MMOGA: Vom Online-Spiel zum Milliarden-Deal – Deutschlands heimlicher Gaming-Gigant

Ein virtueller Tresor symbolisiert die Werte und den Handel auf MMOGA.de

Die Geschichte von MMOGA ist eine faszinierende Reise von den Anfängen eines Online-Portals für virtuelle Güter bis hin zu einem milliardenschweren Verkauf an ein chinesisches Unternehmen. Was in Deutschland kaum Wellen schlug, war ein Rekordgeschäft in der Online-Industrie. MMOGA, einst von einem deutschen Gründer aufgebaut, hat sich zu einer der größten Handelsplattformen für digitale Spielinhalte entwickelt und zeigt, wie mit cleverer Strategie und Fokus auf Nischenmärkte enorme Erfolge erzielt werden können.

Die Entstehung und das geheime Verkaufspaket von MMOGA

MMOGA.de, die zentrale Domain des mittlerweile international agierenden Unternehmens, ging Ende 2005 online. Ursprünglich als Handelsplattform für virtuelle Güter und Aktivierungscodes für Online-Spiele konzipiert, hat sich MMOGA zu einem Schwergewicht in der Gaming-Welt entwickelt. Der dreißigjährige Gründer aus Aschaffenburg schuf damit ein Unternehmen, das heute seinen Hauptsitz in Hongkong hat, aber durch seine Wurzeln in Deutschland tief verbunden bleibt.

Der Verkauf von MMOGA an ein chinesisches Unternehmen für rund 300 Millionen Euro war ein Deal von beachtlicher Größenordnung, der jedoch überraschend wenig mediale Aufmerksamkeit in Deutschland fand. Dies lag daran, dass der Verkauf bewusst nicht öffentlich kommuniziert wurde. Die Tatsache, dass MMOGA Ltd. seinen Sitz in Hongkong hat, während administrative Belange oft von Aschaffenburg aus koordiniert werden, unterstreicht die internationale Ausrichtung und Komplexität des Unternehmens.

Umfangreiche Recherchen und Berichte, unter anderem auf chinesischen Webseiten, deckten schließlich die Details auf. Eine offizielle Meldung von Reuters im Juli 2015 enthüllte den Kauf von 100 Prozent der MMOGA-Anteile durch die chinesische Kee Ever Bright Decorative Technology Co Ltd (KEBDT) für umgerechnet rund 306 Millionen Euro. Diese Transaktion markierte einen der größten Exits in der deutschen Online-Branche, der jedoch im Inland weitgehend unbemerkt blieb.

Ein virtueller Tresor symbolisiert die Werte und den Handel auf MMOGA.deEin virtueller Tresor symbolisiert die Werte und den Handel auf MMOGA.de

Die Dimensionen von MMOGA waren beachtlich: Mit 3,88 Millionen registrierten Nutzern zählte die Plattform zu den größten Gaming-Plattformen Europas. Die Bilanzsumme belief sich auf 90 Millionen Euro, mit Nettovermögenswerten von 56,4 Millionen Euro. Um den Kaufpreis von 300 Millionen Euro vollständig zu realisieren, musste MMOGA ambitionierte Wachstumsziele erfüllen, mit jährlichen Steigerungen des Nettogewinns über mehrere Jahre hinweg.

Das Geschäftsmodell von MMOGA: Virtuelle Güter und Spiele-Keys

Das ursprüngliche Kerngeschäft von MMOGA konzentrierte sich auf den Handel mit virtuellen Gütern in Online-Computerspielen. Spieler konnten In-Game-Währungen für MMORPGs wie World of Warcraft (WoW), Everquest 2 oder Guild Wars erwerben, Leveling-Dienste für ihre Avatare in Anspruch nehmen oder sogar komplette Accounts kaufen. Heute bedient MMOGA eine breite Palette von Spielen, darunter auch das beliebte FIFA von EA Sports.

Weiterlesen >>  CAD 3D für Android: Entdecken Sie die mobile Macht von 3D-Modellierung

Ein zweiter, bedeutender Einnahmestrom ergibt sich aus dem Verkauf von Lizenzen und Aktivierungscodes für Online-Spiele. Diese sogenannten “Keys” werden vermutlich kostengünstig im Ausland, vor allem außerhalb Europas, eingekauft und dann mit einer lukrativen Marge nach Europa weiterverkauft. Schätzungen zufolge teilen sich beide Geschäftsmodelle heute die Umsätze nahezu gleichmäßig auf.

Michael Singer, ehemaliger Head of Marketing bei MMOGA von 2009 bis 2011, der bereits seit 2006 als Freelancer für das Unternehmen tätig war, beleuchtet die Anfänge: “Anfangs generierten wir fast 80 % unseres Umsatzes durch den Verkauf von In-Game-Items.” Er und der Gründer waren selbst Gamer, die sich beim Spielen von WoW kennengelernt hatten und früh das Potenzial im Handel mit virtuellen Gütern erkannten. Trotz anfänglicher Bedenken bezüglich der Seriosität der Plattform, bedingt durch den Sitz in Hongkong, war MMOGA nie eine Briefkastenfirma, sondern verfügte stets über ein engagiertes Team in China.

China und der Boom des “Goldfarmings”: Von der Nische zur Professionalisierung

Das internationale Geschäft mit In-Game-Währungen, wie es auf MMOGA.de stattfindet, ist zu einem hochgradig professionalisierten Sektor geworden. Insbesondere chinesische Unternehmen, oft als “Farms” bezeichnet, mit Dutzenden von Spielern, die rund um die Uhr agieren, prägen diesen Markt. MMOGA fungiert dabei als Dienstleister und Vermittler für diese Akteure. Dieses Modell ermöglichte es auch, Umsatzsteuer zu umgehen, da die Kunden direkt an die Verkäufer in China zahlten und MMOGA lediglich eine Verkaufsprovision erhielt.

Grafik, die den Vermittlungsablauf von virtuellen Gütern auf MMOGA.de veranschaulichtGrafik, die den Vermittlungsablauf von virtuellen Gütern auf MMOGA.de veranschaulicht

Das Phänomen des “Goldfarmings” erlangte durch den Erfolg von World of Warcraft im Jahr 2004 größere Bekanntheit. Doch schon lange zuvor gab es Akteure, die virtuelle Güter für Spiele anboten. Brüder wie Daniel, David und Dan-Micha Schikor handelten bereits im Jahr 2000 mit Gold und In-Game-Inhalten für Diablo 2. Ihre später gegründete Plattform randyrun.de, die ebenfalls sehr erfolgreich ist, war lange ein erbitterter Konkurrent von MMOGA.

Singer zufolge hat sich das Blatt gewendet, und MMOGA.de hat sich zum unangefochtenen Marktführer im deutschsprachigen Raum entwickelt. Diese Dynamik, trotz anfänglich starker Konkurrenz, zeigt das immense Wachstumspotenzial des Sektors.

Marketing für einen Währungshändler: Wie MMOGA.de zur Größe heranwuchs

Die beeindruckenden Kennzahlen von MMOGA.de, wie die durchschnittlich über 2 Millionen monatlichen Besuche – im Vergleich zu unter 100.000 bei randyrun.de – zeugen von der enormen Reichweite des Portals. Auch die internationalen MMOGA-Seiten tragen mit zusätzlichen 500.000 monatlichen Besuchen erheblich zum Erfolg bei.

Weiterlesen >>  Lightroom Classic 9: Der ultimative Leitfaden für deutsche Anwender

Der Grundstein für diesen Erfolg wurde laut Singer von Anfang an durch eine konsequente Suchmaschinenoptimierung (SEO) gelegt. Während klassische Display-Werbung und Google AdWords nur durchschnittliche Ergebnisse lieferten und MMOGA zeitweise sogar von Google-Werbeprogrammen ausgeschlossen wurde, wurde die Relevanz von SEO gesteigert. Die Suchbegriffe rund um “MMOGA” allein generierten zeitweise ein monatliches Suchvolumen von 500.000 in Deutschland.

Neben der SEO-Strategie spielte auch das Sponsoring von spezialisierten Gaming-Websites, Foren und Blogs eine entscheidende Rolle. MMOGA konzentrierte sich auf kleinere, zielgruppenspezifische Seiten, um die Markenbekanntheit zu steigern und gleichzeitig die Betreiber finanziell zu unterstützen. Auch der Aufbau einer Social-Media-Strategie und die Kontaktaufnahme zu Influencern waren frühe Bausteine des Erfolgs.

MMOGA als Affiliate-Netzwerk: Starke Partnerschaften mit Influencern

Die Bedeutung des Affiliate-Marketings erkannte MMOGA frühzeitig. Zahlreiche deutsche “Let’s Player” auf Plattformen wie YouTube und Twitch, darunter bekannte Namen wie PietSmiet, Elotrix und MontanaBlack, fungieren als Affiliates für MMOGA.de, indem sie das Portal in ihren Kanälen bewerben.

Anfangs nutzte MMOGA externe Affiliate-Netzwerke wie Zanox und Tradedoubler, entwickelte jedoch später ein eigenes, internes System. Dieses Partnerprogramm zahlt attraktive Provisionen: 10 % für digitale Güter wie Keys und 15 % für virtuelle Güter wie Coins und Gold. Auch exklusive, lukrative Deals für einflussreiche YouTuber, sei es als Pauschalbeträge oder eine Kombination aus Provision und monatlichen Fixbeträgen, wurden angeboten.

Diese ausgeklügelte Marketingstrategie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass MMOGA nicht nur Randyrun in Deutschland überflügeln, sondern auch globalen Konkurrenten wie g2a.com und kinguin.com trotzen konnte. Der Versuch der Samwer-Brüder, mit Gamegoods im Jahr 2006 in den Markt einzusteigen, scheiterte hingegen bereits 2008.

Weitere Projekte des Gründers aus Aschaffenburg

Die Geschäftstätigkeit des Gründers beschränkte sich nicht allein auf MMOGA. Projekte wie die Domain online-gold.de und game-accounts.de, die ebenfalls virtuelle Güter, Lizenzen und Keys anbieten, gehörten zu seinem Portfolio. Obwohl diese Seiten nicht die gleiche Reichweite wie MMOGA.de erzielen, deuten die Daten darauf hin, dass sie Teil des Verkaufsgeschäfts waren.

Darüber hinaus ist der Gründer als alleiniger Gesellschafter der AMA Media GmbH tätig, die sich auf das Management eigener Vermögenswerte und Investitionen im New-Media-Sektor konzentriert. Ebenso hält er die alleinige Gesellschafterstellung an der Gamesrocket GmbH, einem Download-Portal, dessen Geschäftsmodell sich von dem von MMOGA unterscheidet. Obwohl Gamesrocket GmbH im chinesischen Bericht erwähnt wird, bleibt unklar, ob es Teil des Verkaufs war.

Vergleich der Traffic-Schätzungen für MMOGA.de und randyrun.de, Quelle: SimilarWebVergleich der Traffic-Schätzungen für MMOGA.de und randyrun.de, Quelle: SimilarWeb

Verkauf von In-Game-Währung und Keys: Eine rechtliche Grauzone

Die Ansiedlung von Unternehmen wie MMOGA in Hongkong wirft Fragen hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Der Handel mit In-Game-Währungen bewegte sich lange in einer rechtlichen Grauzone. Laut Singer hängt die Legalität stark vom Geschäftsmodell des jeweiligen Spieleherstellers ab. Bei Pay-to-Play-Titeln wie World of Warcraft, wo monatliche Gebühren anfallen, wird der Verkauf von In-Game-Gold oft nicht als direkter Eingriff in das Geschäftsmodell betrachtet, auch wenn es gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen und zur Sperrung des Accounts führen kann.

Weiterlesen >>  RISE with SAP: Ihr Weg in die Cloud-gestützte Zukunft der Unternehmenssoftware

Bei Free-to-Play-Spielen, die sich durch In-Game-Käufe finanzieren, wird die Praxis kritischer. Singer äußert Unverständnis darüber, dass Spielehersteller diese Monetarisierungsmöglichkeit nicht selbst anbieten und so erst den Erfolg von Plattformen wie MMOGA begünstigen.

Die rechtliche Situation beim Kauf gebrauchter Keys und Lizenzen ist komplexer. Während ein Urteil des Berliner Kammergerichts 2014 den Verkauf von Keys als Urheberrechtsverletzung einstufte, stellte der Bundesgerichtshof später klar, dass Lizenzschlüssel verkauft werden dürfen, solange die ursprüngliche Kopie nicht weiter genutzt wird. Die Überprüfung und der Nachweis einzelner Fälle sind jedoch aufwendig und kostenintensiv, sodass der Key-Verkauf trotz jüngster Urteile in einer rechtlichen Grauzone verbleibt. Die Spielehersteller selbst hielten sich auf Anfrage zurück.

Die deutsche Games-Branche, vertreten durch die GAME – Verband der deutschen Games-Industrie e.V., kritisiert den Handel mit Keys scharf. Geschäftsführer Dr. Maximilian Schenk spricht von einer “dunklen Grauzone”, die oft mit Rechtsverstößen wie Urheberrechtsverletzungen, Kinderschutzgesetzen und Steuerhinterziehung einhergeht. Nutzer solcher Plattformen sollten sich bewusst sein, dass ihre Käufe selten sicher sind und die Unterstützung durch die Spieleentwickler fehlt.

Wer steckt hinter dem Kauf von MMOGA?

Trotz der rechtlichen Unklarheiten und der angespannten Beziehungen zu Spieleherstellern war der Kaufpreis für MMOGA.de eine klare Ansage. Käufer war die Kee Ever Bright Decorative Technology Co Ltd (KEBDT), ein börsennotiertes chinesisches Unternehmen, das bisher vor allem in der Herstellung von Kunststoffteilen, Metallabzeichen und elektrischen Schaltern tätig war.

KEBDT beabsichtigt, das Geschäftsmodell grundlegend zu restrukturieren und sich als E-Commerce- und Gaming-Plattform neu zu positionieren, mit dem Ziel, langfristig ein Medienkonglomerat aufzubauen. Die Börse in Shenzhen reagierte positiv auf den Deal, und die Aktien von KEBDT verzeichneten einen signifikanten Anstieg.

Singer erfuhr von dem Deal aus chinesischen und englischsprachigen Medien und war wenig überrascht. Die im Bericht genannten Gewinn- und Wachstumsziele hält er für realistisch. Bereits während seiner Tätigkeit bei MMOGA gab es Pläne für einen Exit, und es lagen bereits Angebote im zweistelligen Millionenbereich vor, die jedoch nicht hoch genug waren.

Bei der Transaktion wurde MMOGA von der deutschen Tochtergesellschaft Angermann M&A International Inc. beraten. Diese hatte bereits in der Vergangenheit an Deals für namhafte Unternehmen wie Appnexus, Tripadvisor und Deloitte mitgewirkt. Die genauen Profiteure des Verkaufs und der Grad der Beteiligung des Gründers als alleiniger Anteilseigner von MMOGA Ltd. bleiben jedoch unklar.