der Blancs de blancs “Mumm de Cramant”, der zu 100 % aus Chardonnay-Trauben der Gemeinde Cramant produziert wird. Jährlich werden etwa neun Millionen Flaschen Champagner produziert. Davon werden 40 % in Frankreich und 60 % in über 100 Ländern weltweit verkauft. Das Unternehmen pflegt traditionell enge Beziehungen zu Kunst, Luftfahrt, Motorsport und Segeln (Admiral’s Cup und Segel-Tour de France) als Sponsor.
Von Formel 1 bis Asterix: Mumm in Popkultur und Sponsoring
Von 2000 bis 2015 war Mumm bei jeder Siegerehrung der Formel-1-Rennen mit der Jeroboam-Flasche präsent. Auch bei Schiffstaufen ist Mumm eine bevorzugte Marke. Im Filmklassiker “Casablanca” genießt Nachtclubbesitzer Rick (Humphrey Bogart) einen Mumm-Champagner mit Ilsa (Ingrid Bergman). In der Asterix-Folge VI “Tour de France” ist das “rote Band” auf einer Amphore (Pfeil) abgebildet und wird als “prickelndes Getränk für Galeerentaufen” beworben.
Mumm Champagne Werbung: Eine Flasche im Asterix-Band und eine Weltraumflasche "Grand Cordon Stellar"
Champagnergenuss im Weltraum: Eine neue Dimension
Im Jahr 2018 wurde der “Grand Cordon Stellar” vorgestellt. Mit speziellen Flaschen und Gläsern ist es nun möglich, Champagner auch im Zustand der Schwerelosigkeit zu genießen. Nach dem Ausgießen des Champagners bildet sich eine kleine Schaumkugel, die mit dem Glas aufgefangen wird. Aufgrund der Schwerelosigkeit füllt die Flüssigkeit sofort den gesamten Mundraum aus und verstärkt die Geschmacksempfindungen. Dies wurde am 5. September 2018 erfolgreich in einer Kapsel der Zero-G Corporation getestet. Der Champagner soll auf zukünftigen Weltraummissionen und kommerziellen Raumflügen angeboten werden.
Fazit: Ein Champagnerhaus im Spiegel der Zeit
Die Geschichte von Mumm Champagne ist eine Erzählung von Tradition, Unternehmertum und Anpassungsfähigkeit. Von seinen deutschen Ursprüngen über die Expansion in Frankreich, die Herausforderungen durch zwei Weltkriege – inklusive der komplexen Rolle während der “Wehrmacht Wein”-Periode – bis hin zu seiner globalen Präsenz und innovativen Vorstößen in den Weltraum, hat Mumm stets seine Identität bewahrt und weiterentwickelt. Das Haus Mumm bleibt ein faszinierendes Beispiel dafür, wie eine Marke durch die Wirren der Geschichte navigiert und sich dabei immer wieder neu erfindet. Entdecken Sie die reiche Geschichte deutscher und französischer Weinkultur und erfahren Sie mehr über die Verbindungen, die sich über Epochen hinweg ziehen.